Fünf Schritte, um sich der deutschen, jugendlichen Gesellschaft von heute anzupassen
Wir alle kennen das Problem der eigenen Identität. Seit der Urzeit fragt sich der Mensch: Wer bin ich? Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was kann ich hoffen? Und durch welche unsichtbare Kette bin ich an eine Menschengruppe gebunden, die sich auch als „unsere Generation“ bezeichnet? Während Freud für die erste Frage Antworten fand und Immanuel Kant – der beknackte Schlingel – mit seinen drei Hauptwerken die drei darauffolgenden Fragen beantwortet hat, bleibt die letzte Frage offen. Was zeichnet diese, die jetzige - genau DIE jetzige - „Generation der deutschen Zukunft" eigentlich aus? Klugheit, Bescheidenheit, Anständigkeit, absolute Verspacktheit? Und vor allem: wie kann ich mich richtig integrieren?
Gehen wir also nach draußen und schauen uns Deutschlands Zukunft an.
Was sehen wir?
Nun, was anmutet wie ein Haufen entlaufener, halbrasierter Versuchsschimpansen mit einem Gemisch aus Anisschnaps, Koks und giftigen Farbstoffen im Blutkreislauf, ist in Wirklichkeit die Creme de la Creme der deutschen, jugendlichen Gesellschaft. Erkennbar an einem Überfluss an klebrigem Undefinierbarem im Haar, einer Menge zu weit geratener Kleidung am Leibe und chronischem Mangel an allem, was sich innerhalb des Schädelknochens befindet.
Um irgendwann mit einer genauso hervorragenden Perfektion den „Style der Straße“ zu leben, ist Disziplin, Selbstzüchtigung und die Einnahme bewusstseinserweiternder Substanzen notwenig. Alles bereit? Dann kann’s ja losgehen.
Schritt 1: Was in den Charts läuft, in ist und nach Gangster riecht, ist cool
Ein einfaches Szenario zum Einstieg. Voll Vorfreude auf den bald anlaufenden Countdown der deutschen Top-Single-Charts auf einem zweitklassigen, mit Werbung und Reality-Shows zugedröhnten Musiksender wirft Dirk U. seinem Freund Hannes in unbestimmter Reihenfolge Schimpfworte in drei verschiedenen Sprachen, Tonlagen und Grunzgeräuschen an den Kopf, um ihn in seinem Zimmer zu begrüßen. In ihren synthetischen Porno-Hip-Hop-Klamotten von der Stange und mit zehn Nummern Übergröße - modisch abgestimmt durch ein übermaltes Cappy der DEVK - sitzen die beiden vor einem Breitbandfernseher – Dirk hat ihn bekommen, weil er schon bis zehn zählen kann – auf einem teuren Ledersofa und ziehen sich das Programm rein. Diese beiden Gestalten sind das Urgestein, die Säulen der jugendlichen Gesellschaft in deutschen Landen. Sie erfüllen alle Klischees, die man heute im Schädel hat, wenn man an „Deutschlands Jugend“ denkt.
Oh, welch unverhoffter Glücksfall! Tatsächlich hat es 50 Cent, der bereits erschossen oder kaputtgefixt in der Gasse liegen würde, wenn ihn nicht irgendein geldgeiler Produzent unter seine Fittiche genommen hätte, geschafft, mit seinem textlich gehaltlosen, aber dafür mit vielen gebräunten, aufgepumpten und vollbusigen Porno-Darstellerinnen in einem Video Platz eins der Single-Charts zu erreichen. Triumph! Triumph! Vor Freude erschlagen sich die beiden Jugendlichen beinahe – aber das ist halb so schlimm. So lange nicht die Geschlechtsorgane getroffen werden, kann bei den beiden ohnehin nichts mehr passieren.
Der allererste Schritt auf dem Weg zum absolut deutschen „Kid“ ist die Schwäche für die Musik, die andere gut finden. Dabei finden die anderen die Musik wahrscheinlich gar nicht so toll, sondern hören sie nur, weil wiederum jemand anderes das Zeug hört und meint, dies sei – man beachte die Fachsprache – „gangsta“.
Derzeit ist „Gangsta Hip Hop“ richtig „trendy“ … ach! Ich mein „gangsta“. Man kommt nicht umhin, diesen Erfolg der durchdachten Vermarktung des „Gangsta Hip Hops“ zuzuschreiben: Zutaten sind ein paar Knarren, mit Öl eingeriebene Frauenkörper, Drogen und was Glitzerndes. Nachdem man das alles kräftig umgerührt und die brodelnde Masse etwas hat abkühlen lassen, ergibt das die Identitätsmatrix aller echten, deutschen, phlegmatischen "Ghetto-Kinder". Zum echten, von den Medien vorsuggerierten „Gangsta Hip Hop Way of Life“ gehören einige Faktoren. Unter anderem:
- Die Einnahme des „Shits“ (Hinweis: hierbei sind keine Fäkalien gemeint – wobei das auch nicht verwunderlicher wäre -, sondern stattdessen in erster Linie illegale Drogen, manchmal auch „Weicheizeug“ wie Spirituosen, besonders teerhaltiger, arabischer Kameltabak oder „ultra kribbliges“ Brausepulver)
- Der Verkauf des „Shits“
- Die Anbetung des „Shits“
- Kleidung, die man wahlweise auch als Zirkuszelt gebrauchen kann
- Shit
- Die Ansicht, weibliche Wesen seien einzig und allein zur Penetration da (Stichwort: Bitch! Merken!)
- Shit
- Waffenbesitz ist unerlässlich für das „Gangsta Kid“. Will heißen: Knarre dabeihaben und nie wieder weglegen. Du lebst hier in Deutschland, junger Gangsta, und hier lauert die Gefahr überall, auch direkt vor der Türe deines Einfamilienhauses! Zunächst tut’s auch eine Spielzeugknarre. Damit kann man dann schon mal an den Kindern auf dem nächstbesten Spielplatz üben.
- Basketball sollte so künstlerisch und einzelgängerisch wie möglich gespielt werden. Nicht vergessen, auch im Winter nur das dünne Basketball-Trikot anzuziehen. Wenn das mal nicht ultra-„gangsta“ ist, Dogg!
- Shit nebenbei
- Schmuck ist wichtig. Überaus wichtig. Bitte darauf achten, mehr Ketten und Ringe mit sich zu führen, als die Königin von England in ihren Gemächern verstauben lässt. Die Objekte sollten zudem glitzern. Es ist ein sehr cooler „Gangster-Effekt“, wenn man abends durch die Straßen geht und mehreren Menschen das Leben raubt, weil Autofahrer von der Reflektion ihres Scheinwerferlichtes in deinem Schmuck geblendet werden und den Wagen im nächsten Senioren-Reisebus parken.
- Fluche wie ein Besoffener.
- Besser: konsumiere unentwegt Alkohol und werde zum Kettenraucher. Stichwort: Shit.
Über einen weiteren, enorm wichtigen Punkt gibt es so viel zu sagen, dass ich ihm gleich eine ganze Rubrik gewidmet habe. Dein nächster Schritt bringt uns in die Welt der Linguistik! Wenn du dieses Wort bisher für die latenische Bezeichnung eines Orang-Utans gehalten hast ... weiter so! So bist du auf dem besten Wege zum neudeutschen Durchschnitts-Jugendlichen!
Schritt 2: Denglisch wird dein Freund sein
Unerlässlich für den deutschen Jugendlichen von heute ist eine präzise und von hoher Intelligenz zeugende Aussprache. Was viele von euch erleichtern wird: der Wortschatz ist gar nicht mal groß. Zu einem großen Teil muss man nicht mal etwas sagen, sondern einfach nur zu einem Rhythmus schlürfen und schniefen, um sich verständigen zu können. Dies ist ein absolutes Wunderwerk der „freshen, flashigen Gang-Sprache“. Generell gilt schon mal: „yo!“ an fast jeden Satz dranhängen. Da merkt dein Gegenüber schnell: "Yo! Zwar nichts im Hirn, aber drauf hat er was!“
Hauptvokabeln:
Nigger: Ein Universalwort. Sag’s zur Begrüßung, wenn du dich freust, beim Anblick schöner Frauen („Bitches“), in der U-Bahn, beim Zähneputzen, beim Staubsaugen oder am besten noch im Schlaf. Manchmal auch gegenüber dunkelhäutigen Mitbürgern – auch wenn sie dich danach verächtlich anschauen.
Rhymen: Wer rappt – dem Sprechgesang frönt -, muss zwangsweise auch reimen. Dass man das englische „to rhyme“ in ein deutsches „rhymen“ verwandelt, obwohl „reimen“ es genau so gut tut, ist nebenbei eines dieser verrückten Wunder unserer Generation! Da macht man sich eben noch Gedanken über … ich schweife ab. Sprich oft über deine Rhyme-Kunst und gib unentwegt Kostproben zum Besten. Werfen die Leute mit Tomaten, drohen dir Prügel an oder rufen die Polizei, muss dich das gar nicht aus der Ruhe bringen. 50 Cent musste auch in der Gosse überleben, junger Schüler! Ihr Gangster müsst zusammenhalten!
Gangsta/Homie: Unumgänglich im Umgang - nette Wortwahl, oder? - mit Freunden und Bekannten sind diese beiden Wörter. Auch hier bitte quantitativ Gebrauch davon machen. Weibliche Wesen sind meistens mit „Bitches“ oder „Chicks“ zu bezeichnen. Sie werden das lieben, Nigger!
Fresh/flash/fat/crazy/w00t/Moooh./Wuff-wuff: Irre klingende Wörter mit (zumeist) englischer Wurzel sind teilweise sehr nett als Adjektive oder einfach nur beknackt anmutende Ausrufe einzusetzen. Wird man währenddessen von einigen alten Leuten seltsam angeschaut, braucht man das nicht so krumm zu nehmen. Man sollte diesen Spießern einfach mal „Piss dich off, go heim und die, du Honkey, yo!“ sagen! Sollten sie vor Schreck nicht einen Schlaganfall erleiden, da sie glauben, satanische Fluchformeln hätten sie gerade heimgesucht, werden sie auf jeden Fall schnell dich, den „Don“, in Ruhe lassen. Yo?
Dies sind nur einige Beispiele. Ein Lexikon für die „Street-Sprache“ gibt es nicht im Handel und nicht bei uns zu kaufen. Pech gehabt.
Wenn man diese Wörter geschickt in grammatikalisch vollkommen unverständliche Sätze einbaut, wird man schnell der „Länguädsch-Pimp der Street“ sein.
Rede so auch beim Arbeitsamt. Vielleicht entdecken sie ja dein Talent als ultracooler Darsteller im nächsten Video irgendeines HipHop-Newcomers aus den schottischen Highlands. Klingt verführerisch, oder?
Schritt 3: Sei ein Handy-Gott
Hannes ist ganz aus dem Häuschen. Gerade hat er mit Dirk entdeckt, dass das Jamba-Abonnement, das ihm bereits Schulden in schwindelerregender Höhe bereitet hat, aktualisiert wurde.
„Son of a Bitch, so ein fresher Shit!“
Tatsächlich laufen über Hannes’ Handy-Display Scharen von bunten Maulaffen, die sich gegenseitig mit Fontänen aus ihrem eigenen Urin vollspritzen und dabei Pachelbels berühmten Streicher-Kanon in fünf verschiedenen Tonlagen summen! Fresh, Alter! Damit wird er morgen in der Schule ... oh ... am Bahnhof der DON sein! Dazu kommt das neue Lied des Kükens Flopsy, das, wenn man brav bis zum Ende gelauscht hat, ein paar freaky Stöhn-Geräusche gebärender Nashörner beinhaltet. Da lohnen sich doch die 150 € Schulden durch das Abonnement!
Nun, das Handy ist das Statussymbol in der Welt der deutschen Jugend. Habe immer das beste, schnittigste, affengeilste „Ghetto-Phone“ – und habe keine Angst vorm Protzen. Wenn du mit Funsounds wie „Fleischtrompete nach Mitternacht“ oder „Coitus interruptus bei Rentnern über 90“ bewaffnet bist, kann kaum etwas schiefgehen. Doch bedenke: die Konkurrenz schläft nicht … und hat sich tags zuvor genau den gleichen Scheiß bestellt.
Schritt 4: Schraube dein Allgemeinwissen auf ein Minimum herunter
Wer was weiß, ist spießig und wahrscheinlich auch noch schwul. Um zu verhindern, selbst aus dem „Ghetto“ verbannt zu werden, muss man erst einmal eins schaffen: dumm wie Hamsterkacke werden. Wie soll man das bewerkstelligen?
Praktisch wäre es natürlich, wenn man noch jung ist und es sich so leichter lernen lässt, nicht einmal das eigene Geburtsdatum auf die Reihe zu bringen. Doch wer erst einmal schlau gewesen ist, muss sich vorher pfiffige Dinge ausdenken, um seinen eigenen Verstand hinter’s Licht zu führen.
Wie kann man am besten Dinge vergessen? Genau! Mit Alkohol! Und was kann die Wirkung von Alkohol noch verstärken? Richtig! Arzneimittel! Wieso nicht gleich ein paar Pilleken aus Omas Schrank mit Vaters gutem Grill-Spritius mixen, den Schuss Branntwein zum Abschmecken hinzugeben und das Gebräu in einem herunterwürgen? Schließlich war der gute alte Medizin-Alkohol-Mix schon immer beliebt bei Leuten, die nicht wirklich wussten, wie sie es zu etwas bringen können. Und mit dem Kater am nächsten Morgen hat man auch keine Probleme mehr, wenn ihr wisst, was ich meine. Noch jemand da?
Günstigere Alternative: nett gepolsterte Yankee-Mütze aufsetzen, die nächste "Ghetto-Wand" aufsuchen und seinen Schädel dagegenhämmern. Nach etwa drei Stunden intensiver Kopfbehandlung dürfte man sich gleich viel „chilliger“ zum „Abhängen“ fühlen. Vertraut mir!
Kleiner Hinweis: etwas anderes als SMS oder die Bravo zu lesen ist absolut verboten. Wer auch nur von Goethe oder Schiller GEHÖRT hat, ist es nicht mehr wert, in so hohen Kreisen wie denen der deutschen Jugend zu verkehren. Stattdessen sollte alles, was an Papier erinnert, mit Drogen vom Bahnhof zusammengebracht werden, damit man den letzten Rest Hirn fein verdampfen lassen kann. So trägt der deutsche Jugendliche auch gewissermaßen zum Umweltschutz bei. Fantastisch, oder? Finde ich nicht.
Schritt 5: Sei gegen Amerika
Der Anti-Amerikanismus ist derzeit absolut in! Wieso? Na, weil Amerika doch objetiv gesehen super-"evil" ist!! Wir erinnern uns: was die anderen letztlich denken, ist genau das, was man selbst auch denken muss. Ruft also zum Boykott gegen die Vereinigten Staaten auf! Allerdings kann man auch weiterhin zu amerikanischen Rappern "chillen", amerikanische Markenkleidung tragen und bei patriotischen Hollywood-Filmen danach schmachten, ein echter Amerikaner zu sein. Aber ansonsten sollte man diese Möchtegern-Cowboys bis auf das Schlimmste verfluchen, yo! Dabei immer schön an die Pauschalisierungen denken ... vor allem daran, dass alle Amerikaner fett sind!
Wenn man gefragt wird, wieso man den USA gegenüber so negativ eingestellt ist, kann das zu einem verzwickten Gespräch mit Argumenten und so 'nem Zeug führen. Da das aber nur etwas für gottverdammte Verlierer und Spießer ist, sollte man einfach nur knapp "Guck' doch auf'n Irak, du Pflaume!" sagen - und der Satz wird Wunder wirken. Man muss den Leuten eben nur sagen, wovon man selbst denkt, dass es richtig ist, weil alle anderen es auch denken. Alles kapiert? Ich denke nicht, aber das wäre schon mal ein gutes Zeichen!
Das Fazit
Anstrengende Minuten liegen hinter uns. Nun gilt es, diese Regeln so oft und genau zu befolgen, dass einem das Lesen dieses Textes schwer fällt. Moment, du kannst das hier etwa noch lesen? Setz’ dich wieder auf deinen fetten, deutschen Hintern und üb’, cool zu sein! Coole Leute können keine Texte lesen! Mein Gott …
Hoffentlich konnte dir durch diesen Artikel geholfen werden. Ebenso zu hoffen ist auch, dass du durch irgendeine bisher unentdeckte Erbkrankheit oder einen Unfall zeugungsunfähig wirst. Aber immerhin kannst du dann sagen, du seiest einmal der Gipfel der Gesellschaft gewesen und darfst dann, wenn du erst einmal kalt und steif geworden bist, zu „Time To Say Goodbye“ im Polyphon-Format zu Grabe getragen werden.
Bis dahin immer schön fresh bleiben, mein Nigger! Ugh-ugh!
http://shortnews.stern.de/freizone.cfm? ... iew&id=176