Erinnerungen

[Charlotte]

Mir ist schon öfter und gestern Abend mal wieder aufgefallen, dass meine Erinnerungen sehr lückenhaft sind. Da ich nur meine eigenen Erinnerungen habe, kann ich nicht beurteilen, ob das bei jedem so ist oder ob das mit meinem psychischen Krautsalat zusammenhängt, deswegen wollte ich euch mal fragen, was ihr davon haltet.

Ein Beispiel: Mein Abi-Abschlussball
Und das ist wirklich nur ein Beispiel von vielen.

Ich weiß, dass
- ich da war
- ich vorher bei einer Freundin war, weil es ein Bild von uns beiden in unseren Ballkleidern gibt
- wo er stattgefunden hat
- ich im Laufe des Abends mit meiner ehemaligen Deutschlehrerin geredet habe und sie mir ihre Adresse gab, weil sie an meinen Geschichten interessiert war

Das ist alles. Ich weiß nicht, wie ich hingekommen bin, wie der Ballsaal von innen aussah, ob und wenn ja was für ein Programm es an dem Abend gab, ob es Buffet oder Menu gab, ob ich getanzt habe, wie lange ich geblieben bin, wie ich wieder nach Hause gekommen bin...
Und der Ball ist erst 9 Jahre her und ja doch eigentlich ein wichtiger Tag gewesen.

So geht es mir mit sehr vielen Erinnerungen, eigentlich mit den meisten. Es gibt ein paar Bilder dazu in meinem Kopf und Dinge, die ich weiß - nicht, weil ich mich daran erinnern kann, sondern weil es als Tatsache in meinem Kopf gespeichert ist.
Und es gibt Dinge, die sind wie ausgeschaltet und wenn mich etwas daran erinnert, dann ist das ein Gefühl von 'Ach ja, das hast du ja auch erlebt'. Wie ein Buch, das man vor Ewigkeiten mal gelesen hat und bei dem man noch in etwa weiß, worum's ging und wie es endete, aber nicht mehr, wie das alles genau ablief.

Ist das normal? Habt ihr das auch?
Es beschäftigt mich gerade... Auch weil eine gewisse Angst daran hängt, der Gedanke, alles aufschreiben zu müssen, um es nicht zu vergessen.

[cats47]

Ich habe überhaupt keine Erinnerungen aus der Zeit Kindheit und Jugend.
Ganz selten das mal ein Fragment auftaucht. Aber wenn dann nie bewußt
sondern immer zufällig. Bewußt zurück erinnern geht gar nicht.
Es hat mal jemand zu mir gesagt diese Erinnerungen sind nicht weg
sondern nur verdrängt. Ich glaube das das stimmen könnte.
Da du dich an Teile der Erlebnisse erinnern kannst und an andere nicht
denke ich nicht das es in deinem Fall mit Verdrängung zu tun hat.

[Rainbow]

geht dir das "nur" so mit Erinnerungen die länger zurück liegen oder passiert dir das im Alltag auch?
Ich kenne das auch.
Hast du da mal mit einem Therapeuten drüber gesprochen?
sry ich hab grad nicht auf dem Schirm ob du eine Thera machst?

[Charlotte]

Nein, im Alltag hab ich es nicht, ist nur bei Erinnerungen.
Ich mach eine Therapie, ja, aber bisher hab ich darüber nicht mit ihm gesprochen. Das ist auch etwas, was mir nur ab und an mal wieder auffällt, mich dann eine Weile beschäftigt und dann - wie passend - denk ich nicht mehr dran.

[Rainbow]

naja aber wenn es dich beschäftigt, solltest du es vielleicht mal ansprechen in der Thera?
bevor es wieder aus deinem Kopf verschwunden ist

[Christine]

Bei mir ist das auch so mit Erinnerungen... (nachdem ich aber bisschen komisch bin, kann man daraus nicht unbedingt schließen, dass es normal ist.^^)

Ich sehe das wie Rainbow, wenn es dich beschäftigt solltest du es in der Therapie mal ansprechen

[Charlotte]

Es ist irgendwie beruhigend, dass ihr das auch kennt.

Ich werd's mal ansprechen in der Thera, es dauert ja jetzt nur bis nach der Reha, ehe ich wieder da hingehe, deswegen hab ich auch mal hier gefragt.

[GefallenerEngel]

Hallo Charlotte,

bei mir ist das auch nicht anders, kann mich kaum noch an meine Kindheit und Jugendzeit erinnern. Das meiste ist weg. Wenn du also im Alltag nichts davon bemerkst und die wirklich wichtigen, aktuellen Dinge nicht vergisst, dann ist das vollkommen normal. Brauchst dir keine Sorgen deswegen zu machen. Unserem Erinnerungsvermögen können wir sowieso nicht trauen, und je weiter etwas in der Vergangenheit liegt, desto schlechter können wir uns daran erinnern... Wäre ja auch schlimm sich an alle Details aus der eigenen Vergangenheit erinnern zu können, die Gnade des Vergessens nennt man das...

LG Gefallener Engel

[indigo]

ich kenne es auch. ich hab wenige kindheitserinnerungen und an eine bestimmte zeit fast gar keine. also ab anfang pubertät ungefähr ist da sogut wie nichts mehr. manchmal macht mir das ziemlich angst weil es ja bei mir noch nicht sonderlich lange her ist... ich kann es mir nicht erklären.

[Blume]

Mir geht das manchmal auch so. Manchmal muss ich mich in der Therapie an Erlebnisse aus meiner Kindheit zurückerinnern und das fällt mir extrem schwer. Es gibt Situationen, die hab ich auch heute noch ganz plastisch vor Augen, aber meistens ist meine Erinnerung sehr lückenhaft.

Auch die Monate direkt bevor ich in die Klinik gekommen bin, sind bei mir sehr sehr schwammig verzeichnet. Ich kann mich da überhaupt nicht mehr konkret dran erinnern - nur manchmal hab ich eine Art Flashback, dann fühlt sich alles genau an wie damals - obwohl ich jetzt nicht sagen könnte, wie es sich damals angefühlt hat ...

Wie ging es dir denn so um die Zeit um deinen Abiball herum? [Wenn du dich erinnern kannst.]
Wenn es dir zu dieser Zeit allgemein nicht gut ging, kann es sein, dass du es aus diesem Grund schon irgendwie verdrängt hast.

[Mad-Ich]

Bei mir sind Erinnerungen meist mit starken Gefühlen verbunden. Die mit wenigen, sind teils nicht allzu lange da. Aber kann den Leuten meist noch nach Wochen sagen, ob sie mir schonmal was erzählt haben. Oder es kommen Erinnerungen hoch, wenn sie grad wichtig sind. Teils kann ich dir noch im Detail sagen, was jemand mal gesagt hat. Braucht aber nen bissl Zeit mittlerweile. Bildhaftes erinnern hingegen, da geht nicht viel.

Wenn ich so andere sehe, wie sehr die im Detail von total banalen Dingen erzählen, wo du dir nur denkst, ich will hier weg, teils wirklich sehr langatmige Monologe halten, wenn das normal ist, dann will ich nie normal werden *kopfschüttel*.

Nehmen wir als Beispiel meine Abschlussprüfung als Koch. Ich kann dir nichtmal das genaue Menü sagen, wobei, hmm. Hauptgang war Lachsfilet, wo ich den ganzen Lachs einfach mal für alle filetiert habe. Auf Gemüsejulienne mit Salzkartoffeln. Dessert war ne einfache Bayrisch Creme mit, tja, könnten, hmm, wars Erdbeersauce? Ich mein, ich hatte Läuterzucker gemacht. Vorspeise, ne, beim besten Willen nicht. Kann ne Suppe gewesen sein, wenn dann wohl Blumenkohlcremesuppe. ich weiß noch, dass mir der eine Prüfer ne Schokodeko von nem Mitprüfling aufe Sahne vom Dessert gemacht hat. Von dem, den ich seine Tomaten geschnitten hatte, weil er in Zeitdruck war. Alle haben ne 2 gehabt an dem Tag, allein weil es kein Chaos gab und kein Hektik aufkam, war ausschlaggebend. Die Prüfer weitestgehend in nem Nebenraum saßen und uns relativ unbeobachtet haben machen lassen. Die 2 für mich unfassbar war, absolut extremes Glücksgefühl. Weiß noch, wie wir vorher draußen auf der Treppe saßen. Weiß, an welchem Platz ich gearbeitet habe, weiß wo die Spüle in dem Raum war, wo die Kühlschränke und Truhen standen. Der kurze Blickkontakt mit meinem Lehrer, weil mir diesmal, anders als in der Zwischenprüfung, das Dessert gelungen war. Wieviele Utensilien mein Nebenmann mithatte, hatte mich etwas erstaunt und das wars. Nix über den Warenkorb, nix über die, die noch an dem Tag Prüfung hatten bis auf einen. Weiß nur noch den einen anderen Prüfer, der 3te ist weg. Hab den Lachs im Ofen gegart, was nen bissl übergekocht ist, was aber keiner gesehen hat. Hin- und Rückweg ist nix da. Wie ichs angerichtet habe auch nix.

Okay, doch noch sehr im Detail teils, 18 Jahre ist das her. Aber frag mich nicht, wie der Tag vorher aussah. Wobei, doch, da ist was. War die Nacht wach und hab mein Berichtsheft für 2 Jahre nachgeschrieben Aber wie der Tag nach der Prüfung aussah, hmm. Nur mein letzter Arbeitstag ist hängengeblieben, weil da so viel los war, da ich inner Zeitung stand, werbetechnisch.

Hmm, wahrscheinlich war der Ball für dich eher neutral? Dann bleiben Erinnerungen nicht so lange da. Als ich dissoziativ wurde, Gefühlsarm, ausgebrannt irgendwie, da blieb gar nix mehr hängen die erste Zeit. Deshalb halt meine Theorie, ohne unsere Gefühle wärn wir nix anderes als Steine. Erst die lassen uns leben, erinnern und lernen. Vielleicht wars keine gute Zeit damals? Und schon damals musstest viel ausblenden an Gefühlen? Konntest sie dir nicht zugestehen? Dann bleibt wohl auch weniger an Erinnerungen hängen.

[Charlotte]

@ GE: Hm, ja. Bei einigen Dingen ist es sicherlich gut, sich nicht mehr allzu genau dran zu erinnern. Aber ich hab das Gefühl, bei mir ist auch viel Gutes nur noch lückenhaft da und das ist schon bedrückend...

@ indigo: Ja, mir ist auch vieles fremd, was noch gar nicht so lange her ist.

@ Blume: Puh, das ist eine gute Frage. Zur Zeit des Balls glaube ich wieder so einigermaßen. Vorher war's anstrengend durch die Prüfungen und die Bewerbungsphase. Aber ich kann es nicht beschwören. Leider hab ich auch erst vor einem Jahr angefangen, regelmäßig Tagebuch zu schreiben.

@ Mad-Ich: Ja, das mag sein. Mit meinen Erinnerungen sind eher wenig Emotionen verbunden, ich hab mir ja immer Mühe gegeben, so wenig wie möglich zuzulassen.
Da muss ich mal drüber nachdenken...

[Anna]

Leider ist es bei mir so das ich vieles noch zu gut in Erinnerung habe. Obwohl ich es gern vergessen würde! Denke ein bisschen ist auch normal wenn Erinnerungen verblassen. Ansonsten einfach mal beim Therapeuten ansprchen.
LG Anna

[Charlotte]

Ja, nicht vergessen zu können, ist die andere Seite der Medaille.
Ich werd's gelegentlich mal ansprechen.