Missbrauch innerhalb der Familie

Es geht hier um die Themen sexueller Missbrauch und Nötigung bzw. Vergewaltigung sowie um körperliche wie emotionale Formen der Gewalt.

Wichtig: Die Inhalte dieses Unterforums können v.a. für Betroffene stark triggernd sein!

Missbrauch innerhalb der Familie

Beitragvon xLo » Mo. 13.11.2017, 13:17

Hallo.
Ich suche seit Wochen ein Forum, wo ich einfach mal alles 'raus lassen' kann. Ich bin 24 Jahre alt, weiblich und wurde als Kind sexuell von meiner Schwester misshandelt. 4 Jahre lang.
Seit ca. 3 Monaten ist mir ganz klar, was dort damals passiert ist. Mir ist bewusst geworden, das sie sich an mir vergangen hat und Dinge von mir verlangt hat, die nicht normal sind.
Diese Verhaltensweisen meinerseits seit Jahren, das ich keine Beziehungen führen kann, mich nicht anfassen lassen mag, meinen Körper nicht mag, mich täglich 2x mindestens Dusche und Panikattacken habe, Albträume mich Jahrelang begleiten und ich nie wusste wieso- das alles. Es beginnt Sinn zu machen. Dieses schlechte Gefühl was ich ständig hatte, wenn ich in ihrer nähe war, ich weiß endlich wieso.
Aber genau da wo es anfängt alles Sinn zu machen, bricht alles zusammen. Meine eigene Schwester? Sie hat mich zu dem gemacht der ich heute bin? Ein elendiges Wrack, toll. Ehrlich.
Ich bin mittlerweile an dem Punkt an dem ich weiß, das ich Hilfe brauche. Diese Hilfe brauche ich sehr dringend aber das bereitet mir große Angst, ich weiß nicht wieoft, wielange und mit wem ich Sprechen muss. Ich kann da noch nicht drüber sprechen, ich komme doch selbst noch gar nicht damit zurecht, wie soll das funktionieren? Ich fühl mich grad einfach sehr alleine, hilflos und verängstigt. Wahrscheinlich genauso wie damals als Kind. Mir fehlen einfach die Worte wieviele Menschen soviel Kummer haben, aber auch, weil ich nun zu ihnen dazu gehöre. Wobei ich mich schon ewigkeiten schlecht gefühlt habe, nur weiß ich nun, wieso.

Kann mir einer sagen wie ihr mit den Überschuss an Gefühlen zurecht gekommen seid? Ich verzweifel daran, ich hab Angst das es mich noch mehr kaputt macht als vorher. :(
xLo
 

Re: Missbrauch innerhalb der Familie

Beitragvon heaven » Mo. 13.11.2017, 15:26

Hallo xLo

Ich kann dir gut nachfühlen. Auch ich habe mich hier angemeldet um mir endlich mal alles von der Seele zu schreiben. Ich kenne dieses Gefühl, dass es einem immer schon schlecht ging, aber nicht wusste wieso. Und ich ich weiss auch wie es sich anfühlt wenn man dann endlich weiss, wieso es einem so schlecht geht. Für mich war es einerseits erleichternd, endlich einen Grund für meinen seelischen Zustand zu haben, andererseits hat es mich selbstverständlich in ein noch tieferes Loch gezogen. Wie konnte das passieren? Wieso habe ich es nicht schon damals bemerkt? Was mache ich nun?
Im ersten Moment war ich völlig überfordert, glaubte meinen Erinnerungen nicht und tat sie als Hirngespinste ab. Doch sehr schnell wurde mir klar, dass es leider alles real ist. Dann habe ich begonnen mich über das Thema zu informieren. Ich habe Foren durchgekämmt, Berichte gelesen und mir duzende YouTube-Videos angeschaut. Ich weiss nicht, was ich mir daraus erhofft habe vermutlich einfach Jemanden zu finden, dem es schlechter geht als mir. Nach ein paar Wochen hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste mit jemandem darüber sprechen. Also habe ich meinem Ex-Freund, mit welchem ich schon seit ca. 10 Jahren keinen Kontakt mehr habe, geschrieben. Er selbst wurde als Kind Opfer von sexuellem Missbrauch und wusste dementsprechend wie es mir gerade geht und was ich durch mache. Seine Worte haben mir sehr viel geholfen. Im Verlaufe der nächsten Wochen habe ich mich auch noch überwunden, einer guten Freundin zu schreiben. Doch wirklich darüber sprechen konnte ich bis heute noch mit niemandem und inzwischen ist es ca. 7 Monate her, seit ich mich wieder erinnern kann. Ich kann die Worte "Sexueller Missbrauch" nicht mal laut aussprechen, für mich ist es deshalb momentan noch ein Ding der Unmöglichkeit mich in irgendeine Therapie zu begeben. Geschweige denn mir auszumalen was geschieht, wenn meine Familie davon zu hören bekommt.
Ich habe mich also bisher selbst durch geboxt. Obs die richtige Entscheidung ist, weiss ich nicht. Nach 3-4 Monaten gings mir wesentlich besser und ich dachte das wars. Doch inzwischen merke ich, dass ich es einfach wieder nach hinter geschoben habe, in eine kleine Box ganz weit weg. Doch ich habe bemerkt, wenn die Box einmal offen ist, kann man sie nicht mehr schliessen. Seit ein paar Wochen geht es mir dementsprechend auch wieder schlechter. Dies ist der Grund, weshalb ich wenigstens hier, in einem geschützten Rahmen, darüber sprechen möchte. Denn ich denke das Hilft und ich hoffe es hilft auch dir, wenn du hier einfach mal alles aufschreiben kannst.
heaven
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Re: Missbrauch innerhalb der Familie

Beitragvon Mäuschen » Mo. 13.11.2017, 18:07

Wartet lieber nicht zu lange damit, euch Hilfe zu holen. Es wird nicht besser...

Der einfachste Weg ist glaube ich, bei einer entsprechenden Beratungsstelle einen Termin auszumachen. Man muss auch nichts von dem, was war erzählen. Mir wurde es in der Therapie damals sogar quasi verboten, darüber zu sprechen...

Lieber früher als später Hilfe holen ;) Mehr schaffe ich gerade nicht zu dem Thema zu sagen...
Mäuschen
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Re: Missbrauch innerhalb der Familie

Beitragvon xLo » Mo. 13.11.2017, 23:11

Hallo heaven, ich hab heute deine Geschichte gelesen. Es tut mir so unfassbar leid, aber du hast recht mit dem was du sagst. Ich kann dich einfach so gut verstehen und ich finde es toll, das du es aufgeschrieben hast.
Das klingt nicht richtig sowas zu sagen, aber es ist toll nicht alleine zu sein. Wobei man es keiner Menschenseele wünscht.
Ich war immer eine sehr zurück gezogene Person nach den ganzen Vorfällen, auch ich habe noch große Lücken zwischen all den Augenblicken die mir durch den Kopf schießen aber momentan bin ich sehr froh darüber. Ich weiß nicht, ob ich es aushalten würde. Mich bringt die Tatsache einfach um den Verstand es all die Jahre so verdrängt zu haben, wie konnte ich diese Gefühle nicht einfach zulassen und es früher verarbeiten? Es gibt Tage da möchte ich diese Box so weit es geht von mir entfernen und es gibt Tage da ist sie offen und zieht mir die letzten Nerven aus meinem Körper. Es nimmt einem all die Guten Dinge des Lebens, viele die schon das Gegenteil davon behaupten können, den wünsche ich es auch vom ganzen Herzen. Aber ich kann das nicht. Die Vorstellung zu jemandem fremden zu gehen, dort in Tränen auszubrechen und zu erzählen, was einem im ganzen Körper - Kopf und Herz schmerzt, ich kann das nicht. Ich hab Angst vor diesen Blicken und vor deren Gedanken. Was sollen die Leute von mir denken? Ich fühle mich abartig und dreckig. Ich habe mich und meinen Körper nie lieben können, ich hatte immer das Gefühl es klebt etwas an mir was nicht abzubekommen ist und nun, nun weiß ich was es ist. Es ist furchtbar. Es ist nicht mehr weg zu bekommen und es wird immer an mir kleben. Mal mehr, mal weniger. Aber es da, direkt an mir in unmittelbarer Nähe und das bringt mich um. Daran zu denken, das der Mensch der in der Bahn neben mir sitzt die gleichen Gedanken hat oder selbst ein Opfer ist, das bricht mir das Herz. Es ist soviel Kummer und soviel Unverständnis. Ich habe nicht den Eindruck das dies eine Sache von einem Jahr sein wird oder von vielleicht fünf Jahren. Es wird mir immer Probleme in Beziehungen bereiten, in Freundschaften - alleine aus dem Grund weil ich niemals einer Freundin sagen könnte das ich Missbraucht worden bin. Und das auch noch Sexuell. Wie du schon sagst, man bekommt es nichtmal über die eigenen Lippen. Diese beiden Worte. Mir stehen die Tränen echt in den Augen, das ist nicht gerecht.
Das ist alles andere als gerecht. Ich hoffe so sehr, das es dir bald besser gehen wird.
xLo
 

Re: Missbrauch innerhalb der Familie

Beitragvon Martin1965 » Mo. 11.12.2017, 17:38

Es gibt zwei Arten von Menschen, welche sexuellen Mißbrauch erlebt haben:
Die Opfer und die Überlebenden.
Die Opfer quälen sich, akzeptieren nicht den Gedanken an das Geschehene, verdrängen mehr oder minder gut und gehen daran zu Grunde.
Die Überlebenden stellen sich dem Geschehenen. Sie akzeptieren was war und ziehen einen Strich darunter. Sie beginnen neu.
Mißbrauch durch Verwandte ist extrem oft der Fall. Es trifft in Deutschland bald jede 4. Frau und jeden 10. Mann. Auch mich.
Mißbraquch durch Fremde ist wesentlich seltener - und dann endet dieser meist tödlich.
Also rate ich zu zwei Dingen:
1. Tagebuch führen. Vor allem ein Depressionstagebuch. Vorlagen gibt es z.B. hier: http://www.depressions-sprechstunde.de/Depression-Stimmungskalender.htm
2. Therapieplatz suchen. In der Regel findet man schneller eine erste Hilfe in einer Klinik. Eine dauerhafte Therapie ist aber ebenso nötig.
Viel Glück.
Psychopharmaka sind eine Krücke. Wenn ich ein gebrochenes Bein habe, darf ich eine Krücke benutzen.
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