Guten Tag.
Da ich mich in meinem nun folgenden Anliegen um eine möglichst abgrenzende Gliederung bemühe, sei mir das Unterlassen einer einführenden, näheren Beschreibung meiner Persönlichkeit verziehen. Alle für die Beantwortung oder für eine Stellungnahme wichtigen Punkte werde ich versuchen, aufzustellen, versuchen, Struktur zu geben. Die Anmerkung, in einem Beitrag zu einem Zeitpunkt nicht alles aufschreiben zu können, erlaube ich mir an dieser Stelle noch, denke aber im gleichen Zuge, dass auch das u.U. menschlich nachvollziehbar ist.
Ich bin ein Mensch, der keine gesellschaftliche Position hat. Meine Erscheinung ist nicht außergewöhnlich, meine Körpergröße im Durchschnitt, meine Kleidung eher bescheiden, der betrachtete Mensch hingegen, ist alle vorher gefällten Vorurteile außen vor gelassen, ebenfalls von keiner Auffälligkeit geprägt.
Wenn ich an mich selber denke, sehe ich nichts, was mich für andere Menschen interessant macht, nichts, was mich für die Damenwelt attraktiv oder besonders macht, nichts, was mich jemals an meine beruflichen Ziele führen wird. Das ist der Grund, weshalb ich mich 22 Lebensjahren über keinen ausgebildeten Bekanntenkreis verfüge, keinerlei Kontakte aus der Schullaufbahn behielt, keine praktischen Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht habe und trotz all meiner Auffassungsgabe, trotz all meinem Verantwortungsbewusstsein und trotz all meiner Gewissenhaftigkeit beruflich nicht mehr weiter komme.
Im Inneren verfüge ich über eine ausgeprägte Gefühlswelt. Ich liebe den tiefen Winter, wenn es verschneit ist, ich durch den Schnee schreiten, stille Wälder und Seen besuchen kann, ein wenig das Gefühl vom "ordneten Tief" der Natur habe. Wenn ich weiss, dass unter Totholz die im Herbst zur Winterruhe gegangene Hornissekönigin schläft. Taut der Schnee und die ersten Februartage bei Sonnenschein wecken die ersten Solitärbienen, wird meine mit Herzblut gebaute Wildbienenwand wieder beflogen. Die Blattrosette des giftigen aber bestechend schönen Fingerhutes bekommt neue Kraft, der Stängel wächst empor, im Verlauf des Frühlings erscheint die rosa Blüte mit den kleinen Flecken. Die Hummeln befliegen sie. Und auch die große Hornissenkönigin, die bei Dämmerung mit ihrem tiefen Brummen erschrecken kann, geht auf Nistplatzsuche. Es ist Sommer. Und die Menschen sind glücklich.
Nach aussen gekehrt, gibt es kein "Feuer" in mir. Trotz meiner Jugend habe ich vor dem anstehenden Wochenende kein Gefühl des Abenteuers, ich "rieche" keinen aufregenden Abend, sehe vor dem inneren Auge keine Tanzfläche, wo die "eine meine" zu finden ist. Ich gehe nicht in Discotheken. Ich tat es bereits, ärgerte mich aber über den zu teuren Eintritt, obwohl ich für mein Alter sehr vermögend bin, ich ärgerte mich über den schwer abwaschbaren Stempel, darüber, dass es zu laut ist, darüber, dass die Menschen alle oberflächlich sind, sich betrinken, ein wenig hin- und herschaukeln, mit ihren Partnern im Rausch wild herumknutschen und sich am nächsten Tag wahrscheinlich wegen Kleinigkeiten streiten.
Ich habe anderen nie ihre Freuden abgenommen, wenn ich sie sah. Ich glaube Händchen haltenden Paaren nicht, dass sie alles für einander tun würden, ich glaube vielen Müttern nicht, dass die Kinder gewollt waren, ich sehe Bestätigung, wenn wieder einmal jemand beweist, dass er sich wegen Kleinigkeiten aufregt, die Dinge, die ihm gegeben sind, nicht anerkennt und dankbar für das ist, was er hat.
Es ist diese Schlussfolgerung, die mich vor die Frage stellt, ob ich bei zwei gesunden Beinen, keinen finanziellen Problemen und körperlicher Gesundheit das Recht zur Klage habe. Es gibt nichts, was Mitleid rechtfertigt, es gibt ja auch nichts, was das Leid rechtfertigt. Ein durch einen Unfall an den Rollstuhl gebundener, gleichaltriger, hat Grund zur Niedergeschlagenheit, jemand, der seinen Partner durch den Tod verlor, die unheilbar kranken, die entstellten.
Jedoch sagt mir seit geraumer Zeit etwas, dass der Mensch noch etwas anderes braucht, auf das jeder eine Chance verdient hat, das jeder erwarten dürfen sollte. Liebe. Das Gefühl, gebraucht zu werden. Vertrauen. Dank. Es ist nicht allzu unwahrscheinlich, dass ich diesen Gedanken verliere, wenn sich wieder eine Tür öffnet. Eine Tür, auf der "Fluchtweg" steht. In Momenten wie diesen habe ich das Gefühl, mich der Aussprache nicht mehr entziehen zu können, dass ich offen sein muss, wie ein Manager, der der Belegschaft sagen muss, dass es vorbei ist.
Verliebt war ich im Leben ein einziges Mal. Mit 18 gab es eine irrationale, peinlich jugendliche Schwärmerei für eine ohnehin unerreichbare, mit 20 zeigte sich mir eine Frau, die ich als menschlich ansah, die Witz, Verstand und Herz zu haben schien, die ich aufgrund mangelnder Erfahrung aber nicht "festhalten" konnte und es somit bei der einmaligen Begegnung blieb. Ich erfuhr später, dass diese Frau ein hinterhältiges Weib ist, das sich nimmt, was es kriegen kann und durchaus ihre Spiele mit denen spielt, die sie interessant finden. Seit ich das weiss, stelle ich nicht mehr nur meine eigene Menschlichkeit infrage, sondern auch meinen Beobachtungssinn, den ich mir als Einzelgänger, der seine fehlenden Kontakte auszugleichen versuchte, antrainierte und so weit verbesserte, dass ich mir gar einen Sinn für das Entlarven von Lügnern zugestand.
Ich sehe im Grunde keine Hoffnung, mein Potential je ausschöpfen zu können. Menschlich nicht, weil sich im Endeffekt jede Mühe als vergebens erwies, beruflich nicht, da mir zu noch so guten Noten die soziale Präsenz fehlt. So bleibt es bei meiner derzeitigen Tätigkeit, bei der man meine Verlässlichkeit und mein Gewissen schätzt. Es ist eine Aufgabe, bei der man der Firma durchaus ohne Konsequenzen unbemerkt Schaden zufügen kann, wenn man seine Laune an ihr auslassen würde.
Ich will das Thema kurz und bündig machen. Ich bin beruflich unglücklich und habe kein menschliches Gesicht. In Momenten oder teilweise auch an Tagen, wie diesen, nehme ich als Masse, als Ansammlung all meiner Körperzellen nur einen gewissen Platz im Raum ein. Es ist nur eine Frage, ob ich mit anderen Massen kollidiere, ob Dinge zerbrechen.