Angstzustände nach schwerem Verkehrsunfall / Stress

Thematik dieses Forums: Dissoziationen wie Depersonalisation, Derealisation und andere dissoziative Zustände sowie Traumata und ihre möglichen Folgen, so wie u.a. auch die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), die akute Belastungsreaktion oder die Dissoziative Identitätsstörung (DIS) bzw. Multiple Persönlichkeitsstörung (MPS).

Angstzustände nach schwerem Verkehrsunfall / Stress

Beitragvon Dirk3020 » Di. 27.01.2015, 21:16

Hallo zusammen,

ich bin eigentlich kein Mensch, der seinen Kummer und Ängste in irgendwelchen Foren breittritt oder Aufmerksamkeit sucht. Aber eine Situation am heutigen Tag auf Arbeit hat mich aktuell an meine äußersten Belastungsgrenzen - körperlich als auch geistig gebracht. Ich suche daher einen Rat, wohin ich mich wenden kann bzw welchen Weg ich einschlagen sollte, denn sicher ist eins - so kann es nicht weitergehen. Daher würde ich gern meine Geschichte einmal niederschreiben. Ich habe privat das Gefühl, dass mich niemand versteht oder meine Situation nicht wirklich wahrgenommen und belächelt wird. Oft wurde mir gesagt: Steiger dich nicht so rein! Das ist der Grund, dass ich nun an anderer Stelle nach Hilfe und Rat suche.

Zu meiner Vorgeschichte:
Ich bin mittlerweile 32 Jahre alt. Meine Kindheit war insgesamt gut, bis zur Trennung meiner Eltern. Das war eine schwere Zeit für mich, ich war damals 16 und habe mehr an meinem Vater - als ein meiner Mutter gehangen (Papakind halt). Mein Vater zog damals aus zu seiner Lebensgefährtin. Ich rutschte damals in die Skinhead Szene ab, steckte tief in der scheisse, hab aber alles in den Griff bekommen - mittlerweile bin ich auch "normal" und erwachsen geworden. Meine Ausbildung habe ich abgeschlossen, einen Beruf gelernt und lebe jetzt mit meiner Freundin und meinen 2 Kindern in einem Haus. Schön werden sich einige denken, dann ist doch alles super...

Als ich 17 war, schwänzte ich die Berufsschule wegen einer sozialkundearbeit. Ich hasste diesen Lehrer und er hasste mich (ich skinhead - er "alternativ" und weltoffen). Nunja, ich wollte die Zeit nutzen, es war Sommer - tolles Wetter und Freitag. Ich fuhr mit der Bahn zu meinem Vater und seiner Lebensgefährtin - wir wollten zusammen auf unser Wochenendgrundstück fahren, ca 30 km entfernt. Zusammen mit den Kindern der Lebensgefährtin (11 und 14 Jahre) zwängten wir uns ins Auto und fuhren los. Doch wir kamen nie an, denn auf der Autobahn gerieten wir ins schleudern, überschlugen uns mehrfach und rutschten fast ungebremst mit ca 100kmh in eine Baumgruppe.

Ca 30min später wurde ich in diesem Wrack wach, ich saß hinten in der Mitte. Meine Beine waren eingeklemmt, ich konnte mich nicht bewegen. Überall Scherben, ich roch Benzin. Halb auf mir lag der Sohn der neben mir saß. Die Tochter war nicht mehr im Fahrzeug . Das Auto lag auf Dach, der vordere Bereich war eingedrückt - so dass es mir die Sicht völlig in die fahrgastzelle versperrte. Ich bekam Panik und schrie nach meinem Vater und hatte irrsinnige Angst im Wrack zu verbrennen falls es Feuer fängt durch das ganze Benzin.

Ich hörte kettensägen, Sirenen und Ersthelfer reden. Der Sohn war nicht ansprechbar und gab nur stöhnende laute von sich. Gefühlt eine Stunde später sprach ein Rettungshelfer mit mir, ich erinnere mich kaum an das genaue Gespräch. Ich hörte dass einer der Helfer oder Ärzte von Amputation sprach. Das machte mir nochmehr angst. Schließlich ließ die Angst nach und ich merkte, dass ich heftigst am Kopf Blute und drückte meine Hand auf die Wunde. Ich wurde müde und auch Gleichgültigkeit setzte ein. Dann war die Feuerwehr und Helfer da, die mich aus dem Wrack geschnitten haben und mich schließlich auf die trage gelegt. Dort sah ich dann das Ausmaß meiner Verletzungen. Meine Unterschenkel waren beide gebrochen und hingen förmlich geknickt auf der trage. Mein Oberschenkelknochen schaute Mindestens 10cm aus der Hose, dann wurde ich bewusstlos und wurde nach einer Woche künstlichem Koma im Krankenhaus wach. Mein Vater überlebte, der Sohn der Lebensgefährtin auch - die Tochter verstarb 3 Tage später an schweren hirnblutungen, seine Lebensgefährtin war sofort nach dem Aufprall gestorben.

Ich könnte hier noch endlos weiterschreiben über dieses Erlebnis. Nach fast 3 Jahren nach zahlreichen OPs und Rehas und Wiedereingliederung konnte ich meinen Beruf als damals verkäufer wieder ausführen.

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Die panische Angst wieder in ein Auto zu steigen, hatte ich auch recht schnell überwunden. Habe selbst ein Führerschein, fahre auch gerne mal zügig - alles kein Problem. Jedoch habe ich auch Jahre später immer wiederkehrende Angstzustände. Insbesondere wenn ich in einem Auto mitfahre. Letztens saß ich wieder hinten in der Mitte und mir wurde kotzübel und panikattacken überkamen mich.

Ich war nie in psychologischer Behandlung, obwohl mich diese panikattacken immer wieder mal überkamen. Später kamen Albträume dazu. Immer wieder dasselbe. Nicht direkt der Unfallhergang - an diesen erinnere ich mich auch nicht, sondern dieses schleudern im Auto und die schrecklichen Geräusche. Das knacken von den Ästen und das Rauschen von den Blättern kurz bzw. Genau während des Aufpralls. Seltener kommt es vor, dass ich bei bestimmten Geräuschen kurze aber ziemlich intensive Panik verspüre. Es ist wie ein kurzer und heftiger Gedankenblitz der genauso schnell wieder verschwindet. Nach den Albträumen wurde ich meist wach, und mir war kotzübel.

Das ganze verschwand auch und hat mich fast 2 Jahre gar nicht mehr verfolgt. Ganz selten mal wieder Albträume vom Schleudern und den schrecklichen Geräuschen, aber die Intensität Klang ab. Aktuell habe ich jedoch einen sehr stressigen Job der mich extrem psychisch belastet. Ein bürojob. Jetzt war ein Mitarbeiterjahresgespräch, vor dem ich wirklich enorme Panik hatte. Schon Tage zuvor. Dieser ganze Stress hat mich kaum schlafen lassen. Und es passierte wieder. Diese schrecklichen Träume kommen zurück, wieder dieses schleudern, das krachen und knacken. Ich wache panikartig auf und schlafe nur noch etappenweise . Wache alle 1-2 Stunden auf und habe teilweise Angst danach wieder einzuschlafen. Heute im Gespräch mit meinem Chef bin ich in Tränen ausgebrochen weil mich alles so dermaßen belastet hat. Alles. Beruf, Albträume, Schlafmangel, Stress . Habe mich heute Morgen vor dem Gespräch Zig mal übergeben.

Ich bin eigentlich nicht so und war erschrocken vor mir selber, ich breche sonst vor fremden nie in Tränen aus. Das war mir irrsinnig peinlich und habe mich aber recht schnell wieder gefangen ... Das Gespräch wurde dann auch abgebrochen und Soll wiederholt werden wenn es mir besser geht.

Ich habe Angst und weiß ehrlich gesagt nicht wie ich mich verhalten soll, an wen kann ich mich dazu nur wenden? Ich habe das Gefühl ich brauche nun wirklich psychologische Hilfe. Jetzt sind aber schon fast 15 Jahre seit meinem Unfall vergangen. Ist das normal dass sowas nach so langer Zeit noch Auftritt? Ich habe auch Panik als Simulant hingestellt zu werden. Wem vertraue ich mich an? Meinem Hausarzt? Und vorallem wie geht es dann weiter?

Über Antworten wäre ich sehr dankbar .

Vg
Dirk
Dirk3020
 

Re: Angstzustände nach schwerem Verkehrsunfall / Stress

Beitragvon Kleiner Elefant » Fr. 30.01.2015, 01:12

Hallo Dirk,

es ist okay, nach der langen Zeit therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Vielleicht warst Du vorher noch nicht bereit dafür?
Vielleicht kannst Du es erst jetzt aushalten?

Wenn es schnell beginnen soll, könntest Du Dich zuerst an die Beratungsstelle wenden. Die können Dir helfen, einen niedergelassenen Therapeuten zu finden, sind aber schon für Dich da.
Du rufst da einfach an oder schickst eine Mail. Da das über Stadt/Kirche läuft, zahlt die Krankenkasse nichts und Du musst nicht gleich in den Bürokratiedschungel.

Ich wünsche Dir alles Gute.
Kleiner Elefant
 

Re: Angstzustände nach schwerem Verkehrsunfall / Stress

Beitragvon EwigeMutter » Fr. 30.01.2015, 15:10

In größeren Städten gibt es häufig auch sog. Kriseninterventionszentren, oft in Krankenhäusern oder psychatrischen Kliniken.
Da kann man meist einfach sofort hingehen,wenn man ganz verzweifelt ist....
Ansonsten ist der Hausarzt die erste Anlaufstelle....er kann Dich an einen Therapeuten verweisen.Leider ist die Situation so,dass man als Kassenpatient sehr lange auf solch eine Therapie warten muss.
Wenn Du es Dir leisten kannst,kannst Du aber auch privat zahlen....das ist allerdings recht kostspielig.

Die Familienberatungsstellen haben meist schneller Termine frei.Ich wartete knapp zwei Wochen auf einen Termin.Ich war bei einer Beratungsstelle der evangelischen Kirche und fühlte mich sehr gut aufgehoben.Dort arbeiten auch ausgebildete Psychologen.
Adressen findest Du im internet....Einfach "Beratungsstelle" und die nächst größere Stadt eingeben.

Du hast Diesen Unfall bis jetzt noch nicht verarbeitet, in Deinem Gehirn werden durch bestimmte Situationen und Sinneseindrücke (Trigger) immer wieder diese traumatischen Bilder und Geräusche "hochgeholt",die dann zu Panik führen.
Das kann man aber mit einer Therapie in den Griff bekommen!

Ich wünsche Dir, dass Du das bald in Angriff nehmen kannst!
EwigeMutter
 

Re: Angstzustände nach schwerem Verkehrsunfall / Stress

Beitragvon dennis... » Di. 03.02.2015, 18:27

Hallo Dirk,

mein Name ist Dennis. Ich bin Student des Pollizeivollzugsdienst. Ich schreibe derzeit eine Hausarbeit zum Thema "Trauma(Angstzustände) und deren Außenwirkungen" aufgetreten durch Verkehrsunfälle. Ich habe mir deine Geschichte durchgelesen und mich hat das echt bewegt.

Da ich die Arbeit auf etwas stützen möchte, würde es mir ungemein weiterhelfen, wenn du bereit wärst mir vielleicht nochmal deine Eindrücke vom Erlebten aufzuschreiben und einen Fragebogen, den ich erstellt habe, zu beantworten. Dieser Fragebogen enthält aber eher Leitfragen.

Ich würde das wirklich zu schätzen wissen, wenn du dabei wärst, denn dann kann ich einen Vergleich aufstellen zwischen dem, was Bücher sagen und dem was du sagst (also wie es in Wirklichkeit aussieht).

Ich würde mich freuen wenn wir in Kontakt kommen. Melde dich doch einfach unter D-Sonstiges@web.de

Das ist natürlich alles anonym und via E-Mail.

Ganz liebe Grüße und gute Besserung auf jeden Fall.

Mfg,
Dennis
dennis...
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