Meine Süchte

Es geht hier sowohl um stoffgebundene Süchte und Abhängigkeiten (wie Alkohol- und Drogenmissbrauch) und nicht-stoffgebundene Süchte wie Verhaltenssüchte (z.B. Internetsucht, Kaufsucht, Spielsucht etc.), als auch um Zwangsstörungen (Zwangshandlungen und Zwangsgedanken/-ideen).

Meine Süchte

Beitragvon Richi » So. 28.02.2016, 09:02

Hallo
Bei diesem Thema entwickele ich sofort eine gewisse Angst, denn ich habe es während meiner Therapie, dabei meine ich vor allem die Zeiten der Gruppentherapie, schon einige Male versucht anzusprechen. Leider habe ich dann eher das Gefühl gehabt, etwas schief angekuckt zu werden. Ich sehe mich dadurch aber nicht als schlechten Menschen. Für mich hat es auch nichts mit einer wirklichen Schwähe zu tun, denn wer mich kennt, weiß, welche Energie ich aufbringen kann und welche Stärken ich habe. Es ist für mich der Ausdruck größter Verzweifelung. Ich wußte mir teilweise nicht anders zu helfen. Die Gedanken und Emotionen, die in mir wüteten, waren und sind oft nicht auszuhalten. Ich rede hier nicht von ein Paar schlechten Tagen, sondern eher von Jahren der Verzweifelung. Da ich mir keine Hilfe von außen holen konnte, dazu war ich nicht in der Lage, kam bei mir irgendwann der Zeitpunk, wo ich in Kontakt mit dem Alkohol gekommen bin. Ich muß hier niemanden etwas vor machen, ich war von der Wirkung sehr schnell begeistert,genau danach hatte ich schon so lange "gesucht". Die negativen Auswirkungen, Momente, in denen ich mich lächerlich gemacht habe, waren mir egal. Der Alkohol wurde zu meinem langjährigen Begleiter. Der Umgang war teilweise so schlecht, daß er mich fast das eine oder andere Mal fast in die Klinik gebracht hätte, doch auch dass war mir egal. Das sich alles in meinem Kopf dadurch vnur erschlimmert hatte, wollte ich nicht erkennend und wahrhaben.
Ich hatte das große Glück, jederzeit damit aufhören zu können. Nie waren meine Gedanken an diesen Stoff so gefesselt, daß er meine ganze Aufmerksamkeit hatte. Eine wirkliche körperliche Sucht hatte sich nie entwickelt, es war für mich nie ein Problem, tagelang ohne Alkohol zu leben. Nur wenn es mich erwischt hatte, dann war mein Konsum fast lebensgefährlich bzw. sehr gesundheitsschädlich. Heute schaue ich zurück und bin über mich selber etwas entsetzt. Diese Erfahrungen werden mich ein Leben lang begleiten. Auch Rückfälle kann es immer wieder geben.
Zu dem Thema Drogenkonsum kann ich nur sgan, daß ich nach kurzer Zeit sehr schnell wußte, daß es nichts für mich ist, die Veränderungen meiner Persönlichkeit, in so kurzer Zeit, haben mir Angst gemacht. Ich war mir sicher, daß ich davon wahrscheinlich nur sehr schwer wegkommen werde, dass wollte ich mir ersparen.
Leider habe ich auch Phasen einer Spielsucht entwickelt. Die Spielautomaten wurden zu einem guten Freund. Glück und Unglück lagen hier so dicht nebeneinander und mit jeder Umdrehung der Walzen, hoffte ich auf eine Belohnung, mit den entsprechenden Glücksmomenten. Ich bin so froh, daß es nur eine kurze Phase in meinem Leben war. Doch auch heute noch ist es ein komisches Gefühl, an einem Automaten vorbei zu gehen. Zur Zeit bin ich stärker.
Auch die Nikotinsucht konnte ich lange nicht sein lassen. Doch nach 28 Jahren kam plötzlich der Entschluß, von heute auf morgen, damit aufzuhören. Die ersten Monate waren manchmal schwierig, doch seit knapp 18 Monaten brauchte ich keine Zigarette mehr.
Zum Schluß muß ich noch sagen, daß auch mein TV- Konsum eher die Züge einer Sucht hat. Immer wenn es mir besonders schlecht geht, kann ich in der virtuellen Welt versinken. Manchmal läuft der Fernsher rund um die Uhr. Er ist zu meinem besten "Freund" geworden, über den ich mit der Fernbedienug Kontrolle habe. Besonders in den Zeiten, in denen der Fernseher defekt war. habe ich gesehen, wie sehr ich ihn brauche, bis ich mich wieder mit anderen Dingen beschäftigen konnte, dauerte es aber nicht lange. Der starke Fersehkonsum verändert etwas in meinem Gehirn. Irgendwie betäubt er mich auch und manchmal bekomme ich das Gefühl, als wenn ich Watte im Kopf hätte. Komplizierte Gedankengänge werden für mich schwieriger, doch das brauche ich manchmal. Es ist eine Flucht in eine "künstliche" Welt. Machmal kommt es mir so vor, als wenn bei mir eine leichte "Verblödung" einsetzen würde. Doch meine Person ist nach einer kurzer Zeit immer in der Lage gewesen, eine totale Kehrtwende zu machen. Ich bin dann wieder ganz bei mir und in meiner Realität, die mir überhaupt nicht gefällt. Die Verlockung der schönen virtuellen Welt ist für mich sehr groß. Ich kann so in etwas "eintauchen", daß ich in meiner Realität nur schwer oder gar nicht erreichen kann.
Mit der Benutzung des Internet muß ich wohl sehr vorsichtig sein. Auch diese Welt scheint mich, in ihren Bann ziehen zu können.
Danke für Euer Interesse
Ein Beitrag von Richi
Richi
 

Re: Meine Süchte

Beitragvon Morgan » So. 28.02.2016, 20:32

Hallo Richi,

was soll ich sagen?
Du hast Deine Flucht gut beschrieben.
Vieles von dem, was Du schreibst, ist mir vertraut.
Alkohol (nicht an Lebenszeit so lange, doch wenn, dann oft lebensgefährlich, körperlich war ich auch nie abhängig davon), Spielen hat mich nur bedingt gereizt, ich spielte maximal um 30 Pfennige. Kiffen, bis ich merkte, ich werde seelisch abhängig, dann hörte ich ein für alle mal damit auf, Zigaretten 16 Jahre lang, bis ich damit fertig war und der Kreis sich von meiner letzten hin zu meiner ersten Zigarette schloß. Fernsehen seit ca. drei Jahre nicht mehr, Kino: Star Wars VII war mein letzter Film, weil auch damit sich ein Kreis schloß, denn der erste Teil davon war mein erster Kinofilm. Internet nutze ich nur noch und werde davon nicht mehr benutzt.
Gestern Abend habe ich seit langer Zeit mal wieder eine DVD mir angeschaut. Dabei stellte ich danach fest (es war kein großartiger Actionfilm, freigegeben ab 12 Jahren), ich war aggressiv und wie. Damit hatte ich entschieden, dies war der letzte DVD-Film, denn diese Art der Aggression will ich nicht mehr in mir spüren, da dies immer Auswirklungen hat.

Ich finde es gut, daß Du all dies im Griff hast. Respekt!

HG Morgan
Morgan
 

Re: Meine Süchte

Beitragvon Richi » So. 28.02.2016, 20:37

Hallo Morgan
Danke!!
Viele Grüße von Richi
Richi
 

Re: Meine Süchte

Beitragvon Ruby » Mo. 29.02.2016, 08:53

Hallo lieber Richi,

ich bin ja ebenfalls ein ziemlicher Suchtbolzen. Ob nun bei Substanz- beziehungsweise Drogenmissbrauch, oder von meinem ganz allgemeinen Konsumverhalten her gesehen, dass ich diesbezüglich nur schlecht kontrollieren kann. Wenn mich etwas interessiert, anmacht oder fesselt, kann ich es kaum mehr in Maßen genießen. Dann sauge ich es förmlich in mich herein. Es geht dann immer elend lange, bis ich das jeweils erkenne und gescheit entgegen steuern kann.

Am besten geht es dann jeweils davon loszukommen, wenn ich von etwas irgendwann regelrecht überdrüßig, angeekelt oder abgestoßen bin. So zum Beispiel vom TV gucken. Es gab Zeiten, da lief bei mir die Glotze bereits vormittags, beziehungsweise den ganzen Tag hindurch bis in die frühen Morgenstunden hinein. Doch mittlerweile bin ich von dem schrottigen Programm, das man auf den vielen Kanälen hoch und runter findet, so dermaßen angewidert, dass es mir relativ leicht fiel, diese Konsumverhaltensweise zu ändern.

Als Ersatz dazu ist nun sicherlich das Internet hinzu gekommen, bei dem ich mein Verhalten bezüglich Dauer und Häufigkeit nicht minder schlecht kontrollieren kann. Ähnlich wie früher beim Fernseh gucken. Am Morgen geht der PC an, vor dem zu Bett gehen wird er wieder ausgeschalten. Jedoch hat sich mein Konsumverhalten bereits ein bisschen geändert. So war ich früher hauptsächlich reiner Konsument des Internets, habe also hauptsächlich nur herum gesurft und alles einfach stumpf in mich herein gesaugt. Heutzutage beteilige ich mich jedoch auch aktiv darin, wir zum Beispiel in diesem Forum hier. Oder ich habe auch schon mal eine Zeit lang einen eigenen Blog geschrieben. Das hat richtig Spaß gemacht und war auch irgendwie sinnvoll. Wie schon fast ein Tagebuch. Das ermöglichte mir dann zumindest, einige soziale Kontakte zu knüpfen, die ich ohne Internet zuvor nicht hatte.

Sobald ich also nicht nur konsumiere, sondern mich auch aktiv darin beteiligen kann und es nebsther sogar irgendwie zu einer ehrlichen Verbesserung meiner Situation beiträgt, wird es, zumindest für mich, auch automatisch schon einiges sinnvoller. Die häufige, rege Beteiligung in diesem Forum hier könnte zum Beispiel durchaus auch einen therapeutischen Nutzen mit sich bringen. Bei mir tut es das manchmal. Bei Dir ja sicherlich auch.

Auf Spielsucht würde sich das natürlich nicht übertragen lassen. Egal wie hoch die Gewinnversprechungen sind, man bleibt schlussendlich immer irgendwie der Verlierer. Es ist wie eine Drogensucht. Die Erwartung auf einen möglichen Gewinn schüttet im Gehirn eine erhöhte Dosis des Glückshormons Dopamin aus. Das beschert dem Spieler dann diesen Kick. Und davon kann man dann richtig süchtig werden. Ähnlich wie bei Drogen. Nur dass man diesen Dopaminschub im Prinzip auch gänzlich umsonst haben könnte, also dafür kein Geld fürs Spielen ausgeben müsste. Denn eine erhöhte Dopaminausschüttung kann auch durch exsessiven Sport erreicht werden. Oder sogar über Schmerzen, wobei ich diesen Hinweis besser nicht näher ausführe, damit ich nicht in Gefahr laufe, eine Methodendiskussion zu beginnnen.

Ganz lieben Gruß
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Re: Meine Süchte

Beitragvon Richi » Mo. 29.02.2016, 19:25

Hallo Ruby,
danke für die Rückmeldung. Leider gibt es wohl zu viele "Verlockungen" in unserer modernen Welt. Aus eher harmlosen Anfängen können schnell dramatische Folgen entstehen. Wann der eigentliche Kontrollverlust einsetzt, ist für den Betroffenen gar nicht so leicht, zu erkennen.
Vielleicht will man es auch gar nicht wahr haben, auch wenn man von seinem Umfeld darauf hingewiesen wird. Ich war früher oft überzeugt, alles unter Kontrolle zu haben, was so natürlich nicht stimmte. Durch diese Überzeugung habe ich den einen oder anderen Streit ausgelöst. Ich wollte nicht sehen, daß man mir eigentlich nur helfen wollte. doch ich habe auf niemanden gehört.
Ich glaube, ich gehöre zu den Personen, die erst ganz heftig auf die Nase fallen müssen, bevor es eine Bereitschaft zur Veränderung gibt. Der einfache Weg scheint einfach, zu langweilig zu sein. Ohne Leiden geht es wohl nicht.
Ich glaube, ich wollte einfach manchmal nur die Leere in mir ausfüllen. Aber es gab auch Situationen, da waren die zerstörerischen Gedanken, einfach nicht mehr auszuhalten. Manchmal war ich über 30 Stunden unterwegs, bis ich endlich genug hatte und ich den Druck nicht mehr spüren konnte. Doch wirklich weiter gebracht, hat es mich nicht. Meine gesamte Lebenssituation wurde nur noch schlimmer. Heute weiß ich, ich habe mir nur etwas vorgemacht. Dass, was ich gesucht habe, konnte ich nie finden.
Heute habe ich mich besser im Griff, doch ob es immer so mit mir weitergeht, da bin ich ehrlich, kann ich nicht sagen. Zu tief haben sich die Spuren in mein Gedächtnis eingebrannt und zu groß kann die gefühlte Verzweifelung sein. Ich bin froh, daß ich durch die Therapie viel von meinem Druck abgeben kann.
Viele Grüße von Richi
Richi
 

Re: Meine Süchte

Beitragvon cats47 » Mo. 29.02.2016, 19:34

Das Thema Sucht das ist mir auch sehr vertraut. Bin seit über 25 Jahren alkoholabhängig.
Länger als maximal ein paar Monate trocken zu bleiben schaffe ich nicht.
Süchtig nach Gummibärchen. Davon kann ich Unmengen in mich reinstopfen bis es mir
fast schlecht wird.
Kaufsüchtig. Wenn es mir schlecht geht, ich einsam bin, mich langweile ist die Versuchung
zu Kauforgien auf Ebay ständig da. Internet geht auch schon in Richtung Sucht.
Wenn ich zuhause bin läuft der Computer den ganzen Tag.
Versuche alles um vor mir wegzulaufen, mich nicht fühlen und spüren zu müssen.
Nutzt nur leider wenig.
cats47
 

Re: Meine Süchte

Beitragvon Richi » Mo. 29.02.2016, 20:36

Hallo cats47
Ich habe durch meine jahrelange, psychische Erkrankung viele Personen getroffen, denen es ähnlich geht. Wir sind nicht die einzigen, die so mit sich umgehen. Viele Geschichten hören sich ähnlich an. Seit meinem 17 Lebensjahr habe ich einen schlechten Umgang mit dem Alkohol. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich mich schon lächerlich gemacht habe. Selbst die Vorwürfe, die ich mir immer am folgenden Tag gemacht habe, haben mich nicht abgehalten, immer weiter zu machen. Was ich Unterwegs alles schlimmes erlebt habe, ist ein Kapitel für sich. Richtig aufgewacht bin ich erst, als ich fast in eine Entzugsklinik eingewiesen werden sollte.
Ich brauchte auch nicht täglich, Alkohol zu trinken, doch wenn es einmal wieder so weit war, gab es oft kein Halten mehr. Manchmal habe ich mich nicht mehr wiedererkannt. Ich war mir selber fremd geworden. Nur durch Glück habe ich meine Gesundheit nicht völlig kaputt gemacht.
Leider kann man vor sich nicht weglaufen. Ich habe mir viel zu oft eine Scheinwelt aufgebaut, um die Einsamkeit und Traurigkeit nicht ertragen zu müssen. Es hat aber nicht wirklich geholfen. Als es ganz schlimm bei mir war, da wollten sebst meine letzten Bekannten, nichts mehr mit mir zu tun haben.
Das mit dem Fühlen und Spüren kenne ich auch. Selbst wenn der Anfang ganz gut war, so war das Ende oft sehr schlecht. Wie oft ist bei mir die Stimmung gekippt und ich hatte keine Kontrolle mehr.
Doch aus heutiger Sicht weiß ich, daß es sich für mich auch lohnen kann, dagegen anzugehen.
Vielleicht findest Du auch einen Weg für Dich.
Viele Grüße von Richi
Richi
 

Re: Meine Süchte

Beitragvon Richi » Di. 01.03.2016, 06:46

Hallo
Zu dem Thema Süchte muß ich noch hinzufügen, daß ich z.B. durch den Alkohol zum Teil auch versucht habe, mich zu zerstören. Der Gedanke ist mir oft gekommen und es war mir egal. Doch der Körper ist sehr widerstandsfähig und es ist ein schlechter Weg. Ich bin durch meine Erkrankung auf Menschen getroffen, die sich ihr Gehirn für immer kaputt gesoffen haben, da will ich nicht hin. So ein Leben zu führen, wäre der reinste Alptraum für mich. Niemand kann genau sagen, ab welcher Menge oder ab welcher Dauer des Konsums eine dauerhafte Schädigung eintritt. Das hat mir, zusätzlich zu denken gegeben.
Von Richi
Richi
 

Re: Meine Süchte

Beitragvon Ruby » Mi. 02.03.2016, 04:42

Richi hat geschrieben:Niemand kann genau sagen, ab welcher Menge oder ab welcher Dauer des Konsums eine dauerhafte Schädigung eintritt. Das hat mir, zusätzlich zu denken gegeben.
Von Richi

Wahrscheinlich ist das bei jeder Droge so, egal, wie ungefährlich sie am Anfang daher kommt.
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