Chronische PTBS *Trigger!!!*

Thematik dieses Forums: Dissoziationen wie Depersonalisation, Derealisation und andere dissoziative Zustände sowie Traumata und ihre möglichen Folgen, so wie u.a. auch die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), die akute Belastungsreaktion oder die Dissoziative Identitätsstörung (DIS) bzw. Multiple Persönlichkeitsstörung (MPS).

Chronische PTBS *Trigger!!!*

Beitragvon Seelenvogel » Do. 16.10.2014, 17:41

*Hallo, ich hab erst jetzt gesehen, dass eine Untergruppe: PTBS gibt. Daher hier noch mal meine Geschichte:


Hallo,
Ich wollte euch meine Geschichte schreiben: es tut vielleicht gut, Leute zu finden, die einen verstehen (können)?!
Ich bin 38, w, und hab ne PTBS. Ich wurde nicht von Familienangehörigen missbraucht, obwohl meine Mutter hat mich emotional sehr stark vernachlässigt.

Jetzt trigger*

Mit 10 J wurde ich von (mindestens?) einem jungen Mann im Urlaub in Kroatien vergew. (wahrscheinlich entführt, weil ich noch eine kleinen Erinnerung an einen gewaltsamen Akt in Erinnerung habe) und schwer gefoltert mit einer Peitsche. Erinnerungen hab ich daran nur kurz vorher und danach als das Blut an meinen Beinen und auf dem Rücken runter lief bzw wegen der starken Schmerzen. Aber die Erinnerungen kamen später mit den Jahren, die Narben haben mich immer begleitet, auch die komischen Fragen der anderen - ich habe alles abgespalten und immer gesagt "ich weiß nicht wovon Du spricht [Narben?]!"

Der Typ blieb natürlich angefasst, weil mein Vater (bitte keine Diskussionen darüber!) nicht den Mut hatte zur Polizei zu gehen. Er war mit mir alleine im Urlaub auf diesen kroatischen Insel. Wir waren beide die perfekten Opfter.

Mein Vater macht sich schwere Schuldgefühle, weil ich mit dem jungen Mann ca 16-18 Jahre, der uns im Urlaub angesprochen hatte, einen Nachmittag verbringen durfte. Er hat jetzt auch Symptome einer PTBS...aber redet darüber nicht. Ich hab einen Bruder, der damals im selben Alter war und mein Vater fand (fälschlicherweise!) Nix schlimmes daran... War leider eine Fehleinschätzung.

Danach hatte ich schwere Verhaltensauffälligkeiten gehabt (Schlafstörungen, Ängste, Selbstmord-Gedanken, nur schlafen mit Licht an und offener Tür, schlafen mit offenen Augen usw). Und niemand hat mich behandelt oder psychologisch betreutet. Ich habe kein anderen Familienangehörigen ausser meine Mutter, die mich vernachlässigt hat und mein Vater, der als manager extrem viel arbeitete und nie zuhause war. Keine Großeltern, keine Tanten/ Onkel etc. [lange Familientragödie!]

Dann bin ich mit 18 Jahren einem gesuchten Serienverg.-wurde in der Zeitung gesucht hatte schon 3 Frauen vergew., am Rand der Baumschulen, wo wir wohnten, entkommen (hab mich massiv gewehrt als er mich mit geöffneter Hose zu Boden werfen wollte), mit 19 Jahren dann ein Raubüberfall in Mexiko und schlussendlich mit 21 J. eine weitere Verge. (Date rape) nach Hoteldisco-Besuch (in dem ich gewohnt habe) hinter dem Hotel am Rand der Wildnis auf Fuerteventura, Kanaren.
Ich hatte nix mit dem Mann (kein küssen, kein Alkohol getrunken), er hatte mich eingeladen zu einer Bar zu gehen. Der Mann war Kellner im Hotel und sehr beliebt bei den Frauen, ich dachte mir daher nix dabei.

Wie dem auch sei: nach der V. mit 21 hatte ich sofort starke unspezifische PTBS- Symptome (leichte Symptome hatte ich schon vorher und v.a. nach dem Raubüberfall in Mexiko) und habe noch 3 Jahre meine Ausbildung gemacht -mit extremer Kraftaufwendung bei allen den Schlafstörungen, Ohnmachtsanfällen bei Prüfungsstress usw (hatte ich vorher nicht). Ich hatte damals keine Erinnerung an die letzte Verge. (sofort verdrängt), aber massive unspezifische Angst-Alpträume. Dann ca 3-4 Jahre mit 25 Jahren kam plötzlich alles hoch und ich habe seitdem bis auf 1.5 Jahren zwischendurch nicht mehr gearbeitet, später vor genau 10 Jahren noch eine berufliche Reha.

Meine einzige normale Sexualität hatte ich mit 20 (mein erstes mal) kurz vor der letzten Vergew. mit 21 J. und nach der V mit 21 J. nie mehr - direkt danach hatte ich noch ca. 1,5 Std. ne Beziehung - aber ständig Weinkrämpfe nach dem Sex, die ich mir nicht erklären könnte.
Dann 3-4 Jahre später mit ca. 25 ist die Vergew. mit 21 hoch gekommen. Ich wusste ab dem Moment, dass ich ein schwerwiegendes psychisches Problem hatte.

Später im Laufe der Psychotherapie ist die Teil-Erinnerung an die Sache mit 10 J. auch noch hochgekommen (in Aspekten. mehr will ich gar nicht erinneren, weil es mich kaputt machen würde).
Die massiven - ich nenne sie- Folternarben mit der Peitsche wurden in der Rechtsmedizin in einem Universitätsklinikum bestätigt und "sie seien schwer vernarbt und man sehe, dass sie medizinisch nicht versorgt wurden". Sie sind ca. 20 Stück im schnitt 10-12 cm lang und ca bis zu 8-10 mm breit, von der Mitte des Rückens bis runter zum Po-Ansatz., alle "schön" parallel.

Nach einer schweren ersten Aufarbeitung in 4 Monaten am Stück (mit 25 Jahren) sind die dissoziativen Symptome verschwunden.
Alpträume hab ich heute mit 38 J. nur noch wenige, Schreckhaftigkeit, Überwachsamkeit usw. sind unverändert geblieben und v.a Misstrauen gegenüber anderen, besonders Männern, die auf der Strasse verdächtig aussehen oder sich so verhalten, oder Autos, die komisch (langsam) neben mir her fahren, weil sie parken wollen usw.

Es ist zwar traurig, aber ich habe mit der Sexualität abgeschlossen.
Übrigens, NACH der ersten Traumatherapie hatte ich noch ca. 2 Jahren Sexuelle Beziehungen. Diese waren aber geprägt von SSV und Alkohol- und Drogenmissbrauch, sonst war ich gar nicht fähig Sex zu haben.
Das Kapital liegt langer hiermir: Keine Drogen mehr, kein Alkohol, kein SSV, nur Selbstliebe und Selbstachtung und auch kein Sex eben. Aus religiösen Gründen trinke ich keinen Alkohol mehr (auch nicht zu Silvester zum Anstoßen).

Allgemeine Berührungen sogar von Kindern am Bein und Arm..., es gab damals Jahre (Phasen), da hat mich alles getriggert, aber das hab ich überwunden. Nur wenn Berühungen mir zu intim sind, an der Hüfte z.B. wenn ein Gruppenfoto gemacht wird, ist mir das zu eng und verursacht noch manchmal Alpträume nachts.

Aber wenn ich Männer sehe sehe ich unterbewusst immer einen P****-Träger.
Wenn ich in der U-Bahn neben einem Mann sitze, bin ich innerlich von der Rolle und beobachten ihn und kann mein Buch kaum weiterlesen...

Ich weiß, dass nicht alle Männer Täter sind, aber sobald Berührungen sexualisiert sind, d.h ein Mann was von mir will, kommt Panik auf, Ekel, Todesangst.

Nach 10 Jahren hatte ich jetzt vor 3 Monaten etwas mit einem Mann (Oh, Wunder!): Aber nur küssen und umarmen, kein Sex, kein Petting, alles mit Klamotten an. Das hat mich alles sehr unter Druck gesetzt, immer die Angst, dass seine Hand irgendwo hinwandert, das ständige Abwehren, wenn er mir an den Po will oder wenn er nicht tat, die Angst, dass ich gleich wieder was abwehren muss... in der Zeit kamen die Flashbacks wieder hoch.

Und mir wird klar: Ich bin jetzt schon 10 Jahre ohne Sex/ Beziehung und ein Ende ist nicht in Sicht. Die "3 Wochen-Sache" hat mich noch mehr von allem sexuellen entfernt und mir endgültig gereicht und gezeigt, dass es nicht geht. Es ist übrigens auseinander gegangen, weil er extrem geklammert hat (er sagte: er habe Trennungsängste und ich brauchte immer viel Abstand - eine ganz böse Kombination).

Ich hab mal ein Interview von einer alten Frau IM SPIEGEL gelesen. Sie wurde im Alter von ca 15-16 Jahren 3-4 Tage von mehreren Russen vergew. (Ich mag dieses Wort nicht ausschreiben). Sie war jetzt über 80 und sagte, sie war damals Jungfrau und hatte nie wieder was mit einem Mann.

Ich denke manchmal, dass ich so enden werde...weil ich kein Ende sehe. :? Obwohl ich ja, wenn auch nur 6 Monate Sex vor der letzten Verge. hatte und danach ca. 2 Jahren "gestörten Sex" (SVV, Drogen usw.)

Ein überlebender eines KZ sagte mal:" Wer der Folter mal ausgeliefert war, wird in dieser Welt nicht mehr heimisch"

***Trigger Ende***

Ich lebe jetzt ganz gut (im Verhältnis zu vor ca. 10 Jahren), wenn ich auch in EU-Rente bin, habe gute Freunde, Hobbies. Nur kann ich keinem Beruf nachgehen (nur Ehrenämter), hab kein Geld oder kann eine Beziehung führen.
Man merkt mir meinen Seelenschmerz nicht an.

Es ist etwas ganz tief in mir drin, dass unzerstörbar kaputt ist, was mich von den normalen Menschen trennt...wenn ich jetzt neuen Kontakt zu Menschen aufbaue, und diese neuen Kontakte sind schon dauerhaft, aber in gewisserweiser nur oberflächlich (quasi Smalltalk), weil sie mich (mein Geheimnis) nicht kennen...

Übrigens, meine Narben auf dem Rücken und über Po sind mit einem riesen Tattoo kaschiert.

Aber ich werde keine Kinder haben (zu alt) und keine Beziehung führen, weil es nicht geht und wenn theoretisch doch, ich hab kaum Kraft für mich, geschweige denn für einen kleinen hilfebedürftigen Wurm, schon allein deshalb pass ich nicht in diese Welt, zu den "Normalos" auf dieser Erde.

Das ist meine Geschichte. Ist ein bißchen länger geworden*sorry. Danke, wer so lange durchgehalten hat und hoffentlich keine Flashbacks durch den Text.

Lieben Gruß
Seelenvogel
Mein Motto, auch wenn es nicht einfach ist, lautet:

"Wenn es nicht so läuft wie Du denkst, ändere Deine Art zu denken".
Seelenvogel
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Re: Chronische PTBS *Trigger!!!*

Beitragvon Dastan » Do. 19.02.2015, 13:09

Hallo lieber Seelenvogel,

lange habe ich überlegt ob ich als männliches Wesen Dir das schreiben darf, und ich habe lange mit mir gehadert und Deinen Beitrag immer und immer wieder gelesen.
Ich möchte einfach nur Danke sagen das Du den Mut hast über Deine Gefühle, Erlebnisse und Deine Schlussfolgerungen zu schreiben. Mit jedem Wort das ich gelesen habe fühlte ich mich ein bisschen weniger einsam, und ein Stückchen mehr verstanden. Ich möchte Dir gerne sagen das es mir leid tut das Dir anscheinend gewisse Dinge im Leben versagt bleiben, aber auch das ich mich für Dich freue das Du dafür andere hast die eine Art Ersatz dafür bieten. Du kannst und musst sehr stolz auf Dich sein, das Du Freunde, Hobbys u.s.w. hast. Das muß traumhaft schön sein. Ich wünsche Dir das Dein Leben unendlich wie ein Regenbogen ist, und genauso bunt und vielfältig.
Danke das Du diesen Beitrag geschrieben hast, ihn zu lesen hat mir sehr viel gegeben und bedeutet. Ihn zu lesen ist wie auf mein Leben zu schauen. Aber ohne die schönen Aspekte.
Und er lässt mich meine Einsamkeit und mein Leben etwas besser ertragen wenn ich ihn lese.

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Re: Chronische PTBS *Trigger!!!*

Beitragvon Lightning » Do. 19.02.2015, 20:07

Hallo Seelenvogel!

Auch ich habe deine Geschichte gelesen, allerdings fehlen mir etwas die Worte. Es tut mir sehr Leid, was dir geschehen ist. Es liest sich, wie ein schlechter Film. Ich finde es gut, dass du dich trotz allem nicht aufgegeben hast und noch Hobbies nachgehst und Freundschaften pflegst, auch wenn diese eher oberflächlicher Natur sind. Wer weiss, vielleicht vertraust du dein Geheimnis ja irgendwann jemandem an und es entwickelt sich eine tiefgründigere Freundschaft aus der Oberflächlichkeit.

Es liest sich, als ob du in den letzten 10 Jahren einiges an deiner Situation verbessern konntest und die Vergangenheit mittlerweile auch ohne SSV und Drogen akzeptieren kannst. Das hat sicher einiges an innerer Kraft gekostet und ich hoffe, du bist auch stolz darauf, das Alles so geschafft zu haben. Wenn du deinen Weg weiter gehst, wirst du sicher auch noch weitere, im Moment unbezwingbar erscheinende Probleme erfolgreich hinter dir lassen. Ich wünsche dir jedenfalls nur das Beste für die Zukunft.

LG, Lightning
Lightning
 


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