Ein Leben lang Medikamente?

In diesem Forum habt Ihr die Möglichkeit, Eure Erfahrungen mit Psychopharmaka zu schildern bzw. Fragen zu bestimmten Medikamenten zu stellen und Informationen über sie zu suchen.

Ein Leben lang Medikamente?

Beitragvon Phoenix » Fr. 23.07.2004, 15:24

Hallo !

ich bin neu hier und möchte alle hier grüßen.

Das man in Krisen Medikamente braucht ist klar.
Aber soll man das ganze Leben lang Tabletten nehmen?
Wurde schon einer von Euch durch Tabletten geheilt ?
Helfen euch Medikamente ?
Was macht Ihr bei Nebenwirkungen?

herzlichen Gruß
Andreas
Phoenix
 

Beitragvon Site Admin » So. 25.07.2004, 16:06

Das kann man so pauschal nicht beantworten.

Und zwar deswegen nicht, da es von Fall zu Fall, von Person zu Person, von Krankheit zu Krankheit anders ist und auch von anderen Umständen abhängt.

Fakt ist, dass es tatsächlich Menschen gibt, die tatsächlich ihr Leben lang auf Medikamente angewiesen sind, da sie ansonsten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen Rückfall erleiden werden, vor allem bei "schwereren" psychischen Leiden wie der Schizophrenie, bei starker Psychoseanfälligkeit, bipolare Störungen (z.B. Manisch-Depressive) u.ä. Aber auch bei schwer ausgeprägten Depressionen kann es sein, dass man ein Leben lang auf Antidepressiva angewiesen ist. Es kann aber auch sein, dass man sie auch wieder irgendwann absetzen kann. Hängt von der Intensität der Störung ab, wie erfolgreich eine Therapie ist usw. usf.

Dann gibt es wieder Krankheiten/Störungen, bei denen man eigtl. "nur" dann (Bedarfs-)Medikamente braucht, wenn weitere Nebensymptome auftreten. Ich wüsste z.B. nicht, dass es ein Medikament gegen Borderline gibt, aber Borderline-Patienten nehmen situationsbedingt dennoch auch schon mal Medikamente, z.B. gegen Angststörungen/Depressionen/Antriebslosigkeit/Rastlosigkeit/psychoseähnliche Zustände, aber die sind dann nur für den Notfall, für extreme Nebensymptome...

Insofern kann man schlecht sagen, ob jemand durch Medikamente an sich geheilt werden kann. Ich glaube, ausschließlich nur mit Medikamenten geht es wohl kaum... Die Kombination von Therapie und therapieunterstützender Medikamentation macht es wohl. Aber eine Heilung hat man wohl meistens nicht den Medikamenten an sich zu verdanken, sondern der Therapie. Den Medikamenten hat man aber vielleicht zu verdanken, dass eine Therapie überhaupt möglich war... Man kann es so oder so sehen... ;)

Ich persönlich habe keine guten Erfahrungen gemacht mit Medikamenten. Nicht, dass ich Nebenwirkungen gehabt hätte - erstaunlicherweise hatte ich so gut wie nie Nebenwirkungen bemerkt außer einmal eine leichte Gewichtszunahme bei einem AD -, aber ich habe eigentlich im Endeffekt nie eine befriedigende Wirkung festgestellt, die ich mich eigentlich gewünscht hätte... In den meisten Fällen habe ich durch Medikamente keine Besserung - noch nicht mal irgendeine Änderung - erleben könnne, von meinem rein subjektiven Gefühl her hätte ich sie auch genau so gut weglassen können mit dem gleichen Ergebnis. Natürlich weiß man nie, was in bestimmten Situationen ohne Medikamente gewesen wäre (sprich, vielleicht haben sie mir ja manchmal doch geholfen, dass es nicht noch schlimmer wurde), aber ich konnte es halt nie vom Gefühl her nachvollziehen...

Aber das ist meine persönliche Erfahrung, und heißt nicht, dass es auch bei anderen so sein muss, bzw. es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass es da bei jedem anders ist und jeder anders reagieren kann auf Medikamente (sowohl im negativen als auch positiven Sinne).

Letzten Endes lässt sich sagen, dass man es zumindest einmal versuchen kann mit Medikamenten: Einen Versuch ist es immer wert, dass es einem dann vielleicht doch besser geht! Eine (andere) Meinung kann man danach immer noch haben...

P.S.: Auch von mir ein herzliches Willkommen in diesem Forum :)
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anti-psychiatrie

Beitragvon ich bin bloß ANDERS! » Mo. 27.02.2006, 22:59

ich habe angst davor, medikamente nehmen zu müssen und erst recht, sie ein leben lang zu nehmen. ich will das nicht. deswegen geh ich auch nicht zum arzt, weil ich weiß, dass die einen nur damit abfüllen wollen. diese ganze pharmaindustrie ist doch nur auf die milliarden-umsätze aus und nicht auf unsere gesundheit. und die ärzte spielen da natürlich mit, die kriegen nämlich "bonus-geschenke", wenn ein arzt zb. bevorzugt medikamente von einer bestimmten firma verschreibt. ich spiel da aber nicht mit. ich hab das alles durchschaut! die meisten medikamente sind in wirklichkeit gar nicht nötig.

habt ihr schon einmal etwas von der "anti-psychiatrie"-bewegung gehört? ich unterstütz das voll!
als einstieg zum thema empfehl ich den wiki-artikel http://de.wikipedia.org/wiki/Antipsychiatrie



Die Antipsychiatrie ist eine in den 1950ern u.a. von Ronald D. Laing begründete Bewegung, die sich insbesondere gegen die Erklärung der Schizophrenie als psychische Erkrankung wendet und die Psychiatrie insgesamt in Frage stellt. Weitere Vertreter der Antipsychiatrie sind Peter Lehmann, Thomas Szasz, David Cooper, Jan Foudraine, Franco Basaglia und Michel Foucault.

Die Antipsychiatrie wird sowohl von einer Minderheit von Psychologen, als auch von Betroffenen vertreten.


Problematik: Krankheitsbegriff

Ein Problem bei psychischen Störungen ist ihre Diagnose und oft auch Definition. Die schwierige Greifbarkeit der "Normalität" menschlichen Verhaltens führt leicht zu Fehldiagnosen; auch ist ein aktiver Missbrauch durch den Diagnostiker hier einfacher als bei anderen Krankheiten (extremes Beispiel: wird ein fehlendes Bein diagnostiziert, ist aber vorhanden, ist das leichter als Fehldiagnose zu entlarven als ein "fehlendes" soziales Bewusstsein etc.)

Da psychische Störungen immer als Abweichung von einer Norm definiert werden, stellt sich die Frage: Wer bestimmt, was normal ist? So galt beispielsweise Homosexualität lange Zeit als behandlungsbedürftige psychische Störung (vgl. auch die "Behandlung" des Wissenschaftlers Alan Turing 1952).

Untersuchungen in den USA zeigten, dass Schizophrenie häufiger bei Angehörigen der Unterschicht, besonders bei Schwarzen, diagnostiziert wurde als z. B. bei Personen aus der weißen Mittelschicht, was den Verdacht einer Bestrafung schichtspezifischer Unangepasstheit durch Etikettierung mit dem Begriff "krank" nahezulegen schien.

In der Sowjetunion wurde über viele Jahre bei politisch andersdenkenden Menschen die atypische Schizophrenie diagnostiziert. Diese Menschen wurden in geschlossene psychiatrische Anstalten interniert, so dass es offiziell zu dieser Zeit keine politischen Gefangenen gab. Auch andere Regime entledigten und entledigen sich unliebsamer Kritiker in psychiatrischen Anstalten.

Aktuell spielt die Debatte, wer eigentlich krank ist, bei der Definition der Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) eine große Rolle.

Aufgrund dieser Fragen und Erfahrungen wird in der Antipsychiatrie Wahn oder zumindest Schizophrenie nicht als Krankheit, sondern als Erfindung der Gesellschaft bzw. herrschender Kreise der Gesellschaft und insbesondere als Erfindung von Psychiatern angesehen, um Herrschaft und Einkommen zu sichern. Das Stigma "psychisch krank" wird als gewolltes Mittel zur Durchsetzung der herrschenden Interessen gesehen.

Die Ablehnung von sozial abweichendem bzw. gesellschaftlich unangepasstem Verhalten, dessen Bezeichnung als Krankheit, die darauf folgende ablehnende und ausstoßende Reaktion der Mitmenschen des sich anders Verhaltenden, seien das eigentliche Problem. Die Akzeptanz der Rolle des Kranken (Internalisierung, Krankheitseinsicht) durch den Betroffenen führen dann dazu, dass der Betroffene sich so verhält, wie es einem angeblich psychisch Kranken entspricht.

Es sei deshalb nicht notwendig, die ja gar nicht Erkrankten zu behandeln. Ein extremer Verfechter dieses Ansatzes ist Thomas Szasz.

Für die meisten der Betroffenen - die ja zum größeren Teil selbst unter ihren psychischen Störungen leiden - ist die Frage, ob es sich um eine "echte" Krankheit handelt oder nicht, manchmal völlig unerheblich. Jemand, der schwer depressiv ist, der möglicherweise sogar mit dem Gedanken spielt, sich das Leben zu nehmen, oder jemand, der wegen seiner Ängste (Phobie) das Haus nicht mehr verlassen kann, der wird diese Frage als rein akademisch ansehen - ihn betreffen vor allem die verschiedenen Behandlungsmethoden und die Hoffnung auf Erfolg.


Wirkungen der Antipsychiatrie

Die Kritik der antipsychiatrischen Bewegung weist auf die Gefahr des Missbrauchs von psychiatrischer Definitionsmacht hin, die ja wie oben beispielsweise gezeigt, nicht nur theoretisch vorhanden ist. Zudem wird der Begriff der geistigen Gesundheit hinterfragt und es wird gefragt, welche Möglichkeiten eine Gesellschaft hat, mit so genanntem abweichendem Verhalten umzugehen, beziehungsweise sogar daraus zu lernen.

Die Antipsychiatrie wendet sich speziell gegen das Wegsperren von (den aus ihrer Sicht angeblich) psychisch Erkrankten in Kliniken. Weglaufhäuser sollen in Analogie zu den Frauenhäusern den Betroffenen Obdach und Schutz geben. Teilweise unhaltbare Zustände und Behandlungsmethoden wurden und werden angeprangert. Dies gab unter anderem in Italien, Schweden und Österreich Anstöße für eine Psychiatriereform, die zu einer teilweisen Auflösung der psychiatrischen Anstalten, beziehungsweise zu starker Verkürzung der Verweildauer und genauerer Kontrolle der so genannten Zwangseinweisungen und Zwangsanhaltungen (=Einweisung und Anhaltung gegen den Willen des oder der Betroffenen) führte.



guckt euch auch mal die seite http://www.antipsychiatrie.de/ an!
ich bin bloß ANDERS!
 

Beitragvon MutedStoryteller » Mo. 27.02.2006, 23:39

Das mag sein...
Das heißt ich unterstüze es nicht gleich alles als krank zu bezeichenen das anders ist. Dennoch giebt es grenzen. Verltztung (sich oder andere) und Selbstmordgedanken sind gerade solche.
Es giebt auch menschen die wollen das ihnen geholfen wird...
Nebenbei es giebt viele Erkrankungen die Lebenlage betreung bedürfen... Man socllte auch nicht ungekehrt anfangan die Ätzte ganz für blöd/koruppt zu verkaufen. gerade nach underer gesudheitreform vwerschreiben die eher zu wenig als zuviel.
Ich persönllich würde zum Artzt gehen wenn ich dächte es wäre nötig...
Nimm dir sowas bitte zu Herzen...
MutedStoryteller
 

Beitragvon noah » Do. 13.04.2006, 21:39

Also mir haben Medikamente sehr wohl geholfen. Vorher höhrte ich sogar Stimmen, das war kaum erträglich. Mein Leben war ein Alptraum, jetzt lässt es sich aushalten.

Ich habe zwar zugenommen, das nimmt man aber in Kauf um dem Wahnsinn zu entrinnen.
noah
 

Stimmen

Beitragvon Ulli » Di. 18.04.2006, 11:00

Hallo noah,

Stimmen hören ist nicht dem Wahnsinn, sondern dem Bereich der Halluzinationen zuzuordnen. Der Wahnsinn besteht in einer falschen Vorstellung, die von außen nicht mehr korrigierbar ist (z.B. Napoleon).

Wenn es einem selber gut geht, kann man sich zusätzlich die Frage stellen, ob andere Leute Probleme mit einem haben.

Liebe Grüße Ulli
Ulli
 

Medikamente

Beitragvon Ulli » Di. 18.04.2006, 22:25

Hallo Feuerkind,

Danke für Deine Darstellung, die ich sehr gut finde. Ich gehe noch einen kleinen Schritt weiter und bringe es immer auf die etwas griffigere Formel, "Medikamente sollen die Symptome unterdrücken". Du hast aber imo Recht, wenn Du die Wechselwirkung zwischen akuter Symptomunterdrückung und dadurch erst eintretender Therapiefähigkeit für Psychotherapie herausstellst. Bei der Lithiumtherapie ist das wohl nachgewiesen.

Ein Beispiel:
http://www.manic-depressive.de/read.php ... 46&t=68446

Liebe Grüße Ulli
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nur die Liebe zählt.
Ulli
 


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