Welche Unterstützung kann/darf/sollte ich erwarten?*TRIGGER*

Es geht hier um die Themen sexueller Missbrauch und Nötigung bzw. Vergewaltigung sowie um körperliche wie emotionale Formen der Gewalt.

Wichtig: Die Inhalte dieses Unterforums können v.a. für Betroffene stark triggernd sein!

Welche Unterstützung kann/darf/sollte ich erwarten?*TRIGGER*

Beitragvon Emotionsembargo » Mo. 22.09.2014, 09:28

Hallo zusammen,

nachdem ich bei meinen ersten Thread die Erfahrung gesammelt habe, dass es mir hilft, auch andere Meinungen zu hören, um wenigstens herauszufinden, was ich tatsächlich denke/fühle, hoffe ich, dass mir erneut geholfen werden kann. :)

Meine Eltern sind mir alles andere als eine Stütze und ich kämpfe mit mir, wie ich das „ertragen“ kann, ohne sie dafür zu verabscheuen.
Ich erhoffe mir Ratschläge oder einfach nur offene Ohren, um mir meinen Kummer mal „von der Seele“ reden zu können.
Im Verlauf des Textes werde ich nicht umhin kommen, Teile meiner Vergangenheit zu erklären. Ich bin mir bewusst, dass diese belastend sein können und bitte jeden, auf seine eigene Belastungsgrenze zu achten.
Ich bemühe mich, Dinge zu umschreiben oder mit entsprechenden Sternchen zu entkräftigen, dennoch bleibt die Gefahr, dass es triggern könnte, bestehen.

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Vorweg:
Ich litt bis vor wenigen Monaten an einer dissoziativen Amnesie, daher war es mir nicht möglich, mich an den s**uellen M*ssbrauch als solchen bewusst erinnern zu können.
Während eines psychiatrischen Klinikaufenthalts im Frühjahr, der zur Behandlung einer Depression gedacht war, kam es zu einem Schlüsselreiz, der Erinnerungen daran hervorbrachte.
Mir war bis dahin nicht bewusst, dass das, was mir passiert ist, unter s**uellen M*ssbrauch fällt - in der Vergangenheit hatte ich „immer mal wieder“ Flashbacks, die allerdings für mich schlicht verstörend, zusammenhangslos und verdrängungswürdig waren. Eine vollständige Erinnerung war mir erst in und nach der Klinik möglich, obgleich die Erlebnisse auch jetzt nicht zu 100 % rekonstruierbar sind. Eine Verarbeitung des Erlebten war in der Klinik nicht möglich.
Diagnostiziert wurde im Laufe des Klinikaufenthalts eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung (Typ Borderline) und eine schwere depressive Episode. Die Persönlichkeitsstörung wurde allerdings bereits in der Jugend durch einen Therapeuten festgestellt, war mir also bereits bekannt.

Ich wurde im Alter zwischen 9 und 11 Jahren von meinem Bruder s**uell m*ssbraucht, er ist 4 Jahre älter als ich.
Sowohl meine Schwester als auch meine Mutter haben unabhängig voneinander davon mindestens einmal mitbekommen, haben allerdings beide in der Vergangenheit nicht eingegriffen.

Während des Aufenthalts in der Psychiatrie war ich bemüht, „Licht ins Dunkle“ zu bringen. Um mir das Erinnern zu erleichtern und „scheinbar Zusammenhangloses“ besser ordnen zu können, bat ich meine Schwester oft um Informationen, die sie teilweise nur sehr widerwillig oder gar nicht preisgab.
Details erspare ich euch und mir, sie sind nicht relevant.


Mein Problem ist nun folgendes:
Bereits während der Klinik habe ich das Erlebte aufgeschrieben und es auf meinen Tagebuch-ähnlichem Blog veröffentlicht (wobei zum Lesen ein Passwort erforderlich war) - während des Klinikaufenthalts habe ich meinem Vater das Passwort gegeben.
Ihn traf die M*ssbrauchserfahrung schwer, er hatte keine Ahnung davon. Auch meine Mutter wurde nach Absprache mit mir „eingeweiht“.
Der anfängliche Schock saß verständlicherweise schwer und löste sicherlich auch eine Krise aus.

Meine Mutter zweifelte sofort an dem Wahrheitsgehalt der geschilderten Ereignisse. Weder der Umfang noch die Unfreiwilligkeit schien ihr der Realität zu entsprechen.
Für mich war allein dieses Misstrauen ein sehr schwerer Schlag, den ich bis heute nicht „überwinden“ konnte.
Auch mein Vater, der zunächst keinerlei Zweifel geäußert hatte, bezichtigte mich des Lügens.
Trotz meiner Bitte, den T*ter nicht auf die Erlebnisse anzusprechen, haben sie ihn mit meinen „Anschuldigungen“ konfrontiert.
Mein Bruder stritt zunächst alles ab, später nur noch die Intensität.
Sein Abstreiten untermauerten die Zweifel meiner Eltern.

Ich hatte kurzzeitig den Kontakt zu ihnen abgebrochen, weil für mich diese Unterstellungen zu schmerzhaft waren.
Inzwischen bemühe ich mich, den Kontakt nicht erneut abzubrechen, da meine Tochter ein sehr inniges Verhältnis zu ihren Großeltern hat.

Inzwischen behaupten sie zwar, nicht länger an den Erlebnissen zu zweifeln, dennoch bleibt bei mir ein großes Vertrauensproblem.
Auch bin ich enttäuscht, dass sie mir keinerlei Hilfe bieten. Sie tun geradezu so, als hätte ich den M*ssbrauch nicht offengelegt. Sie spielen „heitere Welt“, begründet damit, dass es so für alle das Beste ist.

Ich bin wütend, wirklich richtig wütend. Mich in meinem Elternhaus wohlzufühlen, ist nicht mehr möglich.
Nicht nur, weil ich dort ständig mit Erinnerungen konfrontiert werde, sondern weil mir die Fotos, die „heile Welt“, das gedankenlose „in schönen Erinnerungen schwelgen“ usw. jedes Mal erneut weh tun.

Meinen Eltern kann ich nicht vertrauen, obwohl ich mir gleichzeitig nichts sehnlicher wünsche, als ihre Unterstützung.

Ich habe den Kontakt zum T*ter abgebrochen (mit deutlicher Befürwortung sämtlicher Ärzte und Therapeuten), ihrer Meinung nach sollten sich mein Bruder und ich jedoch einfach zusammensetzen und die „Missverständnisse“ aus der Welt schaffen.

Sie wünschen sich, dass irgendwann wieder alle Kinder (mit ihren Kindern) fröhlich am Tisch sitzen, als hätten sie nicht begriffen, dass das für mich UNMÖGLICH ist.
Ich bin sozusagen das „Problem“ - ich fühle mich schuldig, die Familie „zerstört“ zu haben und sie widerlegen diese Angst auch nicht.

Ich schwanke immer wieder und weiß gar nicht, welche Art von Unterstützung ich erwarte, einfordern kann und brauche.
Manchmal kocht in mir die Wut so enorm hoch, dass ER keine Konsequenzen davon getragen hat. Er ist nach wie vor das „Lieblingskind“ - gern gesehen, hoch geschätzt.

Aus Rücksicht auf meine Familie verzichte ich auf eine rechtliche Konsequenz. Aber ich bin so fassungslos, dass nicht einmal eine „richtige“ emotionale Konsequenz folgt.
Sie distanzieren sich nicht, im Gegenteil. Sie fordern von mir Mitgefühl und Einsicht, dass „auch er“ nun Hilfe seitens der Familie braucht.
Ich könnte in die Luft gehen. Auch? Ich bekomme gar keine Hilfe! Im Gegenteil, sie erschweren mir meine Versuche, irgendwie weiter zu machen.
Immer wieder höre ich: „Wir haben drei Kinder! Wir wollen keins unserer Kinder verlieren.“

Ich bin manchmal so kurz davor, den Kontakt doch abzubrechen. Einfach irgendwo hinzuziehen, ohne irgendwem zu sagen, wohin. Aber dann stehe ich wieder vor dem Dilemma: Was ist mit meinem Kind? Für mein Wohlergehen, setze ich das innige Verhältnis zu den Großeltern auf’s Spiel? Das kommt mir so unendlich falsch vor und es würde mich sicher genauso zerstören, wie die jetzige Situation. Und überhaupt, würde mir das wirklich helfen?

Aber wie soll ich nur mit der jetzigen Situation umgehen?
Am liebsten würde ich meine Eltern an die Gurgel gehen und fragen, ob das ihr Ernst ist, sich derart zu verhalten. Sie verstehen nicht, dass sie ein Kind damit verlieren. Auf kurz oder lang. Und zwar nicht den „ach so armen T*ter“, sondern das m*ssbrauchte Kind.
Sie wissen um dieses schwer geschädigte Vertrauensverhältnis, ich habe es ihnen mehr als deutlich gesagt. Aber nichts, rein gar nichts ändert sich.
Ich bin so verzweifelt. Wollen mich meine Eltern überhaupt noch?
Ist das vielleicht alles nur so halbherziges Gerede von wegen „Wir haben drei Kinder, die wir lieben“?

Ich weiß, ich bin erwachsen, ich trage selbst die Verantwortung für mein Wohlergehen, aber ich fühle mich allein gelassen. Wieder fühle ich mich allein gelassen.

:( Puh, nachdem ich das nun alles aufgeschrieben habe, dachte ich, würde ich mich besser fühlen. Aber eigentlich geht's mir noch schlechter damit. Ich komme mir vor, wie ein undankbarer Mensch, so, als wäre ich nicht dankbar dafür, dass sie mich deswegen nicht verstoßen haben. Aber das bin ich! Ehrlich!

Liebe Grüße
Emotionsembargo
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Re: Welche Unterstützung kann/darf/sollte ich erwarten?*TRIG

Beitragvon warum ich » Mo. 22.09.2014, 11:17

ich versuch's mal ... ;)

was du hier von uns dir offenbar erhoffst, kann von einem internet-forum schlechtweg nicht geleistet werden.
es bräuchte da hunderte von konkreten nachfragen, die sich an dieser stelle von selbst verbieten und die sich einzig im dialog mit einem therapeuten klären lassen.

um gleich auf deine frage (überschrift) einzugehen: was du wohl bräuchtest, ist ein verständnisvoller therapeut, dem es weniger darum geht, details in der weise zu verifizieren, daß sie sich in die spalten von fragebögen einfügen lassen, sondern vielmehr einfach darum, daß dich diese erlebnisse nicht länger mehr belasten schaffen können ...

es hat da einige interessante aspekte, die, wenn man sie gescheit angeht und verwendet, in richtung einer "aussöhnung" mit dem vorgefallenen hilfreich sein können.
ich schau' da immer auch auf was es mit dem täter gemacht hat. bitte nicht falsch verstehen - dies geht nicht in richtung von etwa mitleid mit oder verständnis für täter !

nur eben ist - und bleibt, zumeist auch lebenslang - da eine verbindung zwischen opfer und täter.
hier nun mal besonders, nachdem du selber in einer vergleichbaren phase der entwicklung warst, während die situation / bedrohung noch fortbestand, falls ich es richtig mitbekommen habe.
also im weitesten sinne in etwa empfinden - richtiger vielleicht: erahnen - vielleicht hättest können, was dein bruder empfunden haben könnte, als er damit begann.
vielleicht wieder ein wenig blöd ausgedrückt. es meint die phase der entdeckung der eigenen sexualität, dabei dann triebgesteuertes hinwegsetzen über moralische grenzen, und natürlich ist die nachher auch zwischen buben und mädeln verschieden (auf's eventuelle in teilen nachvollziehenkönnen hin gemeint).

es ist zu erkennen, auf welche weise du deine abgrenzung suchst.
nur eben schreibst du ja auch schon selber, daß diese - spätestens sozial nicht - vermutlich eine vollständige loslösung gar nicht werden könnte.

"verarbeitung" heißt eben nicht, eine diagnose gesagt zu bekommen - ... die ich dabei noch nichteinmal für absolut erkennen wollen würde; da fehlt's offenbar auch noch an belegen -, um dann von ausgewiesen "höchstprofessioneller" seite "dran arbeiten" zu lassen.
vielmehr meint "verarbeitung", daß diese ursächlichen ereignisse / bilder ihre bedeutung / einfluß auf dein weiteres leben letztlich verlieren müssen.

vielleicht findest du ja doch noch dort hin, daß die fraktion der fragebogenersteller und -ausfüller dir dabei weniger hilfreich sein könnte ... ;)
nur für das, was einem therapeuten auch so schon auffällt, was er also eh selber schon zum jeweiligen fall als idee im kopf hat, nur dafür hat er auch strategien parat.

ansonst, denk' ich, machst du das schon ganz richtig, wenn du diesen bruder aus deinem leben gestrichen hast, und solltest es auf jeden fall so beibehalten. auch dann, wenn im laufe der verarbeitung evtl. seine schuld dir in irgendeiner form relativiert erscheinen würde.
dann wäre es dafür, daß du damit leben kannst, aber nicht, daß du dich erneut konfrontieren würdest.
warum ich
 

Re: Welche Unterstützung kann/darf/sollte ich erwarten?*TRIG

Beitragvon kleeblatt123 » Mo. 22.09.2014, 11:36

Hallo,

ich wurde auch von meinem Bruder missbraucht. Auch ca. 2j, auch er ist 4j älter. Auch ich erzählte es meinen Eltern nach einem Klinikaufenthalt aufgrund von einer zum größten Teil dadurch ausgelösten Psychose. Du bist also nicht allein! :troest:

Den Kontakt zu ihm hab ich inzwischen auch abgebrochen. Und es ist das einzig richtige! Ich kann dir aus Erfahrung sagen, dass auch meine Eltern weiterhin den Kontakt zu ihm aufrechterhalten. Es muss unglaublich schwer für Eltern sein, ein Kind zu verstoßen. Ich hab da mittlerweile Verständnis für. Mir ist es "nur" noch wichtig, dass wenn ich zu Besuch bin, ich mir sicher sein kann das er nicht da ist. Ist das bei dir auch so?

Ich hatte in einem Klinikaufenthalt ein begleitetes Gespräch mit meinen Eltern, woraus u.a. hervorging wie sehr auch sie unter diese Situation zu leiden haben. Das war für mich ganz wichtig. Hatte ich doch vorher auch den Eindruck, dass ich die einzige bin, die daraus ein Problem macht. Vielleicht wäre solch ein Gespräch für dich auch wichtig?
kleeblatt123
 

Re: Welche Unterstützung kann/darf/sollte ich erwarten?*TRIG

Beitragvon Tina » Mo. 22.09.2014, 11:43

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Hallo Emotionsembargo

Viel helfen kann ich Dir wohl nicht, aber ich möchte Dir wenigstens mein Mitgefühl ausdrücken.

Wenn ich sowas lese.....
.....>"Sie wünschen sich, dass irgendwann wieder alle Kinder (mit ihren Kindern) fröhlich am Tisch sitzen, als hätten sie nicht begriffen, dass das für mich UNMÖGLICH ist.
Ich bin sozusagen das „Problem“ - ich fühle mich schuldig, die Familie „zerstört“ zu haben und sie widerlegen diese Angst auch nicht."

Das ist sowas von ekelhaft aber auch irgendwie typisch für manche Eltern.
Ich kenne sowas ähnliches aus eigener Erfahrung und von Erzählungen anderer, wenn auch teilweise in etwas harmloser Form.
Ich glaube, da steckt ein "Nach-aussen-den Schein-wahren" dahinter. Wir sind doch so eine tolle Familie, und das darf nicht zusammen brechen.
Furchtbar sowas.
Auch denke ich, dass hinter solch einem Verhalten ( Deiner Eltern ) Angst steckt.....Angst, mit dieser Situation nicht umgehen zu konnen, überfordert zu sein.
Und so eine Angst, darf man als Eltern natürlich nicht zugeben.
Also wird versucht, da einen "Deckel" drüber zu machen, und so zu tun, als ob das alles nicht existieren würde.

Ich wünsche Dir Kraft und drück Dich.

LG Tina :)

PS Deine letzten drei Zeilen sind eigentlich eine typische Reaktion, wenn man mal so alles aufgeschrieben hat.
Du stehst auf der richtigen Seite...und das weisst Du sicherlich auch.
Tina
 

Re: Welche Unterstützung kann/darf/sollte ich erwarten?*TRIG

Beitragvon Emotionsembargo » Mo. 22.09.2014, 13:52

Vielen lieben Dank für eure schnelle Reaktion auf meinen Beitrag!

warum ich hat geschrieben:um gleich auf deine frage (überschrift) einzugehen: was du wohl bräuchtest, ist ein verständnisvoller therapeut, dem es weniger darum geht, details in der weise zu verifizieren, daß sie sich in die spalten von fragebögen einfügen lassen, sondern vielmehr einfach darum, daß dich diese erlebnisse nicht länger mehr belasten schaffen können …


Ich frage mich ehrlich, wie du darauf kommst, dass meine Therapeutin nur daran interessiert ist, Details in irgendwelche „Spalten“ einzufügen - ich vermute mal, dass du darauf kommst, weil meine Therapeutin Fragebögen während der Diagnosephase zur Hilfe nimmt? Aber ich werde sicherlich nicht in jeder Stunde (die noch kommen wird) ausschließlich Kreuzchen setzen.
Mein Ziel ist tatsächlich, dass ich mich besser um mich selbst sorgen kann - unterstützt durch einen Therapeuten.

warum ich hat geschrieben:es hat da einige interessante aspekte, die, wenn man sie gescheit angeht und verwendet, in richtung einer "aussöhnung" mit dem vorgefallenen hilfreich sein können.


Bisher wurde mir der Begriff nur nahegelegt, um mich mit mir selbst gnädiger zu sein, Stichwort „Schuld“ - sprich: in der bisherigen Therapien sollte ich mich mit meinem inneren Kind aussöhnen, ihm Gehör geben, ihm den Raum geben, den es braucht, ihm sagen, dass es nichts von dem zu verschulden hat und es keine Fehler gemacht hat, usw. usw.


warum ich hat geschrieben:ich schau' da immer auch auf was es mit dem täter gemacht hat. bitte nicht falsch verstehen - dies geht nicht in richtung von etwa mitleid mit oder verständnis für täter !


Aussöhnen in diese Richtung muss ich dann wohl neu definieren. Mit dem T*ter aussöhnen muss folglich anders aussehen, als das, was ich bisher geleistet habe.

Meine Schwester meint auch, dass das für ihn nun belastend ist. Dass es das JETZT ist, kann ich vollziehen, hat es doch ein wenig „Unruhe“ in sein Leben gebracht. Bis zum Verlust der Amnesie wird’s ihm wohl aber kaum zugesetzt haben, schätze ich - bis dahin war ja alles "tutti" und er sich keiner Schuld bewusst (wobei er sich dieser ja immer noch nicht wirklich bewusst zu sein scheint).
Dass er etwas „aufzuarbeiten“ hat, ist mir klar. Wer ist schon gern verantwortlich dafür, das Leben eines anderen Menschen verpfuscht zu haben?

warum ich hat geschrieben:hier nun mal besonders, nachdem du selber in einer vergleichbaren phase der entwicklung warst, während die situation / bedrohung noch fortbestand, falls ich es richtig mitbekommen habe.
[…]es meint die phase der entdeckung der eigenen sexualität[…]


Naja, vier Jahre sind bei Kindern enorm viel, so generell. Ein neunjähriges Mädchen ist definitiv noch Kind, wenn es am liebsten rund um die Uhr mit Barbie oder Playmobil spielt. Ein Dreizehnjähriger, der P*rnos schaut statt mit Lego & Co. zu spielen, ist da glaube ich doch schon ein ganzes Stück weiter. Da lagen WELTEN zwischen, daher verneine ich die Vermutung, dass man auf einem ähnlichen Entwicklungsstand war, strikt.
Mit neun Jahren habe ich mich tatsächlich noch nicht all zu sehr mit der Entdeckung sexueller Triebe meines Bruders beschäftigen wollen. Ich hätte auch gern darauf verzichtet.
Ich habe definitiv mit neun Jahre noch keine sexuellen Triebe an mir bemerkt, ich war ein KIND.
Und durch diese Erfahrungen habe ich (leider) auch nur sehr schwer zu meiner eigenen sexuellen Identität gefunden, sprich meine eigene Sexualität habe ich in dem Alter, in dem er damit begonnen hat, nicht entdeckt. Das fand extremst verzögert statt, wohl als Resultat der vorherigen Geschehnisse.

Dennoch bin ich mir selbstverständlich bewusst, dass es wohl zu Beginn der Jugend „normal“ ist, seine Sexualität zu entdecken und erforschen zu wollen.

warum ich hat geschrieben:"verarbeitung" heißt eben nicht, eine diagnose gesagt zu bekommen - ... die ich dabei noch nichteinmal für absolut erkennen wollen würde; da fehlt's offenbar auch noch an belegen -, um dann von ausgewiesen "höchstprofessioneller" seite "dran arbeiten" zu lassen.


Du spielst da wieder auf die PTBS und die DIS an, schätze ich.
Die Borderlinstörung ist definitiv belegt, mehrfach (von verschiedenen Psychiatern und Psychologen, die unabhängig voneinander diagnostiziert haben). Dran arbeiten muss in erster Linie wohl eher ich, unterstützt durch professionelle Hilfe.

warum ich hat geschrieben:vielmehr meint "verarbeitung", daß diese ursächlichen ereignisse / bilder ihre bedeutung / einfluß auf dein weiteres leben letztlich verlieren müssen.


Genau das wünsche ich mir und soll auch im besten Fall irgendwann Mal „Ist-Zustand“ sein, momentan ist das leider noch nicht der Fall.

warum ich hat geschrieben:ansonst, denk' ich, machst du das schon ganz richtig, wenn du diesen bruder aus deinem leben gestrichen hast, und solltest es auf jeden fall so beibehalten. auch dann, wenn im laufe der verarbeitung evtl. seine schuld dir in irgendeiner form relativiert erscheinen würde.
dann wäre es dafür, daß du damit leben kannst, aber nicht, daß du dich erneut konfrontieren würdest.


Relativieren, mhmh. Naja, ich weiß nicht, wie das konkret aussehen soll.
Natürlich will ich irgendwann angstfrei sein und halbwegs gut mit diesem Teil der Vergangenheit klarkommen, aber relativieren?
Hat sicherlich dann was mit der Art Aussöhnung zu tun, die du weiter oben schon angedeutet hast.
Soweit bin ich offenbar noch nicht.


kleeblatt123 hat geschrieben:Du bist also nicht allein!


Danke für die Aufmunterung und die Offenheit, dass auch du ähnliche Erfahrungen sammeln musstest.

kleeblatt123 hat geschrieben:Den Kontakt zu ihm hab ich inzwischen auch abgebrochen. Und es ist das einzig richtige!


Das höre ich von allen Seiten und fühle mich auch gut damit, diesen Kontaktabbruch vollzogen zu haben. Das gibt mir ein Stück weit Sicherheit, obgleich ich mich ja nicht mehr in akuter Gefahr befinde.

kleeblatt123 hat geschrieben:Ich kann dir aus Erfahrung sagen, dass auch meine Eltern weiterhin den Kontakt zu ihm aufrechterhalten. Es muss unglaublich schwer für Eltern sein, ein Kind zu verstoßen. Ich hab da mittlerweile Verständnis für.


Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich mich in so einer Situation verhalten würde - deshalb auch die Unsicherheit, was ich da erwarten kann.
Ich bin zwar Mutter, aber bisher ist meine Tochter (leider) Einzelkind. Zwei oder drei Kinder zu haben ist für mich also alles reines Gedankenspiel. Wie man sich dann damit fühlt, ein m*ssbrauchtes und ein „übergriffiges“ Kind zu haben, kann ich nur erahnen.
Wie hast du es geschafft, Verständnis dafür zu entwickeln, dass deine Eltern zu deinem Bruder weiterhin ein inniges Verhältnis haben?


kleeblatt123 hat geschrieben:Mir ist es "nur" noch wichtig, dass wenn ich zu Besuch bin, ich mir sicher sein kann das er nicht da ist. Ist das bei dir auch so?


Leider nicht so wirklich. Denn wie gesagt: für meine Eltern ist das eine Art Missverständnis, eine Streiterei, die sich schon irgendwie „aus der Welt schaffen lässt“, wenn man denn nur miteinander reden würde.
Zwar hieß es mal, dass er nicht zurück darf*, aber erst heute eröffnete man mir, dass man ihn eingeladen hat, vorbei zu kommen.
Kann mich wohl glücklich schätzen, dass man wenigstens vorher Bescheid gegeben hat?!

*Er wohnt Gott sei Dank mehr als 200km entfernt von hier, als „Strafe“ hat meine Mutter ihm „verboten“ hier her zu kommen.

kleeblatt123 hat geschrieben:Ich hatte in einem Klinikaufenthalt ein begleitetes Gespräch mit meinen Eltern, woraus u.a. hervorging wie sehr auch sie unter diese Situation zu leiden haben. Das war für mich ganz wichtig. Hatte ich doch vorher auch den Eindruck, dass ich die einzige bin, die daraus ein Problem macht. Vielleicht wäre solch ein Gespräch für dich auch wichtig?



Dass meine Eltern Schwierigkeiten haben, ist mir klar. Das muss für sie ein Schock gewesen. Zumindest für meinen Vater, der davon ja gar nichts mitbekommen hat.

Meine Schwester wirft es mir ja oft genug vor, dass meine Eltern deshalb wochenlang wie „Zombies“ waren - aber sie wären, ihrer Meinung nach, nun „endlich“ an einem Punkt, wo sie wieder fröhlich sein können (sicherlich auch, weil sie ja einheitlich dafür sind, mir nichts zu erleichtern und so zu tun,als wäre es supi-dupi).

Ein Gespräch mit ihnen - davon würde ich mir (zu) viel von versprechen.


Tina hat geschrieben:Ich glaube, da steckt ein "Nach-aussen-den Schein-wahren" dahinter. Wir sind doch so eine tolle Familie, und das darf nicht zusammen brechen.
Furchtbar sowas.


Ja, das hat meine Mutter auch „zugegeben“.

Tina hat geschrieben:Also wird versucht, da einen "Deckel" drüber zu machen, und so zu tun, als ob das alles nicht existieren würde.


Ja, manchmal frag ich mich, ob das auch eine Art psychogene Amnesie oder was auch immer sein könnte. Aber wer da so klar drüber sprechen kann und sogar sagt: „Wir können nicht aus unserer Haut. So sind wir halt“?, macht das dann vielleicht nicht wirklich unbewusst. Das wirkt dann doch irgendwie, als hätten sie das „entschieden“ und „gut ist“.

Ich danke euch in jedem Fall dafür, dass ihr mir eure Sicht der Dinge mitgeteilt habt. Ich kann nicht mit allem konform gehen, aber es ist mir wichtig, auch andere Meinung dazu zu hören. Vielleicht öffnet sich mir damit etwas.
Emotionsembargo
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Re: Welche Unterstützung kann/darf/sollte ich erwarten?*TRIG

Beitragvon kleeblatt123 » Mo. 22.09.2014, 15:46

Mir hat das Gespräch in der Klinik enorm geholfen. die Einsicht zu erlangen, dass es einfach zu viel verlangt wäre, sie vor die Wahl zu stellen. Meine Mutter meinte danach mal zu mir, dass sie sich entscheiden würden wenn ich das wollen würde. Und ich müsste wissen, zu welchem Gunsten diese Entscheidung fallen würde. Ich glaube daher nicht, dass sie ein inniges Verhältnis haben seitdem. Sondern der Kontakt zum größten Teil da ist weil er sie nachdem zu Großeltern gemacht hat. Ich finde auch, dass das Kind nix dafür kann... Ich wusste sofort, als meine Mutter mir das sagte, dass ich das nicht machen möchte. Ich weiß nach dem Gespräch, dass sie sich auch so viele Vorwürfe machen. Das zu wissen, hat mich unheimlich beruhigt und es genügt mir zu sehen, dass ich daraus keine Welle mache sondern das ich stattdessen von allen Seiten Unterstützung erfahre.

Es tut mir leid, lesen zu müssen, dass du so auf Unverständnis stößt. Ich kann mir in etwa vorstellen, wie verletztend das sein muss denn die Reaktion deiner Eltern, war meine größte Angst als ich das erzählte.
kleeblatt123
 

Re: Welche Unterstützung kann/darf/sollte ich erwarten?*TRIG

Beitragvon warum ich » Mo. 22.09.2014, 15:49

meine ansicht zu den fragebögen vergiss mal bitte wieder. es war dumm von mir, nochmal davon anzufangen.
heißt nicht, daß ich von meiner ansicht abgehe.
und auch muß die borderline-diagnose hier nicht thema sein. du hast nichts geschrieben, was auch nur annähernd überhaupt drauf schließen liese, und so kann's nachher gern auch belassen bleiben.

sowieso wissen wir ja noch nicht, was deine therapeutin nun an erkenntnissen aus den fragebögen gewinnen wird.

nur eben ist "borderline" schonmal der name der tonne, in welche die damen und herren vom fach nur allzugern und allzu eilig sämtliche alle irgendwie in diese nähe zu bringenden fälle hauen.
deckel drauf. paßt.

ich würde nur gern nochmal das mit der aussöhnung ein wenig näher erklären ...

aussöhnung nicht mit dem täter, auch nicht mit denen, die dir erklären versuchen, daß da eigentlich viel weniger gewesen sein müsse, als du es nun wohl erst richtig erspüren gelernt hast, die last, die es dir darstellt.

vielmehr mein' ich hier: aussöhnung mit dem erlittenen schicksal.

damit nicht diese vorfälle, gestohlenenen kinder-jahre, nachhaltig beschädigte empfindungsfähigkeit und fähigkeit zur unbefangenheit dein leben jetzt bis zum ende belasten würden, alle deine gefühle immer von dieser sache beeindruckt blieben, und du irgendwann rückblickend erkennen müßtest, wie vieles dir in späterer folge eben deswegen noch entgangen wäre vielleicht; der zug nur noch durch tunnel fahren würde, und abspringen gar nie je nochmal versucht worden wäre.

dies wäre der teil, den du selber beitragen können würdest: daß du dieses als ziel nicht aus den augen verlörest, neben allem, was die therapierung zu erreichen versucht - dir als "störung" auslegt, was letztlich nur das ergebnis dessen ist, was deine psyche von sich aus dagegen schon unternommen hat, daß diese dinge sie fortlaufend weiter beschädigen könnten -, und da eben an teilschritten für nötig resp. zielführend halten wollte.

ja, und vielleicht sogar hatte ich die fragestellung auch falsch interpretiert: vielleicht ging es dir damit in erster linie mehr darum, wie erwartet werden dürfe, daß deine eltern und umfeld dich unterstützen ...

da würde ich mal besser gar nichts erst erwarten, sondern gleich nur für bar nehmen, wie es einem halt entgegengebracht wird. so fährt man noch immer am besten, denn menschen ändern nicht ihre ansichten eigens nur dafür, um anderen eine last abzunehmen ...
warum ich
 


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