Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Thematik dieses Forums: Dissoziationen wie Depersonalisation, Derealisation und andere dissoziative Zustände sowie Traumata und ihre möglichen Folgen, so wie u.a. auch die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), die akute Belastungsreaktion oder die Dissoziative Identitätsstörung (DIS) bzw. Multiple Persönlichkeitsstörung (MPS).

Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon kleeblatt123 » So. 21.09.2014, 20:49

Wenn ich das richtig verstanden hab, "driftet" man in dem Fall ab. Aber wie merke ich denn sowas? Daran dass man ne Lücke hat?

Wäre schön wenn mich mal jemand aufklären würde! :)
kleeblatt123
 

Re: Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon Kleiner Elefant » So. 21.09.2014, 21:26

Fänd ich auch interessant. Bei Wikipedia und so gibt es zwar Beschreibungen, aber die sind so....fachmännisch.
Ich hoffe, es findet sich wer, der das beschreibt.
Kleiner Elefant
 

Re: Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon Mad-Ich » So. 21.09.2014, 22:08

Naja, wegdriften kannst es fast nicht nennen, es ist mehr nen Verlust von eigentlich vorhanden Dingen. Erinnerungen, Wahrnehmungen, Körpergefühl und -beherrschung. Das sind die, die ich selber kenne. Dazu zählen aber auch noch andere Sachen, Aufspalten der Persönlichkeit, verlassen der gewohnten Umgebung, Verlust von Gehör oder Sehkraft ohne körperliche Defekte, über dem Körper schweben, wobei, hmm, ersteres wär auch noch möglich bei mir, aber zu unsicher (ich bin unter Menschen teils nen anderer Mensch als wenn ich alleine bin. Da sind manche Sachen dann gar nicht mehr existent). Im Grunde ne ganze Reihe an Dingen, die nicht durch körperliche Defekte oder Erkrankungen zu erklären sind.

Besser krieg ichs grad nicht erklärt. Vielleicht mag noch jemand anders das ausführlicher beschreiben. Ich musst es sogar grad selber nachlesen, weil die Erinnerung mal wieder nicht abrufbar war, wie ichs in Worte fassen kann. Da nutz ich an Tricks was ich bekommen kann. Ich hab die Wörter dazu nicht mehr im Kopf, aber ich weiß wo ichs finde. Hab z.B. über meinem Wasserzulauf füre Waschmaschine inner Küche nen Zettel mit der Richtung, wie herum ichs auf- und zudrehe. Weils zu oft weg ist. Oder alle wichtigen Dinge an ner Pinnwand, selbst eigene Adresse und Telefonnummer, falls ich die mal schnell brauche bei nem Anruf und nicht drankomme. Wens ganz schlimm ist, dann leg ich irgendwas wohin und weiß ne Sekunde später nicht mehr wo ichs hingelegt habe. Aber weiß noch, dass ichs weggelegt habe. Es passiert auch schonmal, dass ich den PC wieder anmache, weil ich noch was machen wollte, ihn aber dann wieder ausmache ohne es getan habe und erst beim Ausmachen kommts wieder hoch und ich schalt ihn wieder an. Das ging schonmal 4 mal hintereinander so. Aber alles je nachdem wies mir grad emotional geht. Es gibt normale Tage und Tage, da sollt ich kaum was machen ums nicht schlimmer werden zu lassen. Oder eben auch weiße Flecken in der Vergangenheit, das sehr vieles einfach als Erinnerung fehlt, komplett nicht vorhanden ist. Genug davon, strengt grad zu sehr an.
Mad-Ich
 

Re: Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon Kleiner Elefant » So. 21.09.2014, 22:11

Hm, aber der Körper bzw. die Psyche schützt sich ja, indem man sich nicht mehr erinnern kann, oder?
Mir fällt erst Vieles wieder ein, seit ich bei meiner Therapeutin sitze.
Hat man dann die Jahre davor dissoziiert? Also war das ganze Leben dann eine Dissziation, weil man sich nicht erinnern kann?
Kleiner Elefant
 

Re: Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon friedhelm » So. 21.09.2014, 22:17

Kurzdefinitionsversuch und perönliches Beispiel, für meinen Stand der Begriffsdeutung:
Änderung des Naturell des eigenen Wesens im Bezug auf die eigene Wahrnehmung. Bei meinem ersten Klinikaufenthalt stand im Arztbericht "gemindertes Distanzempfinden" ... das war auch so, aber "normaler weise" respektiere ich die persönlichen Abgrenzungen/Zonen anderer Menschen.
Hier war es nicht so und wirkte auf meine beiden Freunde (welche mich quasi eingeliefert haben) sehr befremdlich. Meine Wahrnehmung war, jedes Mädel, auch die attraktiven, wollen meine Nähe und am liebsten gleich ins Bett und so bin ich auch aufgetreten. Darin das dies nicht so war, bestand wohl meine Dissoziation. Bemerken wird man dies wohl erst in anschließender Rekapitulation des Geschehens oder man bekommt es von Aussen mitgeteilt. Das sind aber richtige Störungen. Harmlose, normale Dissoziationen haben auch gesunde Menschen.
Wer nicht lebt, bleibt immer tot ...
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Re: Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon kleeblatt123 » So. 21.09.2014, 22:29

Danke für eure Antworten und Einblicke! :cuddle:

Ist wirklich interessant zu lesen! Frage mich das nämlich schon seit einiger Zeit.

@ Mad- ich
Und ich dachte, sowas fällt einfach unter Vergesslich- oder Schusselichkeit. :shock:
kleeblatt123
 

Re: Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon Mad-Ich » Mo. 22.09.2014, 05:38

kleeblatt, das kommt halt drauf, wie sehr das mit zu vielen Gefühlen/Stress zusammenhängt. Wenns mir schlecht geht hüpft das Erinnerungsvermögen richtiggehend, wenn ich dann versuch was auswendig zu lernen. Ne Dissoziation ist ja ne Art Schutzmechanismus fürs Weiter- bzw Überleben. Damit man auch in Bedrohungsmomenten noch funktioniert. Oder damit zu arg belastende Situationen einen nicht auf Dauer fertig machen.

So generell ist auch ne Schmerzerinnerungsverdrängung dazuzurechnen. Ich kann teils, sobald der Schmerz weg ist, nichts mehr dazu sagen. Ist bei Arztterminen dann nicht grad einfach. Allein die Frage nach dem, wo tuts denn weh und ich steh dann da und öhm. Oder bei Aufnahmebögen, da unterschlag ich dann in der Drucksituation des Ausfüllens schonmal wichtiges, was mir hinterher wieder einfällt. Ist fast Standard.

Und ne normale Vergesslichkeit, dann wär die Erinnerung ja generell weg und würd nicht kommen und wieder gehen. Dann war die Sache einfach nicht Erinnerungswürdig, wenn man sie sich gar nicht erst gemerkt hat.

Hat man dann die Jahre davor dissoziiert? Also war das ganze Leben dann eine Dissoziation, weil man sich nicht erinnern kann?

Das ist ne Fachfrage, ich würd auf erstes nen Ja geben, aufs letzte nen Nein. Weil beim Letzteren genug anderes dageblieben ist bei dir, an das du dich durchaus erinnerst. Da waren wenn nur Teile von betroffen. Nicht alles. Wär aber was für die nächste Therapiestunde, da eben Fachfrage.
Mad-Ich
 

Re: Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon Lilu » Mo. 22.09.2014, 16:46

kleeblatt123 hat geschrieben:Wenn ich das richtig verstanden hab, "driftet" man in dem Fall ab. Aber wie merke ich denn sowas? Daran dass man ne Lücke hat?

Wäre schön wenn mich mal jemand aufklären würde! :)


Hallo Kleeblatt,

das kommt darauf an, wo du dich auf einer Skala von leichten Dissos bis zur schwersten Stufe (DIS) befindest.

Ich bemerke oft, das ich nach "innen" gehe, wenn ich Stress habe. Dann höre ich mein Gegenüber wie von weit her. Ich höre mich dann auch sprechen, als würde ich einer Fremden zuhören (ist das schon Depersonalisation?? uh, ich weiß es gerade nicht).

Wenn ich stark dissoziiere (das merke ich aber nicht in dem Moment), sondern merke es hinterher, wenn ich mal wieder "vergesslich" war/bin. Ich erinnere mich oft nicht an Gespräche, die erst kurz vorher stattfanden. Oder ob ich bestimmte Dinge schon getan habe oder nicht. Das kommt aber nicht so oft vor. Vielleicht einmal die Woche. Kommt auf den Stress an. Ich dissoziiere seit meinem ersten Trauma (früheste Kindheit), wann immer das auch war. Deswegen habe ich auch so viele Erinnerungslücken.

Manchmal wird mir übel, aber immer sehe ich verschwommen und nehme weniger wahr von meiner Umwelt. Dissos können auch soweit gehen, dass Du Kleidungsstücke, oder Sonstiges bei Dir zu Hause findest, wo Du auf Gedeih und Verderb nicht weiß, wo die her kommen :roll: :shock: Das sind so Sachen die finde ich echt gruselig. Oder ich habe letztens auch in meinem Tagebuch einen Eintrag gefunden, an den ich mich nicht erinnern kann. Auch gruselig :o

So, das wars erst Mal, vielleicht fällt mir ja noch was ein....

LG Lilu
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Re: Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon kleeblatt123 » Di. 23.09.2014, 14:51

Danke euch für die ausführlichen Erläuterungen!

Nun frage ich mich ob mir das auch schon mal passiert ist... Ich erkenne mich in vielen wieder.

Also mal 2 Beispiele:
Ich war zur stationären Psychotherapie in der Klinik. Wir haben gerade Gruppengespräch. Eine Mitpatientin sprach über ihr Trauma. Ich werde getriggert und erinnere mich dadurch an mein Trauma. Ich höre noch was erzählt wird und kann dem folgen. Dann werde ich angesprochen. Ich fühlte mich völlig unter Druck gesetzt. Ab dem Zeitpunkt weiß ich nichts mehr. Ich hatte fürchterlich viele Gedanken im Kopf. Hinterher dachte ich, ich hätte erzählt wie ein Wasserfall. Und ich dachte auch, dass ich die anderen beleidigt hätte. Wir gingen am nächsten Tag auf BE und ich schämte mich in Grund und Boden. Überlegte sogar deswegen nicht mehr zurück zu kehren. Doch ich fuhr wieder zurück. Ich wunderte mich bei der Ankunft dort, dass alle doch so freundlich waren. Ich erzählte am nächsten Tag meiner Thera davon. Sie sagte mir, dass ich im Gegenteil gar nix weiter gesagt hatte sondern nur noch n paar Tränen vergossen hätte. Ich konnte das nicht glauben und musste noch eine mir vertraute Mitpatientin fragen. Sie erzählte mir das gleiche, wie meine Thera. Erst dann konnte ich dem Glauben schenken.

Ich telefoniere gerade mit meinem Chef. Ich fühle mich völlig gestresst. Bin nur darauf bedacht möglichst kluge Antworten zu liefern. Auch hier schießen mir viel zu viele Gedanken in den Kopf. Ich weiß bis heute nicht, welche von den Gedanken ich laut ausgesprochen hab aber da er sich mir gegenüber verhält, wie sonst auch, gehe ich davon aus dass ich wieder nix von dem angesprochen hab. Kann mich auch an das Gespräch wie bei dem anderen Beispiel nicht erinnern.

Das passiert mir zeitweise öfters. Und ich male mir dann immer das Schlimmste aus. Kann dann oft nicht schlafen weil ich mich abgrundtief schäme. Bisher hat sich aber immer rausgestellt, dass ich nie was schlimmes gesagt hab. Das beruhigt mich mittlerweile.

Sollte ich darüber mal mit meiner Psychiaterin sprechen?
kleeblatt123
 

Re: Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon ViJo » Di. 23.09.2014, 16:00

...genau das, was du beschreibst und mit dir erlebt hast ist eine der vielen Gesichter, wie sich eine Dissoziation zeigt. Ja, ich würde es an deiner Stelle ansprechen.
ViJo
 

Re: Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon Kleiner Elefant » Do. 02.10.2014, 13:53

Ich habe mit meiner Therapeutin über Dissoziationen gesprochen.
Sie hat gesagt, dass sie es merkt, wenn Jemand dissoziiert, weil der Blick dann ganz starr wird. So wie in einem Tagtraum, nur noch intensiver. Sie hat gesagt, meistens sind die Leute dann auch nicht mehr richtig ansprechbar und verkrampfen ein bisschen am Körper.
Ich selber dissoziiere nicht.
Aber ein bisschen tun wir das Alle, gerade beim Tagträumen.
Sie hat gesagt, dass Menschen das tun, wenn sie es sonst nicht aushalten können. Sie verlassen, imaginär gesprochen, den Ort, um das, was wehtut, nicht weiter mitzubekommen, weil die Seele das nicht aushalten kann.

Ich habe aber mal noch eine Frage:
Kann man bewusst dissoziieren?
Wenn Erinnerungen hoch kommen, die wehtun, kann man dann bewusst "woanders hingehen"?
Kleiner Elefant
 

Re: Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon Charlotte » Do. 02.10.2014, 13:56

Kleiner Elefant hat geschrieben:Wenn Erinnerungen hoch kommen, die wehtun, kann man dann bewusst "woanders hingehen"?

Du kannst an deinen inneren sicheren Ort gehen. Ich kann mir vorstellen, dass das den Kopf so sehr beschäftigt, dass die Erinnerungen vielleicht weniger intensiv sind.
Ansonsten wüsste ich nicht, aber ich habe auch noch nie dissoziiert, also vielleicht kann da jemand mit Erfahrung noch was anderes zu sagen.
Charlotte
 

Re: Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon Kleiner Elefant » Do. 02.10.2014, 14:08

Soweit ich das verstanden habe, dissoziiert man, ohne aktiv was dabei/dafür zu tun. Bei der Imaginationsübung muss man ja was tun.
Kleiner Elefant
 

Re: Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon Charlotte » Do. 02.10.2014, 14:20

Ja, das muss man schon. :lol:

Soweit ich weiß, kann man Dissoziationen weder bewusst herbeiführen, noch verhindern. Das ist etwas, das mit einem passiert, über das man keine Kontrolle hat. Daher auch der hohe Leidensdruck.
Charlotte
 

Re: Wie bemerkt man selbst Dissoziationen?

Beitragvon Kleiner Elefant » Do. 02.10.2014, 14:28

Also,wenn das Dissoziieren ein Schutzmechanismus ist, leiden die Leute während einer Dissoziation dann? Weil die ja weg vom Schmerz gehen. Also so stelle ich mir das vor.
Und wenn man sowas bewusst herbeiführen könnte, dann müsste man schwierige Erinnerungen/Gefühle/Situationen ja nicht mehr ertragen.
Ich hoffe, ich trete damit Niemandem zu nahe. Ich verstehe es nur einfach nicht und versuche, mich da einzufühlen.
Kleiner Elefant
 

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