Angst, die Kontrolle zu verlieren....

Forum zum Austausch über das so genannte Selbstverletzende Verhalten (SVV), auch bekannt als Ritzen, Selbstverstümmelung, Cutten usw.
Wichtig: Bitte keine Bilder von SVV zeigen und kein Pro-SVV!

Angst, die Kontrolle zu verlieren....

Beitragvon Cassie » Fr. 21.02.2014, 17:10

Liebe Mitglieder,

ich bin 32 Jahre alt und verletzte mich seit vielen Jahren immer wieder selbst. Leider habe ich dadurch schon ziemlich viele Narben auf meinem Körper, für die ich mich immer Sommer immer schäme und am liebsten langärmige Oberteile trage und auch nicht ins Schwimmbad gehe.
Ich kratze mir die Wunden immer wieder auf, sodass sie gar nicht richtig verheilen können.

Was mir aber die größten Sorgen und Ängste bereit, ist nicht das Ritzen, sondern dass ich manchmal, wenn es mir schlecht geht, oder ich wütend auf mich selbst bin, dann so austicke, dass ich mir auch heftigst den Kopf vor die Wand, oder unter die Fensterband oder gegen die Heizung schlage. Das war schon so heftig, dass ich einmal eine Gehirnerschütterung davon getragen haben, und mir auch Verletzungen und Prellungen, sowie eine Verletzung am Nasenbein, welche mir jetzt noch zu schaffen macht, und wo ich auch nicht weiß, was ich da genau hab, ich fühle immer nur einen kleinen Knubbel auf der Nase. War nicht beim Arzt damit.

Ich bin in therapeutischer Behandlung, traue mich aber nicht, das anzusprechen.

Ich habe Angst, dass ich dann möglicherweise in eine Pchychiatrie muss.

Ich weiß nicht mehr weiter, ich möchte es nicht, aber ich befürchte, dass es immer wieder passiert. Ich möchte mir aber nicht noch mehr Schaden zufügen, denn ich glaube, ich habe bereits genug angerichtet.

Wie kann ich mir helfen, damit aufzuhören? Ich habe es schon mit Skills versucht, aber es hilft nicht viel, denn in den Situationen ticke ich so aus, dass ich überhaupt keine Gewalt oder gar Kontrolle über mich habe.

Ich danke Euch im voraus für Eure Antworten,

liebe Grüße

Eure Cassie
Cassie
 

Re: Angst, die Kontrolle zu verlieren....

Beitragvon Schlaflose Taube » Sa. 22.02.2014, 00:14

Hi Cassie,
ich habe auch ein paar Narben am Oberschenkel und deshalb kann ich gut nachvollziehen, wie unangenehm es ist, zum Beispiel am Strand oder im Schwimmbad diese Stellen zeigen zu müssen und das man sich am liebsten verstecken und bedecken möchte und das auch tut, soweit es geht.
Und verständlicherweise redet man dann auch nicht gerne darüber, wie diese Narben zu Stande gekommen sind... :cry:
Darf ich fragen, warum du dich nicht traust, das während einer Terapiesitzung anzusprechen? (jetzt mal abgesehen davon, dass du befürchtest in eine Klinik zu müssen) Gibt es noch andere Gründe?
PS: Du wirst doch nicht automatisch dazu gezwungen, in eine Klinik oder Psychatrie zu gehen. Ich glaub, wenn du klar machst, dass das für dich nicht in Frage kommt, könnte dein Terapeut/deine Terapeutin dir andere Wege aufzeigen.
Schlaflose Taube
 

Re: Angst, die Kontrolle zu verlieren....

Beitragvon Grille0815 » Sa. 22.02.2014, 11:46

Hallo Cassie,

zu allererst möchte ich ich dir sagen, das ich es mutig und total stark von dir finde, das du hier so offen darüber schreibst. Das ist der erste Schritt, weisst du?
Du bist auf dem richtigen Weg. :cuddle:

Ich kann verstehen, das du deine Narben versteckst.
Das ist jetzt garnicht so schlimm, wie du das im Moment siehst.
Mit den Narben "zu Leben" und sie auch zu zeigen, dafür braucht es viel Stabilität.
Stabilität, die du im Moment nicht hast, weil du ja noch relativ am Anfang mit deiner Öffnung zum Thema stehst. Überfordere dich damit bitte nicht...
So lang du dich damit besser fühlst, ist das ok, ja?
Mach dir darüber bitte keine Vorwürfe.

Auch ich habe Probleme mit SVV, schon mein ganzes Leben.
Ich habe es erst vor 1 Monat wirklich registriert, während einem Reha-Aufenthalt.
Ich mach das mit dem Kopf auch... du bist da also keineswegs alleine, ja?
Auch nicht "total anders" oder so...
Vielleicht nimmt dir das ein wenig die Angst..? Es ist ok darüber zu reden...
Wir verstehen dich. Es gibt mehr Leute als du denkst, denen es so geht wie dir.

Sooo... und wenn ich gerade beim "Angst nehmen" bin...
Eine "Zwangseinweisung" in die Psychatrie braucht schon ein bisschen was.
Ein niedergelassener Psychologe wird dir vielleicht einen stationären Aufenthalt wgn. SVV anraten, dich aber nicht "einfach einweisen", nur weil du dich selber verletzt (hast).
Da geht es auch immer um die Schwere, ob dein Leben gefährdet ist, um deine Gedankenwelt... ob du suizidale Gedanken dabei hast, oder eventuell sogar konkrete Pläne schmiedest.

In solchen Fällen kann eine Einweisung erfolgen..
Und selbst dann, bekommst du zuerst "die Wahl", bevor der Staatsanwalt kommt.

Auch ist die Psychatrie bei weitem nicht das "Ungeheuer" als das wir sie sehen.
Ich habe meine Einstellung dazu mittlerweile geändert.
Vor nem halben Jahr hatte ich noch große Angst, konnte mir das nicht vorstellen.
Heute sage ich mir, die Psychatrie ist auch nicht anders als z.B. ein Herzzentrum.
Eine Spezialklinik... halt für die Seele.
Ich bin mittlerweile so weit, das ich mir sage, wenn es mir schlecht geht, würde ich sogar freiwillig auf ne offene Station stationär gehen... einfach weil ich weiss, das diese Leute mir helfen wollen.

Aber darüber brauchst und solltest du dir derzeit keine Gedanken machen, ja?
Das alles muss reifen... in dir.
Besonders die Akzeptanz dir selber gegenüber. Dann klappt es auch mit dem Öffnen.

Fühl dich mal freundschaftlich umarmt :cuddle:
Das wird alles... keine Angst

Liebe Grüße,

Grille0815
Grille0815
 

Re: Angst, die Kontrolle zu verlieren....

Beitragvon Cassie » Sa. 22.02.2014, 15:09

Ich danke Euch für Eure netten aufbauenden Worte.
Also kann ich ohne Bedenken meine Probleme bei meiner Therapeutin ansprechen?
Ich habe immer Angst gehabt, wirklich zwangseingewiesen zu werden, oder gar festgebunden zu werden.
Ich bin autistisch und brauche immer ein geregeltes und mein persönliches Umfeld, und ich habe Angst vor anderen Menschen. Angst, aus meiner gewohnten Umgebung rausgerissen zu werden.

In den letzten zwei Jahren sind zwei geliebte Menschen von mir gestorben. Zwei Menschen, mein Onkel und meine Tante, die wie ein zweites zuhause für mich waren.
Das lastet schwer auf mir. Ich kann aber meine Gefühle nicht zeigen. Mir tut die Seele zwar weh, aber wenn ich merke, dass ich traurig werde und weinen möchte, habe ich gleich wieder eine Sperre, verkrampfe und bin wie zu Eis erstarrt. Dann lenke ich mich ab, und meine Trauer entläd sich meistens in Wut, Aggression und Hass gegen andere und gegen mich selbst.

Seit Kindheit lebe ich in meiner eigenen Welt zu der niemand anderes wirklich zutritt findet. Ich kann keiner Arbeit nachgehen, weil ich unter Menschen sofort überfordert bin. Mir ist die Außenwelt immer ein ewiges unlösbares Rätsel geblieben, ich fühle mich nur wirklich wohl, wenn ich mich in meine eigene Welt zurückziehen kann. Ich lebe meine Welt in Filmen, die meiner Welt entsprechen, in meinen selbst geschriebenen Geschichten und Gedichten und in meiner Kunst und meinem Musikgeschmack.

Deshalb bin ich auch am liebsten für mich alleine, weil ich dort meine Welt nicht unterdrücken muss, sondern ich ganz ich selbst sein kann. Es ist sehr anstrengend für mich, wenn ich in der Außenwelt immer wieder eine Rolle spielen muss.

Und seit meine Tante und mein Onkel nicht mehr da sind, fühle ich mich ganz alleine.
Sie waren es, mit denen ich meine Welt ein Stück weit teilen konnte. Die auf mich eingegangen sind, mit mir meine Geschichten erzählt und geschrieben haben, mit denen ich über meine Themen sprechen konnte, und die sich auf mich und meine Welt etwas eingelassen haben.
Und nicht nur gesagt haben, "Du musst dich mehr mit anderen Kindern beschäftigen" und "Du musst Dich anpassen". Es fällt mir in der Außenwelt immer so schwer, mich zu verstellen. Und dieser Druck, "ICH MUSS MICH VERSTELLEN" lastet schwer auf mir!

Ich wünsche Euch noch einen schönen Tag,

liebe Grüße

Cassie!
Cassie
 

Re: Angst, die Kontrolle zu verlieren....

Beitragvon Schlaflose Taube » So. 23.02.2014, 18:57

Ja, du kannst deine Probleme ohne Bedenken mit deiner Terapeutin besprechen. Dafür ist sie doch da. :)
Nach allem, was du geschrieben hast, glaube ich nicht, dass deine Terapeutin dich dazu zwingen würde. Vielleicht spricht sie eine stationäre Behandlung an, damit du weißt, dass es diese Möglichkeit gibt. Aber sie weiß sicherlich, wie unwohl du dich fühlen würdest, wenn du dich in einem völlig neuen Umfeld zurechtfinden müsstest. :troest:
Schlaflose Taube
 


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