Gedanken über mich selbst

Es geht hier um die Themen sexueller Missbrauch und Nötigung bzw. Vergewaltigung sowie um körperliche wie emotionale Formen der Gewalt.

Wichtig: Die Inhalte dieses Unterforums können v.a. für Betroffene stark triggernd sein!

Gedanken über mich selbst

Beitragvon Denkerin » Di. 26.04.2016, 11:13

Manchmal möchte ich meine Sachen packen... Manchmal auch nur die Jacke anziehen und alles zurück lassen und dann laufen! Ganz weit. Und keine Ahnung wohin ich überhaupt will. Hauptsache erstmal weg und alles hinter mir lassen. Klingt irgendwie nach Flucht, und ja, ich will flüchten. Ich will flüchten vor allem was passiert ist. Ich habe jetzt gerade in diesem Moment einen Film nach dem anderen im Kopf. Filme die ich niemals sehen wollte. Dinge, die ich niemals wissen wollte.

Doch ich bleibe. Denn ich weiß dass ich vor diesen Filmen und Bildern nicht weglaufen kann. Und genau das ist mein Problem. Ich will das alles nicht wissen und nicht sehen. Ich will normal sein. Ich will eine Frau sein, die sich über abgebrochene Fingernägel ärgert, über kaputte Haarspitzen und kaputte Absätze. Die sich Gedanken macht über Haarfarben, Klamotten oder Frisuren. Dummerweise interessieren mich all die genannten Dinge aber null. Sie sind einfach völlig unwichtig.

Manchmal möchte ich auch flüchten, weil ich meiner Familie keinen so kaputten Menschen wie mich gönne. Ich möchte dass sie glücklich sind. Aber sind sie es überhaupt mit mir? Ich weiß es nicht, denn ich habe den kompletten Überblick verloren. Ich bemerke nicht mehr ob die Menschen um mich glücklich sind weil ich viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt bin. Und genau das macht mich wahnsinnig. Nicht zu wissen ob ich nicht komplett alles falsch mache, meine Familie vernachlässige, weil ich einfach gerade im Moment nicht dazu in der Lage bin ihre Bedürfnisse zu erkennen. Klar, ich mache essen, wenn es Zeit ist, ich wasche die Wäsche und ich räume auf. Bei den Grundbedürfnissen dürfte es ihnen eigentlich an nichts fehlen. Ich bin auch immer da. Zwar im Moment nur körperlich, aber immerhin.

Es gibt Tage da steh ich auf dem Balkon, schaue runter und überlege, ob ich einen Sturz überleben würde. Ich überlege genau, wie ich [editiert, da es in Richtung Methodikdiskussion von Suizid geht]
Und dann??? Dann hab ich die Gesichter meiner Kinder vor Augen, das Gesicht meines Mannes und ich kneife. Ich bin zu feige.

Ich hab einfach Angst, Angst dass diese Bilder niemals mehr aus meinem Kopf verschwinden. Aber ich kann nicht so viel heulen wie mir manchmal zumute ist. Und es ist schrecklich in den Spiegel zu schauen und immer nur k*tzen zu wollen wenn man das eigene Gesicht sieht. Ich weiß, dass ich nicht übermäßig hässlich bin. Aber ich fühle mich so. Ich bin ein schrecklicher Mensch. Ein befleckter Mensch. Ein Mensch, der es nicht wert ist gelobt oder geliebt zu werden. Normalerweise müsste sich jeder andere in meiner Gegenwart unbehaglich fühlen, oder angeekelt. Denn so denke ich über mich. Und manchmal hab ich das Gefühl, die Leute schauen mich an und wissen es. Sie wissen dass ich nicht normal bin. Sie wissen dass ich ganz anders bin als die meisten anderen. Und doch versteht niemand mein Denken. Denn es ist für normale Menschen nicht nachvollziehbar. Jedoch habe ich nicht einen einzigen positiven Gedanken über mich selbst. Vielleicht kommt das irgendwann, vielleicht kann ich mich irgendwann annehmen so wie ich bin und den Makel vergessen. Wer weiß...

Ich möchte endlich mal wieder unbeschwert sein, glücklich... Zufrieden. Ich habe diese ganze verdammte Scheiße überlebt. Wieso zur Hölle lässt es mich nicht in Ruhe? Wahrscheinlich hab ich es nicht verdient. Vielleicht hätte ich öfters "Nein" sagen sollen, vielleicht wäre das alles dann nicht passiert... Doch ich weiß, ich habe nicht nur "Nein!" gesagt, ich habe es geschrien, immer und immer wieder. Was zur Hölle habe ich an mir, dass ihn dieses Nein nicht aufgehalten hat? Hab ich nicht laut genug geschrien? Ich weiß es einfach nicht.

Und auch immer wieder stellt sich mir die Frage nach dem WARUM. Warum macht jemand soetwas? Warum ich? Warum? Ich bin mir dessen bewusst, niemals auf diese Frage eine Antwort zu bekommen die mein Wissen befriedigt. Und doch, versuche ich auf diese Frage eine Antwort zu suchen. Und meist betrifft diese Antwort mich. Ich denke, dass ich einen Fehler gemacht habe. Auch wenn ich weiß, dass ich keinen gemacht habe. Doch ich kann einfach nicht aufhören die Schuld bei mir zu suchen. Ich würde so gern mit voller Überzeugung sagen können: Es war nicht meine Schuld!

Aber dazu bin ich noch nicht bereit. Ich weiß nicht wieso das so ist. Doch ich hoffe, dass ich eines Tages tief in meinem Inneren weiß: Es war nicht meine Schuld!
Denkerin
 

Re: Gedanken über mich selbst

Beitragvon Richi » Mi. 27.04.2016, 05:56

Hallo Denkerin
Ich habe Deinen Beitrag gelesen. Ich hoffe, es hat Dir gut getan und etwas den Druck genommen, Deine Gedanken aufzuschreiben. Mir fehlen etwas die richtigen Worte. Jedoch kann ich Dir nur raten, Dir vielleicht Hilfe zu holen, damit Du diese schrecklichen und traumatischen Erlebnisse verarbeiten kannst, bevor sie Dich auffressen und so massiv weter in Dein Leben eingreifen.
Ich wünsche Dir die Kraft, damit Du es schaffen kannst, diesen Albtraum zu überwinden und nit lauter Stimme und voller Überzeugung sagen kannst, daß es nicht Deine Schuld war.
Richi
 

Re: Gedanken über mich selbst

Beitragvon Denkerin » Do. 28.04.2016, 20:38

Ich bin gerade mit einer Psychotherapie angefangen. Doch ich bin noch etwas befangen genau diese Worte wie in meinem Text bei der Therapeutin zu benutzen. Aber ich musste das alles einfach mal loswerden. Und nach dem ich gesehen habe, dass ich hier auch anonym posten kann hab ich einfach drauf los geschrieben. Es tat gut dass alles los zu werden.
Die Geschehene selbst ist mittlerweile über 20 Jahre her, doch die Erinnerungen kamen vor kurzer Zeit schlagartig zurück und fangen an mich zu zerfressen. Noch dazu kommen Bilder hoch, an die ich mich bis vor kurzem nicht erinnern konnte. Es ist alles so erschreckend. Alles fing an als ich ca. 3 Jahre alt war.
Denkerin
 

Re: Gedanken über mich selbst

Beitragvon Richi » Sa. 30.04.2016, 02:20

Hallo Denkerin
Ich wüsche Dir natürlich die notwendige Kraft für Deinen schwierigen Weg. Es ist gut, daß Du den Mut dazu gefunden hast, etwas zu verädern und Dir sogar Hilfe geholt hast, bevor Du von Deinen traumatischen Erlebnissen zerfressen wirst. Die professionelle Hilfe ist wohl dabei ein guter Anfang. Es ist wohl auch sehr schwierig, sich zuerst überhaupt zu trauen und zu überwinden, das Schweigen zu brechen und dann noch die richtigen Worte zu finden. Es kostet auch bestimmt viel Überwindung einem fremden Menschen, auch wenn es der/die eigene Psychologe/in oder die/der eigeneTherapeut/in ist, davon zu erzählen. Ich wünsche Dir die dafür notwendige Kraft und das notwendige Vertrauen.
Viele Grüße von Richi
Richi
 

Re: Gedanken über mich selbst

Beitragvon Liebesblick » Do. 08.12.2016, 04:28

Hallo.
Ersteinmal möchte ich mich für deinen Text bedanken. Das mag jetzt vielleicht wirklich komisch und blöd klingen aber ich hätte im Leben nicht damit gerechnet das es jemanden auf dieser Welt gibt der die gleichen Gedankengänge hat wie ich. Mir ist ( deinem Text nach ) das gleiche im Alter von 11 bis 14 Jahren passiert.
Mittlerweile bin ich 21 Jahre alt und fühle mich jetzt bereits so wie du es schilderst.
Ich stelle mir auch oft vor wie es wohl wäre wenn ich mir das Leben nehmen würde ? Ob mich jemand vermissen würde ? Ich schäme mich auch für das was ich bin. Auch wenn ich wie du tief im inneren weiß das ich keine Schuld habe so fühlt es sich doch ganz anders an.
Ich bin auch gerade auf dem Weg mir Hilfe zu suchen. Da dein Beitrag vom April ist würde mich interessieren wie es dir nun geht ?
Du kannst mir sehr gern auch eine private Nachricht schreiben. Würde mich sehr freuen von dir zu hören.
Fühl dich umarmt. Es gibt jemanden der GENAU versteht was du fühlst. ---> mich :kiss:
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Re: Gedanken über mich selbst

Beitragvon Mäuschen » Do. 08.12.2016, 12:15

Ich glaube, sie ist hier gar nicht mehr angemeldet...
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Re: Gedanken über mich selbst

Beitragvon Liebesblick » Do. 08.12.2016, 19:46

Oh okay. sehr schade :-(
Liebesblick
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