Wie schlimm ist es wirklich?

Austauschmöglichkeit zum Thema Essstörungen, wie z.b. der Anorexie (Magersucht), Bulimie (Ess-Brechsucht), Binge-Eating-Disorder (Fressanfälle) oder Adipositas (Esssucht), sowie über Ernährung und Essverhalten.

Wichtig: Kein Pro-Ana/-Mia erwünscht!

Wie schlimm ist es wirklich?

Beitragvon Lunatix » So. 01.07.2012, 22:36

Hallo.

Ich schreibe diesen Thread hier, weil ich bezüglich meiner Essstörung eine extrem 'gestörte' Wahrnehmung/Selbsteinschätzung habe und nicht mehr beurteilen kann, ob ich die Grenzen vielleicht längst überschritten habe.
Ich wäre euch daher über Antworten/Ansichten/eigene Erfahrungen sehr dankbar.

Ich habe seit fast 6 Jahren Bulimie, angefangen hat alles mit einer anorektischen Phase.
Innerhalb der ersten drei Monate hatte ich mir 15 Kilo runtergehungert und dann fing es langsam mit den Heißhungerattacken an, woraufhin ich auch das Erbrechen anfing, weil das Gefühl von Essen im Magen einfach unerträglich war.
Ich kam von den Fressanfällen nicht mehr weg, teils erbrach ich bis zu fünfmal am Tag.
Letztes Jahr im Frühling wurde dann die Depression sehr schlimm, ich hatte unter anderem keinen Antrieb und keine Motivation mehr, ich war körperlich ausgelaugt und hatte keine Kraft mehr.
Die Fressanfälle gingen weiter, aber mir fehlte die Kraft zum Erbrechen, wodurch mein Essverhalten eher ins Binge Eating überging. Weil ich mit dem Gefühl, Essen in mir zu haben, aber nicht umgehen konnte, griff ich zu Abführmittel. Einmal, zweimal, regelmäßig, fast nach jedem Essen.
Im Winter schlug dann alles wieder in Richtung Bulimie um und es wurde so schlimm, wie es bisher noch nie war.
Seitdem erbreche ich alles. Selbst wenn es nur ein Schokoriegel oder ein Joghurt ist, alles was in meinem Magen landet, hole ich wieder heraus. Teils erbreche ich sogar meinen Kaffee wieder, weil mir die Milch im Nachhinein eine solche Angst macht. Zusätzlich nehme ich auch noch hin und wieder Abführmittel, wenn ich beim Erbrechen das Gefühl habe, dass nicht ALLES wieder draußen ist.
Zwischendurch gibt es immer wieder diese Hungerphasen, in denen ich bis zu einer ganzen Woche überhaupt nichts esse.

Eigentlich ist die Formulierung, ob ich die Grenzen längst überschritten habe, blöd, weil ich ja im Prinzip bereits mit dem Erbrechen Grenzen überschreite, aber trotzdem stelle ich mir die Frage sehr oft.
Mein Problem ist, dass ich dieses Verhalten selbst nicht einmal als 'schlimm' bezeichnen kann, weil es für mich mittlerweile an einer Art 'Normalität' grenzt. Es ist selbstverständlich, dass ich mir nach dem Essen den Finger in den Hals stecke.

Daher auch der Titel des Threads, wie schlimm ist es wirklich?
Ich weiß es nicht und kann es selbst auch nicht mehr einschätzen, ob es im Sinne der Bulimie nun 'akzeptabel', 'normal' oder 'extrem' ist... ?

LG
Lunatix
Lunatix
 

Re: Wie schlimm ist es wirklich?

Beitragvon InDelirium » So. 01.07.2012, 22:58

Hallo Luna,

also ich denke du steckst da mittendrin in der Esstörung.
Und das Erbrechen ist auf Dauer ja auch sehr schädlich für deinen Körper.
Dann bist du vielleicht dünn aber deine Zähne und die Speiseröhre gehen kaputt, deine Finger sehen nicht mehr schön aus...
Auch die Abführmittel sind auf Dauer sehr schädlich.
Und das Schlimmste ist ja die psychische Belastung die du hast. Dass das Essen quasi dein Feind ist.

Es ist selbstverständlich, dass ich mir nach dem Essen den Finger in den Hals stecke.

Dieser Satz sollte dir schon zeigen, dass du schon weit in der Esstörung bist.

Ich denke, dass du etwas ändern solltest, denn scheinbar bist du auch sehr unglücklich damit.
Hast du jemanden dem du dich anvertrauen kannst?
InDelirium
 

Re: Wie schlimm ist es wirklich?

Beitragvon Minni34 » Mi. 04.07.2012, 21:55

Ich spreche (leider) aus Erfahrung. Hatte erst Magersucht, dann Bulimie. Beides über Jahre hinweg. Heute habe ich es im Griff. Habe aber viele Jahre dafür gebraucht.

Es ist sehr schlimm bei dir, auch wenn du das vielleicht selber so nicht merkst, oder wahrnehmen kannst. Du brauchst Hilfe, bekommst du schon welche?

Ich bin dem Tot gerade noch entkommen, ich lag auf der Intensiv, mein Herz hätte jeden Augenblick stehen bleiben können, weil durch das Übergeben der Kalium Wert zu tief war. Der ist dazu da, das der Herzmuskel aktiv bleibt.

Durch das Übergeben und durch die Abführmittel (habe sie auch genommen) scheidest du wichtige Stoffe aus, die du aber zum Überleben brauchst. Mach dir das immer bewusst. Du spielst mit deinem Leben.

Ich hatte 40 Kilo abgenommen und viele Organe sind im Körper daher runter gerutscht, weil das Fett im Körper zurück ging. Gesund ist das nicht.

Pass gut auf dich auf, und lass dir bitte dringend helfen.
Minni34
 

Re: Wie schlimm ist es wirklich?

Beitragvon Lunatix » Sa. 07.07.2012, 10:38

Hallo ihr beiden,

vielen Dank für eure Antworten.


Und das Schlimmste ist ja die psychische Belastung die du hast. Dass das Essen quasi dein Feind ist.


Das stimmt schon, wobei die eigentliche Belastung eher mit meiner Mutter zusammenhängt (ich wohne noch bei ihr zuhause). Sie weiß das alles nicht und die Heimlichtuerei glaube ich ist das, was mich unter anderem am allermeisten belastet, weil sie eben immer mit der panischen Angst verbunden ist - was, wenn meine Mutter mir dahinterkommt.
Wie sollte ich ihr erklären, dass ich ihr seit fast 6 Jahren etwas vorspiele und sie mich eigentlich gar nicht richtig kennt.


Hast du jemanden dem du dich anvertrauen kannst?

Du brauchst Hilfe, bekommst du schon welche?


Ich bin zur Zeit noch in ambulanter Behandlung, habe aber nächste Woche einen Termin zum Vorgespräch in einer Klinik. Und ich hoffe, dass das dann alles recht schnell über die Bühne geht mit Wartezeit, Aufnahme, etc.

Ich spreche (leider) aus Erfahrung. Hatte erst Magersucht, dann Bulimie. Beides über Jahre hinweg. Heute habe ich es im Griff. Habe aber viele Jahre dafür gebraucht.


Das klingt wirklich schlimm, was du geschrieben hast.
Kannst du mittlerweile wieder 'normal' essen? Oder sind Teile der Essstörung, hauptsächlich bezüglich der Gedankengänge, immer noch irgendwo im Hinterkopf verankert?

LG
Lunatix
Lunatix
 

Re: Wie schlimm ist es wirklich?

Beitragvon Seelenschmerz » Sa. 07.07.2012, 12:39

Hallo Lunatix,

ich leide seit 30 Jahren unter Magersucht(Anorexia nercvosa), habe es aber mit etlichen ambulanten und stationären Therapien ganz Gut im Griff. Sicher sind die Gedanken ums Essen immer nochmal da, aber ich kann damit jetzt besser umgehn.

Mit deiner Wahrnehmung hast Du Recht, Essgestörte haben ein verschobenes Selbstbild Ihrem Körper gegenüber, und das ist das fatale daran.
Aus deinem Schreiben Lese ich, das Du mitten drin bist in einer Essstörung, und das diese möglichst schnell behandelt werden muss.
Du schreibst, das Du ambulant in Therapie bist, hast Du das Gefühl es bringt Dich weiter?
Das mit der Klinik finde ich in deinem Fall die beste Option. Dort kannst Du Lernen deinen Körper wieder richtig Wahr zu nehmen, und dein Essverhalten anders zu Gestalten.
Wünsch Dir viel Kraft für deinen Weg, und die Ausdauer die Du brauchst.
Seelenschmerz
 

Re: Wie schlimm ist es wirklich?

Beitragvon Minni34 » Sa. 07.07.2012, 22:33

@Hallo Lunatix,

meine Gedankengänge sind eingentlich normal mit der Zeit geworden. War aber auch ein harter Weg. Ich schaue mich auch im Spiegel an, aber eher um zu sehen das ich nicht wieder abgenommen habe. Ich habe langsam ein normales Gewicht erreicht, wobei 5 Kilo mehr das Optimal Gewicht wäre. Aber ich war für meine Größe schon heftig untergewichtig. So weit, das die Kliniken einen schon gar nicht mehr aufnehmen, sondern erst mal ins Krankenhaus schicken um Ernähert zu werden, hatte mich dazu aber freiwillig entschieden. Und bekam so 5 Kilo drauf und wurde dann in einer Eß-Klinik aufgenommen, in Roseneck, wenn es jemanden was sagt. Dort habe ich dann weitere 8 Kilo zugenommen, und den rest dann alleine daheim.

Du kannst es auch schaffen, aber besser mit Hilfe. Damit alle Probleme aufgearbeitet werden können. Das ist wichtig.
Minni34
 


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