von Orchideenblüte » So. 09.12.2012, 20:02
Dass du deinen Opa zu Weihnachten wiedersiehst ... und wieder so tust als wäre nix Schlimmes passiert .... so wie du es als kleines Kind getan hast und all die Jahre jetzt auch noch .... das ist der Trigger. Du fühlst dich wieder genauso ausgeliefert wie früher. Die Medikamente werden dir helfen, aber sie werden dich nur beruhigen. Damals warst du ein kleines Kind und von der Familie abhängig. Du hättest nie etwas getan, was die Familie zerstört.
Heute bist du erwachsen. Heute bist du gewachsen, auch in deinem Kopf. Heute erkennst du, dass Missbrauch nur in einem kranken Familiensystem geschieht und das dieses kranke Familiensystem sich nur aufrecht erhält, wenn alle Mitglieder brav ihre ihnen zugeteilten Rollen spielen...
Damals waren die Erwachsenen für dich verantwortlich. Heute bist DU für dich verantwortlich. Indem du zu Weihnachten hingehst und so tust als wäre nie etwas gewesen, schaffst du dieselbe Situation wie damals. Und davor hat dein Körper Angst. Denn damals war in solchen Situationen der Missbrauch da. Und dein Körper erinnert sich und sendet dir Warnsignale.
Sich im Kopf zu sagen, es passiert nichts, dass reicht leider nicht. Der Trigger ist viel zu stark. Dein Körper weiß nicht, dass du ihn jetzt als Erwachsene beschützen kannst. Du musst es ihm erst beweisen. Du musst ihm beweisen, dass du jetzt über dein Leben bestimmst ... du entscheidest, was du in deinem Leben tust. Du musst dich entscheiden, ob du dich weiter kleinmachen willst für die Familie. Oder ob du anfängst besser auf dich achtzugeben und zu dir und einen Gefühlen, Ängsten, Bedürfnissen zu stehen. DAs ist glaube ich das schlimmste am Missbrauch: ich habe mich wie ein Stück Dreck behandelt gefühlt, weil mein Stiefvater mich missbrauchte, wie es ihm passte. Und so minderwertig habe ich mich dann auch als Erwachsene gefühlt und die Bedürfnisse anderer, die heile Welt, die Harmonie, etc. immer vor meine Bedürfnisse gestellt.
Dein Opa hat dir so etwas Schlimmes angetan. Wenn ich meinen Stiefvater, der mich jahrelang missbraucht hat, wiedersehen würde, keine Ahnung, was ich tun würde ... aber eins wäre sicher, ich würde vor Wut toben .... und auch vor Verachtung und Hass. Denn es war keine Liebe wie vorgegaukelt sondern purer Machtmissbrauch. Und wie du genau sagtest, wir Opfer / Überlebende leiden ein Leben lang darunter.
Meine Trigger hören erst auf, wenn ich grundsätzlich etwas an der Situation ändere. Wenn es z.B. eine Situation ist vor der ich mich fürchte, dann wenn ich diese (z.b. ein Treffen) verschiebe (und zwar egal wie der andere reagiert) ... oder wenn das nicht geht, ich mir Schutzanker versuche zu bauen, das Treffen verändere (andere Zeit, anderer Ort, noch jemand mitnehme etc.). Aber das hilft bei mir nur bedingt, weil ich mich dann immer noch ausgeliefert fühle. Aktuell geht es mir am Besten, wenn ich auf meine innere Stimme höre und wenn die gar nicht hin will .... nun ja .... Ich feiere z.b. seit Jahren Weihnachten alleine. Früher habe ich es mit meiner Mutter gefeiert, ich bin sogar mit ihr auf meine Kosten in Urlaub gefahren etc.. Aber das war für mich innerlich immer sehr schwer, weil ich mich an den Missbrauch dann auch erinnert habe, meine Mutter hier aber eher abblockt und so tut als sei nie etwas gewesen. Ich war jahrelang traurig zu Weihnachten auch wenn ich bei Freunden war etc. Irgendwann habe ich es dann zu Grabe getragen: den Wunsch einer heilen Familie und eines friedvollen schönen Festes. Das heißt nicht, dass es mich heute nicht mehr schmerzt, aber ich versinke nicht mehr so in der Traurigkeit. Heute ist es so, dass wir sehr wenig Kontakt haben. Aber dafür ist er ehrlich und liebevoll. Ich akzeptiere, dass sie nicht über früher reden will ... und sie akzeptiert (und damit zeigt sei mir ihre Liebe), dass mir das Thema sehr wichtig ist und ich mich sehr damit beschäftige und ihr gegenüber auch verbittert bin, weil sie Mittäterin war. Durch ihr Schweigen und ihre passive Mithilfe konnte diese kaputte Familie überhaupt erst entstehen. Und sie als Erwachsene hatte die Verantwortung egal wie hilflos, klein, unsicher, ängstlich sie sich selber gefühlt haben mag.
Hast du Freunde mit denen du über den Missbrauch reden kannst? Das wäre gut, denn ich z.b. habe erst an den Reaktionen gesehen, dass es wirklich was Schlimmes war ... für mich war das ja Alltag/Normal. Außerdem ist es gut, wenn du spürst, dass Leute dich ernst nehmen und auf dich eingehen. Das tut echt gut und du gibst diesen schlimmen Erlebnissen auch einen Raum und Platz. Und das brauchen sie, denn sie gehören zu dir, sie sind ein Teil von dir, ein Teil deiner Kindheit und Jugend.
Ich wünsche dir viel, viel Glück!!!!