Diagnosechaos

Wenn ihr depressiv seid, könnt ihr euch hier über die Krankheit Depressionen austauschen, aber auch über andere depressive Zustände wie Burn-Out oder die manisch-depressive (bipolare) Störung.

Diagnosechaos

Beitragvon miyabi » Mi. 11.12.2013, 22:33

Hallo liebe Leute,

ich bin vor ein paar Tagen auf eurer Forum gestoßen, als ich mich über das Medikament Abilify informieren wollte und an fezzolletis Thread hängen geblieben bin.

Ich bin Judith und habe gerade mein zweites Studium begonnen. Das Erste musste ich immer wieder auf Eis legen, ich war 3 Mal in der Klinik zu der Zeit. Das erste Mal war allerdings schon früher, zu Abizeiten,
da wurde mir der Stress zu viel, ich habe einen Tag nix gesagt, Kette geraucht, sodass mein Vater mich in die Klapse schleppte. Damalige Diagnose: Anpassungsstörung, es folgte noch eine weitere, Adoleszenzkrise.

In meinem ersten Studium wurde mir dann nach einem 9-wöchigen Tagesklinikaufenthalt eine histrionisch-narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Ich habe danach eine Therapie bei der Frau gemacht, die die Diagnose stellte und mein Studium wieder aufgenommen, mit der Hälfte der Kurse. Das ging ein halbes Jahr gut, ich hatte zwar immer wieder "mein Problem", d.h. ich bin zwischen 1-3 Wochen nicht richtig aus meinem Zimmer rausgekommen, hatte Angst, hab unglaublich (!) viel Süßes gegessen und mich durch die Welt der amerikanischen Serien gearbeitet. Aber durch die wenigen Kurse und meiner Fähigkeit, in meiner "aus dem Zimmer raus Phase" unglaublich viel Energie zu haben, lief alles ganz okay.

Dann war ich im Februar 2011 10 Tage in Spanien, danach begann das Sommersemester. Außerdem wurde ich an einer Kunstuni für freie Kunst angenommen. Mit all diesen positiven Sachen hab ich mich ins neue Semester gestürzt und bin - durchgedreht. Besser kann mans nich beschreiben. Es ging langsam los, mit wenig bis kaum Schlaf, wenig Essen und Verliebtsein in alle möglichen Leute. Ich hab die Menschen in meiner neuen Klasse zugequatscht mit meiner ganzen Lebensgeschichte. Dann gingen die Geschichten los, ich hab plötzlich in meinen Tagebüchern, in meinen Notizen und Zeichnungen Verbindungen herausgelesen, auf der Straße Zeichnungen verschenkt. Ich hatte unter anderem den Wahn, schwanger zu sein, hab mich geleitet gefühlt von einer höheren Macht, hab mich von Musik angesprochen gefühlt etc pp. Nach drei Wochen Depressionsphase und dann wieder durchdrehen wurde ich ein 4. Mal in die Klapse gebracht. Dort hat man mir dann eine neue DIagnose gegeben: Prodromalstadium einer Schizophrenie, und mir Seroquel verordnet.

Weder ich noch meine behandelnde Therapeutin außerhalb der Klinik fanden die Diagnose passend. Ich hatte Angst, dass ich durch die histrionische Persönlichkeitsstörung das alles wie "herbei phantasiert" habe und mich in die Rolle der Schizophrenen wie hinein geschauspielert habe. Allerdings habe ich mich ja verfolgt gefühlt und all diesen krassen Kram.

Ich hab das Seroquel nach 4 Monaten ausgeschlichen wegen Gewichtszunahme, Müdigkeit (14 Stunden hab ich im Durchschnitt geschlafen, ich weiß nich, wie Leute das im Arbeitsleben mit dem Scheiß machen, ich hatte ein Urlaubssemester) und Gefühlsverlust.
Seitdem hab ich mich als Person schon sehr verändert, ins Positive, ich bin an den Dingen gewachsen, allerdings sieht man das nicht unbedingt am Rahmen meines Lebens. Ich habe 8 Semester Kunstpädagogik studiert, es dann abgebrochen. Nun habe ich das Kunststudium begonnen und bin 25 Jahre alt. Seit meinem Abi war ich fast jedes Jahr einmal in der Klapse und nun schaffe ich das erste Semester wieder nicht.

Hier in der neuen Stadt haben die neue Therapeutin, der neue Doc und ein Sozialarbeiter, zu dem ich gehe, alle auf eine bipolare Störung oder Zyklothymia getippt. Noch eine Diagnose. Ich bin zum Doc gegangen mit dem Wunsch, ein leichtes Antidepressiva zu nehmen, aber er hat mir Orfiril oder Abilify empfohlen.
Nächste Woche ist mein Termin, wo wir mit der Medikation beginnen. Orfiril kommt für mich gar nicht in Frage und eigentlich hab ich auch keine Lust auf Abilify.

Meine Frage an euch: Kennt ihr so ein Diagnosechaos? Oder das Gefühl, vielleicht gar nicht krank zu sein, sondern wie... "krank gemacht" zu werden durch irgendwelche Ärztemeinungen, die einen mal in die eine, dann in die andere Schublade stecken?
Ich hab mir eigentlich gesagt, ich probiert Abilify mal aus und schau, was passiert. Aber ich habe auch schon von Folgeschäden bei kurzer Einnahme gelesen.

Meint ihr, dass ein Antidepressiva bei mir wieder bewirken kann, in so eine Durchknallphase zu rutschen?


Hm.
Das war viel.
Ich bin gespannt, auf Meinungen, Erfahrungen und Ideen.

Einen schönen Abend wünsch ich euch.
miyabi
 

Re: Diagnosechaos

Beitragvon Atisha » Do. 12.12.2013, 06:45

Ich habe paranoide Schizophrenie und meine Vorleidensgeschichte ist ewig lang. Dazu kam Depression seit Jugend an. Es kann schon sein das es auch bei dir in dieser Krankheit mündet. Bei mir kams mit 33 zum richtigen Ausbruch und zu der Diagnose. Ich hatte mich allerdings immer ohne Medikamente oder Therapien durchs Leben geschlagen. Ob da was hilft zu nehmen bevors richtig ausbricht, das weiß ich nicht.

Ich fand also die Diagnose "Prodromalstadium einer Schizophrenie" am passendsten, weil ich eben meine Erfahrungen dahingehend habe. Mit den anderen Krankheitsbildern kenne ich mich aber nicht weiter aus.

Ich nehme nun seit 2007 Risperdal und Abilify ein. Komme mit beiden zurecht. Das Risperdal (Risperidon), das wirkt sehr gut gegen das Durchdrehen unter Stress. Und es ist seit 1994 auf dem Markt, also relativ bewährt und damit hat man dort schon viele Erfahrungen. Risperdal nehme ich 3mg und Abilify 15mg ein, so mittlere Dosis. Ich würde immer mit der geringsten Dosis anfangen und schauen wie es mir damit geht, das heißt für Risperdal also 0,5mg.
Atisha
 

Re: Diagnosechaos

Beitragvon miyabi » Do. 12.12.2013, 14:28

Hallo,

danke für deine Antwort. ich denke auch, dass ich das mit dem Abilify versuchen werd, und ich überleg gerade sogar, nochmal (...) in eine Klinik zu gehen, um eine Sicherheit zu haben, was die Diagnose betrifft. Ich fühl mich ganz schön hin und her geworfen, das ist, als würde einem ständig jemand erzähln, man hätte nen Armbruch, nein doch nen Beinbruch, ach doch lieber der Fuß. Und ich würde mich auch gern irgendwo "zu Hause" fühlen und aus den Erfahrungen anderer schöpfen, nicht nur was Medikamente betrifft.
Mal sehen, ob ich das mache, aber gerade, wenn es eine Schizophrenie oder bipolare Störung wär, würd ichs gern richtig wissen

Meines Wissens nach ist es immer gut, eine psych. Störung so früh wie möglich zu erkennen und man kann in diesem Prodromalstadium auch verhindern, dass jemals ne richtige Schizophrenie draus wird.

Hm...
miyabi
 

Re: Diagnosechaos

Beitragvon Atisha » Do. 12.12.2013, 17:14

Im Vorstadium der Schizophrenie kann man eben auch manisch sein, aber Abilify wird bei beidem verschrieben. Ich weiß nicht wie das mit den Ängsten ist ob die bei Bipolar auch verbreitet sind, bei meiner Vorphase zur Schizophrenie hatte ich oft starke Ängste bis hin zu Todesangst, das ich dann den Notarzt gerufen hatte und der mir ne Beruhigungsspritze gab und ich dachte jetzt bekommst du die Todesspritze verpasst, weil dir ist nicht mehr zu helfen. Bevor der Arzt mir die Spritze verpasst hat, da habe ich noch mein Testament aufgesetzt, so überzeugt war ich davon, also das hatte schon was Paranoides, nur das ich damals von nichts was wusste.
Atisha
 

Re: Diagnosechaos

Beitragvon miyabi » Sa. 14.12.2013, 15:17

hm, als ich diesen verrückten sommer vor eineinhalb jahren hatte und mir das prodromlstadium diagnostiziert wurde, hatte ich angst, an allen möglichen krankheiten bald zu sterben, ich war aber froh, dass man mir im krankenhaus blut abnahm, da man ja jetzt rausfinden würde, ob ich krebs/tumore/... hätte.
dann war ich ne zeit lang überzeugt, bald zu sterben. ich hab meine freunde zugequatscht, dass sie mich nich vergessen solln und sich um meinen künstlerischen nachlass kümmern solln - in meinem kopf sah ich mich schon die nächste van gogh werden - entdeckt nach dem tod, oh je. alles sehr crazy. allerdings bin ich nie wieder in so eine phase gekommen seitdem und hatte vorher auch nie so eine.
bevor alles ausbrach, hab ich johanniskraut und mönchspfeffer genommen, beides pflanzliche mittel gegen depression, manchmal frag ich mich, ob das was mit ausgelöst hat.

jedenfalls hab ich jetzt eher ein problem mit diesen depressiven phasen und nicht mit höhenflügen, deswegen weiß ich nich, ob abilify mir helfen kann. ich hoffs jedenfalls
miyabi
 

Re: Diagnosechaos

Beitragvon bulandus » Di. 17.12.2013, 15:40

Hallo,

ich halte nichts von diagnostischen Zuschreibungen,die zudem extrem stigmatisieren können.
So wie du das schilderst,hattest du wohl eine psychotische Phase,die wieder abgeklungen ist.Ist doch gut,oder?
Die Aufgabe der Psychiatrie und der klinischen Psychologie ist es,auffälliges Denken,Fühlen und Verhalten in gewisse Schemata zu stecken und dann daraus die "richtigen" Psychopharmaka zu verordnen.
Daraus kann dann sehr schnell eine Karriere als chronisch psychisch Kranker werden,da wäre ich also vorsichtig.

Ich nehme auch Abilify,allerdings nur noch 5mg.
Abilify wirkt in beide Richtungen:einerseits schützt es vor psychotischen Phasen,andererseits kann es bei Depressionen auch antriebssteigernd und auch stimmungsaufhellend wirken.
Allerdings kann Abilify auch eine Psychose auslösen,deshalb wäre für mich eine engmaschige Kontrolle durch den verschreibenden Arzt wichtig.

Ich persönlich würde mich von den ganzen Diagnosen lösen und annehmen,daß ich halt eine außergwöhnliche Erfahrung gemacht habe,die auch möglicherweise wieder auftreten kann,wenn ich nicht gut für mich sorge.
Dazu zählt genug essen,genug trinken,genug schlafen und die Balance zwischen sozialen Kontakten einerseits und Rückzug und Ruhe andererseits.

Alles Gute!
Bulandus
bulandus
 

Re: Diagnosechaos

Beitragvon miyabi » Di. 17.12.2013, 21:27

hey bulandus,

danke für deine antwort.
dass du angesprochen hast, dass man schnell in die langzeit-krankheitsschublade gesteckt wird, war etwas, dass ich grade hören musste. es ist total schwierig, den richtigen umgang damit zu finden, ich schwanke immer sehr zwischen den extremen "ach mir gehts gut, dass muss bei mir alles so gehen wie bei anderen" und "oh gott, ich bin krank, ich kann ja gar nix machen" - überspitzt gesagt. allerdings sind beide einstellung total kontraproduktiv, da man sich in keinem extrem gut um sich kümmert, wie du es ja auch nochmal betont hast.

ich find es nach all dem diagnosegewusel aber schon gut, eine klarheit diesbezüglich zu sagen, vielleicht einfach nur, ums in ne schublade zu stecken. ich hab im neuen jahr ein gespräch mit einer ärztin vom sozialpsychiatrischen dienst, um darüber zu sprechen, warum da so viel stempel auf mich drauf gedrückt wurden sind und was denn nun phase is und was das für mich bedeutet.

diese woche wird mir das abilify verschrieben, der arzt wollte bei mir auch mit 5 mg anfangen.
kannst du ein bisschen beschreiben, wie es dir damit ergeht?
ich nehme an, du hattest auch eine psychose? kannst du das für dich als einmalige sache zu den akten legen? bist du dadurch in deinem leben eingeschränkt?
miyabi
 

Re: Diagnosechaos

Beitragvon bulandus » Mi. 18.12.2013, 15:46

Hallo,

ich hatte 2 Psychosen in meinem Leben,die letzte war genau vor 10 Jahren.
Seit 2005 habe ich eigentlich "nur" noch mit schweren Depressionen zu tun,die mich allerdings sehr eingeschränkt haben.
Seit 2005 nehme ich Solian(Amisulprid),das mich zwar vor einer neuen Psychose geschützt,aber auch schwer depressiv gemacht hat.
Es ist bekannt,daß die Medikamente,die vor Psychosen schützen sollen(Neuroleptika) eine Depression auslösen oder eine bestehende verschlimmern können.
Abilify ist da eine Ausnahme,ich nehme es seit 2007,ursprünglich mit 20mg,mittlerweile habe ich nur noch 5mg.
Abilify hat bei mir unterschiedlich gewirkt.Phasenweise hatte ich dadurch viel Antrieb und Energie,phasenweise hatte ich allerdings trotz Abilify Depressionen.Zuletzt war ich trotz Abilify schwer depressiv,so daß ich es bis auf 5mg reduziert habe.
Ich sage,daß ich durch meine Psychose-Erfahrungen nicht in meinem Leben eingeschränkt bin,vielmehr haben mich jahrelang die 800mg Solian+die Depressionen total in meiner Entfaltung behindert.

Ich habe dich vor einer Karriere als chronisch psychisch Kranke gewarnt,weil genau mir das passiert ist.
Ich habe mich so sehr mit meinen Diagnosen identifiziert,daß ich mich als sehr schwer krank gesehen und mich fast komplett aus dem Leben zurückgezogen habe.
Bei mir waren es paranoide Schizophrenie+schizo-affektive Psychose...

Wichtig ist vielleicht zu wissen,daß ein Drittel aller Menschen,die eine psychotische Erfahrung machen,nie wieder psychotisch werden,auch wenn sie keine Neuroleptika nehmen.
Ein weiteres Drittel hat mehrere psychotische Erfahrungen und danach nie wieder,du siehst also,daß die Chancen auf Wiederherstellung recht gut stehen,da du zumal noch recht jung bist.

Ich persönlich nehme zur Zeit 700mg Solian+5mg Abilify.Mein Ziel ist es,das Abilify bald ganz abzusetzen und danach das Solian bis auf 400mg zu reduzieren.

Ich wünsche dir alles Gute,
Bulandus
bulandus
 


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