Bruder sein ist nicht einfach..

Hier geht's um jede Form von zwischenmenschlichen Beziehungen, also um Liebe(skummer) und Partnerschaft (auch Sexualität), um Freunde, Bekannte, Angehörige und andere soziale Kontakte in Eurem Umfeld.

Bruder sein ist nicht einfach..

Beitragvon Karl_Ranseier » Di. 01.12.2015, 22:48

Grüße euch,

Mein Bruder ist noch schlimmer dran als ich. Das was ich weiss ist Schizophrenie und Wahnvorstellungen.
Das schlimmste für mich aber ist, das er seit seiner Krankheit jemand anderes geworden ist. Ich habe damals viel Zeit mit Ihm verbracht bzw viel unternommen.

Jetzt weiss ich nicht wie ich mit Ihm umgehen soll. Er ist wie gesagt ein fremder für mich der zwar noch viel aus der Vergangenheit weiss aber er ist eben anders. Ich hätte damals so gerne von Ihm Abschied genommen und noch so viel zu Ihm sagen können. Werde mich nie damit abfinden das es so ist wie es ist. Er kann kein normales Leben führen und ich auch nicht, das nenn ich Verbundenheit.

Das musste mal raus

Ich will mein Bruder zurück :cry:
Karl_Ranseier
 

Re: Bruder sein ist nicht einfach..

Beitragvon Charlotte » Sa. 05.12.2015, 00:35

Hallo Karl! (Den Nachnamen spare ich mir mal, wenn es in Ordnung ist. ;))

Ich habe selbst "nur" zwei Halbbrüder, mit denen ich mich zwar oberflächlich gut verstehe, ein enger Kontakt ist aber zwischen uns nie entstanden. Dafür ist wohl auch der Altersunterschied (noch?) zu groß (7 bzw. 11 Jahre); vielleicht nähren wir uns irgendwann mal an, wenn wir alle das Jugendalter verlassen haben.

Aber ich kann mir vorstellen, wie es für dich ist, einen so vertrauten Menschen zu verlieren, und das obwohl er ja eigentlich immer noch da ist - nur eben nicht so, wie du ihn kanntest. :(
Leider hast du nicht erzählt, wie dein Bruder früher war und was sich inzwischen geändert hat. Aber beim Lesen deiner Zeilen hatte ich den Gedanken "Könntet ihr euch nicht neu kennenlernen?". Oder hat sein Charakter sich auf eine Weise verändert, mit der du nicht mehr klarkommst, die gegen dein Naturell spricht oder dir einfach unsympathisch ist? Und hast du ihn mal gefragt, ob er eure gemeinsamen Unternehmungen von früher auch vermisst?

Ich würde euch sehr wünschen, dass ihr wieder einen Draht zueinander findet, auch wenn das unter diesen Umständen sicherlich schwierig ist und viel Zeit und Arbeit erfordert!
Charlotte
 

Re: Bruder sein ist nicht einfach..

Beitragvon Karl_Ranseier » Sa. 05.12.2015, 16:53

Hallo Charlotte,

Ja Karl reicht :)

Zwischen meinem Bruder und mir liegen zwar nur 3 Jahre aber du wirst nicht glauben was sich alles verändert umso älter man wird. Fängt an beim Musikgeschmack und hört irgendwo bei zwischenmenschlichen Beziehungen auf.

Stimmt hab nichts geschrieben wie er einmal war, das war auch so beabsichtigt. Denn ich musste mir den Text mal von der Seele schreiben, nach gut 23 Jahren. Denn so lange ist der "Zustand" schon wie er jetzt ist. Aber wenn jemand fragen hat, bin ich gerne bereit mehr zu schreiben. Was ich jetzt tue:

Also mein Bruder war damals lebenslustig, mit Ihm konnte man Pferde stehlen. Wir haben zusammen gefeiert, zusammen Blödsinn gemacht wo wir Sturm freie Bude hatten und wir haben damals viel zusammen gezockt. Wir sind mit Commodore 128 aufgewachsen, das waren noch Zeiten.

Heute ist er Emotionslos und kümmert sich nicht mehr um sich. Außerdem geistig abwesend und man muss Ihm immer sagen was er tun muss, sonst macht er gar nichts mehr. Wobei ich da bei mir gewisse Parallelen entdecke.
Ich schätze mal das es viel mit seinen Medikamenten zu tun hat, denn er bekommt eine ganze Menge was ich so durch Zufall mal gesehen habe. Sprechen kann man mit Ihm über fast alles, nur irgendwann schaltet er ab und schaut auf den Boden. Auch so wie er sich gibt ist er ganz anders als früher. Ich würde ihn fast als gebrochen einstufen.

Kontakt haben wir ab und zu nochmal, da wir aber in verschiedenen Städten wohnen, bleibt meistens nur das Telefon. Vielleicht sehen wir uns 3 Mal im Jahr wenns hochkommt.

Verstehe mich nicht falsch, ich komm mit Ihm klar weil uns immer noch vieles verbindet. Nur mit abfinden wie er geworden ist, kann ich nicht und werde ich nicht. Mein Leben hab ich wegen Ihm aufgegeben zu leben. Wir beide kommen nicht klar und jeder hat sein Päckchen zu tragen was Krankheiten angeht. Nur der Zeitraum war bei mir etwas später als bei Ihm. Wie bereits erwähnt, er darf kein normales Leben führen also ich auch nicht. Und da es mir grade erst richtig bewusst wird, Höre ich an dieser Stelle auf sry
Karl_Ranseier
 

Re: Bruder sein ist nicht einfach..

Beitragvon Charlotte » Sa. 05.12.2015, 17:28

Ich kann mir nicht vorstellen, wie schwer es ist, so eine charakterliche Veränderung zu erleben, weil ich es bisher zum Glück noch nicht erleben musste. Es tut mir leid, dass es den Bruder, den du so sehr liebst und ja eigentlich auch dringend brauchst, nicht mehr gibt.

Sich mit so einer Veränderung abzufinden, ist wohl nahezu unmöglich. Aber was Anfang sein könnte, wäre, es zu akzeptieren, wie es ist. Nicht nur, dass dein Bruder nicht mehr so ist wie früher, sondern auch dass du dich verändert hast und das ganze Leben nicht mehr so ist, wie es einmal war. Und in Folge dessen auch zu akzeptieren, dass du um all das trauerst, was du verloren hast. Denn trauern ist ein Heilungsprozess und wenn du deiner Seele erlaubst, die riesige Wunde zu heilen, die der Verlust in dir gerissen hat, kann sich darauf Neues aufbauen. Es wird nicht so sein wie früher, das wird leider nie wieder zurückkommen. Aber das heißt nicht, dass das Neue schlecht ist.
Ich glaube, dein Bruder und du, ihr habt euch auch heute viel zu geben. Ihr habt wertvolle Seiten und Eigenschaften, ihr habt einen ganz anderen Blick auf die Welt, der ja nicht nur schlecht sein muss. Und wenn du das Heute nicht mehr unmittelbar mit dem Vergangenen vergleichst und das Vergangene nicht mehr als Maßstab benutzt, kann sich auch das Heute besser anfühlen.

Und was ist schon ein "normales Leben"? "Normale" ist nur ein Durchschnitt, der von Menschen erschaffen und berechnet wurde, weil der Mensch per se das Bedürfnis hat, nicht zu sehr aus der Art zu schlagen. Aber interessant wird es doch erst bei den Dingen, die nicht normal sind. Und auch schlechtem liegt etwas Gutes inne. Ich bin manchmal sehr dankbar dafür, einen Hang zur Depression zu haben, weil die Depression mich auch verständnisvoller und einfühlsamer gemacht hat anderen gegenüber. Weil sie mir ein Stoppschild gesetzt hat, mit dem ich mich beschäftigen musste und mich so dazu gezwungen hat, mit dem Verdrängen und Existieren aufzuhören. Außerdem hat sie Menschen in mein Leben gebracht, die mir sehr wichtig geworden sind und nicht zuletzt ja auch dieses Forum.
Vielleicht schaust du mal, was deine Erkrankung und die Erkrankung deines Bruders euch Gutes gebracht hat. Da gibt es bestimmt was. Und wenn du dir dann ein "normales" Leben ohne diese guten Dinge vorstellst, ist es vielleicht etwas weniger schmerzhaft, es nicht zu haben.

Das sind nur Gedanken von mir, ob und wann und wie du etwas davon umsetzt, ist deine Entscheidung. Ich erwarte nicht, dass du einlenkst bzw. mir zustimmst, nur weil du glaubst, dass du das musst. (Ich schreibe das so deutlich dazu, weil ich es von mir kenne und dann doch mit meinem Schmerz und meinen Problemen alleine bleibe.) Denn wenn du die Veränderungen nicht akzeptieren willst, ist das auch okay.
Aber vielleicht ist da ja auch ein kleiner Teil, der den Schmerz gerne loslassen würde und dann könnte das ein Weg sein. (:
Charlotte
 

Re: Bruder sein ist nicht einfach..

Beitragvon Karl_Ranseier » Di. 08.12.2015, 05:41

Morgen,

Ich weiss schon das daß Leben nicht still steht sondern weiter geht, trotz allem wäre unser beider Leben anders verlaufen als es momentan ist. Aber du hast Recht, ich lebe zum Teil noch in der Vergangenheit und muss es mal abstellen und im Jetzt leben. Heisst aber nicht das ich das Akzeptiere wie er geworden ist, ich muss "nur" damit leben müssen.

Ja das Wort "normal" ist relativ. für mich heisst normal: arbeiten gehen, eine Familie haben und ein Haus mit weissem Gartenzaun(Hallo Klischee). Das wünsche ich mir für uns beide, nur wird das nie was werden. Wie war das noch mit leben müssen ?

Das du dich arrangiert hast mit deiner Depression ist beachtenswert, mein Bruder hat das wohl auch zum Teil gemacht, zumindest kommt es so rüber. Der Zusammenhalt in meiner Familie ist seitdem wir beide anders ticken als andere echt enorm geworden, hätte ich damals nie für möglich gehalten. Aber auch nur zum Schein, denn wenn ich anfangen würde was so damals alles gelaufen ist, wäre das Verhältnis auf ewig zerstört. also Vorteile gibt es nicht. Ich halte mich nur zurück, meinem Bruder zuliebe.

wobei ich noch anmerken muss das Anteilnahme und das schreiben im Forum schon sehr hilft. Ich habe schon immer versucht alles irgendwie alleine auf die Reihe kriegen zu müssen, das ändert sich langsam
Karl_Ranseier
 


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