Wenn das Ich den Körper verliert

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Wenn das Ich den Körper verliert

Beitragvon GLaDOS » Do. 07.02.2013, 18:27

Hab gerade folgenden Artikel gelesen, und fand ihn ganz interessant.

Wenn das Ich den Körper verliert
Schlank und schön - die idealisierte Darstellung in den Medien setzt manche Frauen nicht nur ziemlich unter Druck, sie beeinträchtigt auch ihre Selbstwahrnehmung. Während sie darüber nachdenken, wie sie aussehen und wirken, verlieren sie mitunter den Kontakt zum eigenen Körper, wie eine Studie zeigt.

Außen- und Innenperspektive im Gleichgewicht
Das bewusste Erleben des eigenen Selbst ist ein wesentlicher Teil des Menschseins. Wir können diese Perspektive der ersten Person aber auch verlassen und gewissermaßen von außen auf uns schauen. Fast so, als stünden wir wie ein unabhängiger Beobachter außerhalb des eigenen Körpers. Für ein gesundes Selbstbild sollten Innen- und Außenperspektive jedoch halbwegs ausgewogen sein.

Verschiebt sich das Gleichgewicht, kann dies zu psychischen Erkrankungen führen. So zeigen etwa Studien, dass Frauen, die zu sehr damit beschäftigt sind, wie ihre Körper aus der Sicht eines anderen erscheinen, eher an Depressionen oder Essstörungen wie Anorexia nervosa (Magersucht) erkranken. Patientinnen mit Essstörungen haben gleichzeitig oft kein Gefühl für körperliche Signale wie Hunger oder Sättigung. Es sieht so aus, als hätte man nur ein begrenztes Maß an Aufmerksamkeit zur Verfügung. Fließt zu viel davon in die Sicht von außen, bleibt zu wenig für die innere Wahrnehmung.

Selbstwahrnehmung manipulierbar
Diese Verschränkung von Außen- und Innensicht sowie ihre negativen Folgen wurde bisher vor allem im Rahmen von Fragebogenuntersuchungen festgestellt. Nur wenige Studien haben die Selbstwahrnehmung experimentell oder neurophysiologisch untersucht. Zu den bekanntesten Experimenten in diesem Bereich zählt die sogenannte Gummihand-Illusion, die deutlich macht, wie manipulierbar unsere Selbstwahrnehmung ist. Durch einen simplen Trick identifizieren dabei Probanden eine Hand aus Kunststoff als ihre eigene. Diese Manipulation führt auch zu messbaren körperlichen Folgen, z.B. zum Temperaturabfall in der echten Hand.

Laut den Forschern um Vivien Ainley von der Royal Holloway University of London hängt es ebenfalls mit dem Gleichgewicht von Außen- und Innensicht zusammen, wie gut dieser Trick funktioniert: Denn Personen, die sich vorwiegend als Objekt, also von außen betrachten, sprechen viel stärker darauf an. Eine Folgestudie habe auch gezeigt, dass jene, die besonders anfällig für die Illusion sind, häufiger an Essstörungen leiden. Den Forschern zufolge ein weiteres Indiz dafür, wie sehr das Gefühl für den eigenen Körper von der Sicht auf sich selbst abhängt.

Außensicht stört Innensicht
Mit Hilfe eines einfachen Tests haben die Forscher nun den Einfluss der Selbst-Objektivierung auf die Körperwahrnehmung untersucht. Dafür wurden ca. 50 19 bis 26 Jahre alte Frauen rekrutiert. Männer wurden keine getestet, da diese - wie Studien zeigen - dabei in der Regel viel besser abschneiden, möglicherweise ebenfalls eine Folge einer weniger nach außen verschobenen Selbstwahrnehmung. Nachdem die Probandinnen Fragebögen zu Körperbewusstsein, Selbstobjektivierung und Selbstbewusstsein ausgefüllt haben, mussten sie ihren eigenen Herzschlag zählen - ohne Hilfsmittel, durch bloßes Hineinhören.

Das Ergebnis war den Forschern zufolge deutlich: Bei der Zählung schnitten jene Frauen am besten ab, die ihren Körper am wenigsten als Objekt betrachteten. D.h. umgekehrt: Jene, die besonders viel darüber nachdenken, wie sie aussehen oder von anderen wahrgenommen werden, fehlt die Aufmerksamkeit für innere körperliche Vorgänge. Warum das so ist, ist nicht ganz klar. Das fehlende Gespür könnte den Forschern zufolge genauso gut die Ursache und nicht die Wirkung der übersteigerten Selbstobjektivierung sein. Möglicherweise falle es manchen Frauen einfach schwerer, die Aufmerksamkeit auf Innen- und Außensicht aufzuteilen.

Gleichgewichtstraining
Diese gestörte Körperwahrnehmung könnte laut den Studienautoren auch für das emotionale Erleben entscheidend sein. Möglicherweise empfinden die betroffenen Frauen Gefühle ganz generell weniger intensiv, was wiederum den Weg zu psychischen Krankheiten wie Depressionen und Magersucht ebnet.

Die Erkenntnisse der Studie liefern dafür vielleicht einen neuen therapeutischen Ansatz: Durch das Zählen der eigenen Herzschläge oder vergleichbare Methoden könnte man die innere Wahrnehmung vielleicht gezielt trainieren, damit Innen- und Außensicht wieder ins Gleichgewicht kommen.


http://science.orf.at/stories/1712347/
GLaDOS
 

Re: Wenn das Ich den Körper verliert

Beitragvon Vanilla » Do. 07.02.2013, 20:17

das ist echt interessant :jawoll:

Es gibt auf Bayern alpha diese Woche täglich Dokus über Essstörungen.
Eine Magersüchtige wurde eine Weile begleitet und sie kann im Spiegel auch nicht erkennen,
wie dünn sie wirklich ist, knapp 35 kg. Das hat sie dann erst wahr genommen, als sie Fotos von sich,
in Dessous machen ließ + diese angeschaut hat.

Ich weiß von mir selbst, habe mein Gewicht mehrmals krass nach oben + nach unten verändert,
dass man/ich bei höherem Gewicht etwas wohlwollender in den Spiegel schaut. Aber auf Fotos sehe ich das
sofort. :shock:
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Ja, ich hasse meine MS und sie mich scheinbar auch. Aber manchmal sitzen wir auch zusammen und lachen gemeinsam über meinen Gang

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Re: Wenn das Ich den Körper verliert

Beitragvon Sivi » Do. 14.02.2013, 17:41

Ich finde den Artikel auch sehr interessant! Und ich denke, dass man diese Wahrnehmung auch noch auf ganz andere Bereiche ausweiten kann.
Sivi
 

Re: Wenn das Ich den Körper verliert

Beitragvon effloresco » Sa. 16.03.2013, 16:59

Oh danke für den Artikel!

Vanilla hat geschrieben:dass man/ich bei höherem Gewicht etwas wohlwollender in den Spiegel schaut. Aber auf Fotos sehe ich das sofort.

Ja, das kenne ich. Der Unterschied zwischen Spiegelbild und Foto ist echt stark. Liegt das wohl daran, dass man im Spiegel sich selbst nun mal gespiegelt sieht und nicht "richtig rum", wie auf einem Foto?

GLaDOS hat geschrieben:Durch einen simplen Trick identifizieren dabei Probanden eine Hand aus Kunststoff als ihre eigene. Diese Manipulation führt auch zu messbaren körperlichen Folgen, z.B. zum Temperaturabfall in der echten Hand.


Wow, sowas geht? :shock:
effloresco
 

Re: Wenn das Ich den Körper verliert

Beitragvon iyuraeel » Sa. 16.03.2013, 21:59

effloresco hat geschrieben:Wow, sowas geht? :shock:

Habe dazu auch direkt mal ein Video gesucht.
Kann mir das total gut vorstellen, dass es funktioniert.

edit: Link vergessen zu schreiben: http://www.youtube.com/watch?v=TCQbygjG0RU
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Re: Wenn das Ich den Körper verliert

Beitragvon Vanilla » Sa. 16.03.2013, 23:47

danke für den Link :kiss:
Das ist echt sehr spannend
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Re: Wenn das Ich den Körper verliert

Beitragvon effloresco » So. 17.03.2013, 14:43

Habe mir das Video auch angesehen. Sehr eindrucksvoll.

Ich komme aber auch immer noch nicht darüber hinweg, dass man sich auf Fotos ganz anders wahrnimmt als im Spiegel. Vor einem Spiegel steht man doch real, in dem Moment, und Fotos sind ja schon mindestens ein paar Sekunden alt und unbewegt. Und da kommt es ja auch auf die Perspektive an.
effloresco
 

Re: Wenn das Ich den Körper verliert

Beitragvon GLaDOS » So. 17.03.2013, 14:58

effloresco hat geschrieben: dass man sich auf Fotos ganz anders wahrnimmt als im Spiegel
Stimmt...dem Spiegelbild kann ich eher verzeihen (warum das bloß so ist :ratlos:). Vielleicht weil man sich davor bewegen kann, und auf'm Foto ist man in der Bewegung gefangen...ob vorteilhaft, oder nicht.
GLaDOS
 

Re: Wenn das Ich den Körper verliert

Beitragvon Sivi » So. 17.03.2013, 15:00

Grins, da musste ich nun drüber schmunzeln
GLaDOS hat geschrieben: auf'm Foto ist man in der Bewegung gefangen...ob vorteilhaft, oder nicht.

Denn wie wahr das doch ist... :mrgreen:
Sivi
 

Re: Wenn das Ich den Körper verliert

Beitragvon effloresco » Do. 21.03.2013, 11:36

Ja stimmt wohl. Aber ich kenne sooo viele Mädchen und Frauen, die sich auf Fotos nicht ausstehen können, auch wenn es schöne, vorteilhafte Fotos sind!

Aber kann man wohl dagegen tun, dass das Ich den Körper nicht verliert? Viel vorm Spiegel stehen? Dann wird man doch verrückt. Und wenn man den Spiegel meidet, erschreckt man sich auch, wenn man sein Spiegelbild dann mal sieht. :?
effloresco
 


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