Ein Leben mit der Depression

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Ein Leben mit der Depression

Beitragvon Blume » Sa. 26.01.2013, 20:55

Tja, ich bin neu hier im Forum und erhoffe mir hierdurch einfach, ein wenig verstanden zu werden, denn Verständnis ist etwas, was ich in meiner näheren Umgebung nicht sehr häufig antreffe. Vor mittlerweile zwei Jahren wurde mir die Diagnose "Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion" gestellt. Ich habe wohl schon so ziemlich alles hinter mir, Selbstverletzung, einen Klinikaufenthalt, ambulante Therapie ... Ich muss sagen, bis zum Sommer 2012 konnte ich meinen Zustand ganz gut halten, ich kann einen wirklich starken Willen entwickeln, wenn es darum geht, etwas an meinem Leben zu verbessern. Und gemeinsam mit meiner Therapeutin konnte ich mein Leben eben so auf die Reihe kriegen, dass es durchaus schön war. Aber letztes Jahr in den Sommerferien ist das alles relativ dramatisch gekippt. Meine beste Freundin hat mir in allerletzter Minute gesagt, dass sie nach den Sommerferien für vier Monate in England sein wird und meine Therapeutin hat mir gesagt, dass sie krank ist und in den nächsten Wochen keine Termine zustande kommen werden. Da hab ich noch gedacht, dass das schon irgendwie zu schaffen sein wird. Meiner Freundin ging es dann aber sehr schlecht in England, sie ist psychisch auch ziemlich labil, sodass ich natürlich all meine Kraft aufgewendet habe, ihr zu helfen und sie zu trösten. Gleichzeitig musste ich aber auch versuchen, mich selbst davon abzugrenzen, damit ich mich nicht da so reinziehen lasse. Das war eine wahnsinnig anstrengende Zeit für mich und ich habe schlagartig gemerkt, wie kompliziert mein Leben ohne Therapeuten ist. Meine Freundin hat ihren Aufenthalt dann abgebrochen und war wieder hier in Deutschland. Mir ging es aber trotzdem nicht besser. Denn sie ist wieder in die Magersucht reingerutscht, die sie 2010 mit einer stationären Therapie bekämpft hatte. Das hat mich ziemlich fertig gemacht, sie so anzusehen, wie sie immer dünner wird. Ich habe mir solche Sorgen gemacht, aber da sie auch in Therapie ist, dachte ich, dass sie dort ja kontrolliert wird. Dann habe ich einem Jungen aus meiner Klasse auch noch gesagt, dass ich in ihn verliebt bin. Ich weiß, das ist wieder die typische Geschichte mit der unerwiderten Liebe und den pubertierenden Teenagern, die damit nicht umgehen können, aber so ist es bei mir wohl nicht. Ich fühle mich sehr einsam, habe große Selbstzweifel und diese Abfuhr hat mir sehr wehgetan. Da ich stark zu autoaggressivem Verhalten neige, musste ich mich wahnsinnig im Griff haben, um diese Enttäuschung nicht durch Ritzen, sondern auf "normale" Art und Weise zu überwinden. Dann gab es familiär noch einige große Probleme, die auch nicht so leicht für mich waren und mit meinen Klassenkameradinnen, die ich nur ungern als meine Freundinnen bezeichne, weil sie es einfach nicht sind, gab es einen Riesenstreit. Das alles hat meine Nerven überstrapaziert. Diesen Ausgleich zwischen depressiv und gut gelaunt zu schaffen, die Balance zu halten, aufzupassen, dass meine Stimmung nicht vollends kippt, das war wohl das Schwierigste während der letzten Monate. Denn ich will nicht wieder in alte Muster verfallen, will mich nicht wieder so dermaßen isolieren und ritzen. Mit meinen "Freundinnen" ist mittlerweile wieder alles okay, aber ich fühle mich nicht wohl bei ihnen. Ich habe eine sehr kleine Klasse, weshalb ich zu niemand anderem kann. Und ich bin dabei, meine beste Freundin zu verlieren. Sie nimmt einfach nicht zu, bleibt so schrecklich dünn. Aber ich komme nicht mehr an sie heran. In den letzten Monaten waren wir beide so sehr mit uns beschäftigt, mit unserem Riesenberg an Problemen, darunter hat die Freundschaft sehr gelitten. Wir müssen uns beide in oberflächliche Menschen verwandeln, wenn wir in der Schule sind, damit wir das irgendwie überleben können, es gibt eigentlich keinen tiefergehenden Kontakt mehr zwischen uns. Es ist diese Ohnmacht, eine Lähmung! Ich würde so gerne aus der Situation ausbrechen, aber ich kann nicht. Ich möchte, dass meine Freundin wieder gesund wird, dass sie wieder mit mir spricht, denn ich will sie nicht verlieren! Zwar bin ich jetzt bei einer Übergangstherapeutin, solange bis meine eigentliche Therapeutin wieder arbeitet, aber die letzten Monate kann ich nicht wieder wettmachen. Alles, was die letzten Monate wieder in mein Leben gebracht haben, kann ich nicht einfach wieder auslöschen. Die Antriebslosigkeit, die vielen Tränen, die unendlich große Wut, die Müdigkeit, diese verfluchte Angst, einen Fehler zu machen, nicht mehr gemocht zu werden, die Versagensängste und Selbstzweifel. Alles das ist jetzt wieder da. Ich hätte nicht gedacht, dass mein Leben ohne Therapeuten so schnell wieder aus dem Gleichgewicht gerät, bzw. dass es so anstrengend wird, das Gleichgewicht zu halten.
Ich möchte keine Ratschläge hören, wie ich mein Leben angenehmer machen kann, denn die kenne ich selbst gut genug. Ich wünsche mir eigentlich so sehr, nur einmal zu hören, dass man mich versteht, dass man möglicherweise sogar genauso fühlt wie ich. Denn ich fühle mich einsam. Und das Verständnis, das mir meine Eltern geben, das reicht nicht aus, um meine Tränen wegzuwischen. Ich möchte doch nur einmal ein paar aufmunternde und verständnisvolle Worte hören, die ernst gemeint sind. Ich möchte hören, dass es noch Menschen gibt, die genauso einfühlsam, sensibel, introvertiert, kritisch und nachdenklich sind wie ich.
Blume
 

Re: Ein Leben mit der Depression

Beitragvon GLaDOS » Sa. 26.01.2013, 23:12

Hallo Blume :blumen:

Du hast in den letzten Monaten echt einiges durchgemacht, und ich finde, dass du das gut gemeistert hast, auch wenn es verdammt schwer für dich war, und du jetzt noch darunter leidest.

Irgendwann denk man einfach nur mehr "ich kann nicht mehr...genug ist genug" und dann kommt noch mal ein Schäufelchen Sorgen oben drauf, und auch das hast bewältigt. Ich finde du kannst/solltest stolz auf dich sein, und auch wenn du denkst das du ohne Thera verloren wärst, hast du doch bewiesen, dass du es schaffst, auch wenn es sehr turbulent war.

Ich würde mir für dich wünschen, dass nun eine Zeit für dich kommt wo du etwas zur Ruhe kommst, und wieder auftanken kannst.

Meinen :respekt: hast du...hab mich zum Teil in deinem Beitrag wiedergefunden, und daher weiß ich wie schwer es ist, das Gleichgewicht zu behalten.
GLaDOS
 

Re: Ein Leben mit der Depression

Beitragvon Christine » So. 27.01.2013, 10:26

Hallo Blume,

erstmal herzlich willkommen hier :)

Da kann ich mich GlaDOS nur anschließen. Ich weiß auch wie das ist, was du beschreibst, und ich finde du hast es alles in allem sehr gut gemeistert. Dass es unheimlich schwer war, kann ich gut nachvollziehen, war ja auch wirklich viel los. Aber geschafft hast du es trotzdem, und das ist super :)

Blume hat geschrieben:Ich möchte keine Ratschläge hören, wie ich mein Leben angenehmer machen kann, denn die kenne ich selbst gut genug. Ich wünsche mir eigentlich so sehr, nur einmal zu hören, dass man mich versteht, dass man möglicherweise sogar genauso fühlt wie ich. Denn ich fühle mich einsam. Und das Verständnis, das mir meine Eltern geben, das reicht nicht aus, um meine Tränen wegzuwischen. Ich möchte doch nur einmal ein paar aufmunternde und verständnisvolle Worte hören, die ernst gemeint sind. Ich möchte hören, dass es noch Menschen gibt, die genauso einfühlsam, sensibel, introvertiert, kritisch und nachdenklich sind wie ich.

Das kann ich gut verstehen - Eltern können oft so verständnisvoll sein wie sie wollen, so dankbar man auch ist, als "Außenstehende" wissen die eben nicht wirklich, wie man sich gerade fühlt.
Ich kenne das Gefühl so gut aus meinen eigenen depressiven Phasen, dass man sich nichts so sehr wünscht wie Verständnis. Und ich finde, egal ob es einem gerade gut oder schlecht geht, dass andere versuchen einen zu verstehen hat auch jeder verdient.
Ich bin sicher, hier im Forum triffst du auf viele Menschen, die genau wissen, wie es sich anfühlt was so eine Depression mit einem macht. Mich eingeschlossen.
Und ich wünsche dir von Herzen, dass du auch im "wirklichen" Leben einmal auf Menschen treffen wirst, bei denen du dich verstanden und angenommen fühlen kannst :troest:
Christine
 

Re: Ein Leben mit der Depression

Beitragvon kaddaaa » So. 27.01.2013, 12:21

Hey, Blume! :)
Du hattest recht. Ich verstehe dich auch sehr gut. Ich konnte mich selbst an vielen Stellen deines Textes vollkommen wiederfinden und kenne diese ganzen Gefühle auch nur allzu gut!
Ich bin schonmal sehr froh, dass du dein Bestes gibst und versuchst, dein Leben im Gleichgewicht zu halten, auch wenn es sehr schwer ist und viele Zweifel einher kommen, wenn man alleine ist, das kenne ich auch nur zu gut, aber ich denke, du hast die besten Vorraussetzungen, das zu schaffen. Du hast zwar viele, aus meiner Sicht, wundervolle Eigenschaften, die das Leben an sich viel schwerer machen können, da sie meist in die Oberflächlichkeiten der Gesellschaft nicht reinpassen, aber gerade diese Eigenschaften helfen dir mit solchen Phasen umzugehen, auch wenn es sehr viel Kraft kostet, aber du kennst dich selber! Das ist eine der größten Gaben, die man besitzen kann. Ich kann dir nur das Beste hoffen, und wie schon jemand sagte, hoffentlich findest du auch einen Menschen in deiner Umgebung, der für dich da ist, damit du auch in deiner unmittelbaren Nähe Verständnis finden kannst.
kaddaaa
 

Re: Ein Leben mit der Depression

Beitragvon mkdrive2 » Do. 11.04.2013, 09:40

Ich habe "oberflächlich" gegoogelt und bin durch http://www.gutefrage.net/frage/was-ist-oberflaechlich zu dem Schluss gekommen, dass jeder Mensch wohl von vielen Menschen in seinem Leben als "oberflächlich" empfunden wurde, je nach Geschmack und Lebenseinstellung.
mkdrive2
 


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