Lutz hat geschrieben:Hallo, Pebby,
meine Freundin litt seit 15 Jahren an Depressionen, der letzte Schub dauerte jetzt seit 6 Monaten an. Vor drei Wochen entschloß sie sich, ihrem Leiden ein Ende zu bereiten. Eine Woche nachdem sie aus der Klinik kam. Ich bin völlig fertig. Tausend Fragen. Tausend Bedenken, was ich wann und wie gesagt habe, ob da irgendwo ein Auslöser dabei war.
Tut mir leid, dass deine Freundin keinen Ausweg mehr gesehen hat.
Mein letzter Schub dauerte fast ein dreiviertel Jahr, jetzt geht es langsam aufwärts, auch wenn immer noch Tiefphasen dabei sind. Ich dachte aber zwischenzeitlich wirklich, es wird nie wieder besser.
Mach dir bloß bitte KEINE Vorwürfe oder sonstiges. Wenn man schwere Depressionen hat, hat man kein Auge mehr für andere, leider.
Lutz hat geschrieben:Was hätte ich besser machen können ? Ich glaube, sehr viel. Als "Aussenstehender" beginne ich leider erst jetzt ganz langsam zu erfassen, wie Schlimm es in euch aussieht. Ich hatte keinen blassen Schimmer.
"Depression ? jaja - krieg ma die Backen zusammen..." Ihr werdet das kennen. Ich hatte bislang auch keinerlei Erfahrung mit dieser Krankheit - kannte sie ja erst 18 Monate, 12 davon war sie manisch und wir hatten eine verrückte wunderbare Zeit.
Pebby und ihr anderen - bitte, bitte, sagt es "uns" doch - WIE Schlimm es in euch aussieht.
Daß es um Leben oder Tod geht.
Ist der Freitod denn wirklich eure einzige Erlösung ?
ja, der Freitod ist in der Tat das einzige, was einem am Ende noch am "besten" erscheint. Wenn man sämtliche Therapien durch hat, sämtliche Medikamente genommen hat und immer noch kein Licht am Ende des Tunnels ist, dann wünscht man sich einfach RUHE. Nicht unbedingt den Tod, sondern schlicht und ergreifend RUHE. Und diese Ruhe glaubte ich im Tod finden zu können.
Mittlerweile sind meine Depressionen besser und ich will nicht mehr sterben. In der härtesten Zeit hat mir Tavor geholfen. Ja, Suchtfaktor, aber das ist zweitrangig, wenn man sterben möchte. Hauptsache, man macht sich das Leben irgendwie erträglich, bis man diese Phase überstanden hat.
Lutz hat geschrieben:Ich hätte ihr so gern sagen mögen, wie wichtig sie für mich ist. Wie wichtig sie für diese Welt ist. Und was wir alles hätten tun oder ändern können, bevor sie diesen letzten Weg geht. Lebensfreude suchen und finden - aber geht das überhaupt ? Kann ich euch als Partner überhaupt neue Zuversicht schenken ? Mit Worten ? mit Taten ?
Wenn man schwer depressiv ist, kann der Partner kaum noch was machen. Meiner Meinung nach ist es in schweren depressiven Phasen das wichtigste, Medikamente zu bekommen, die ein wenig das Leiden mildern. Dass ich meinem Freund und meiner Familie weh tu, wenn ich aus dem Leben scheide, war nicht mehr wichtig, da ich der Meinung war, es würde allen besser gehen ohne mich. Auch wenn mein Freund immer gesagt hat "du kannst mich doch nicht alleine lassen" - das prallte an mir ab.
Lutz hat geschrieben:Heute war ihre Beisetzung.
Und ich kann nun NICHTS mehr tun.
Sie ließ mir keine Chance - hat mir nichts erzählt.
Leere im Schädel - wirbelnde Fragen.
Und allem voran die hämmernde Frage, war es wegen mir ? hätte ich etwas tun können ?
Du hast sicher getan, was du konntest. Du wärest ja sicher für sie dagewesen, wenn sie Hilfe gesucht hätte. irgendwann sucht man aber keine Hilfe mehr sondern hat für sich beschlossen, dass das Lebensende das beste ist.
Glaub mir, du hättest nichts tun können. Die Ärzte und Therapeuten hätten Warnhinweise erkennen müssen, als Laie ist das schwierig. Aber auch als "Profi" ist es nicht einfach, wenn der Patient vorgaukelt, dass es ihm gut geht. Auch wenn es ihm nur gut geht, weil er entschlossen hat, sich zu töten.
Es tut mir unheimlich leid, dass du deine Freundin verloren hast. Aber bitte mach dir keine Vorwürfe. Keiner kann etwas für diese Tragödie, wirklich keiner.
Fühl dich gedrückt.