Bin ich eine Täterin?

Es geht hier um die Themen sexueller Missbrauch und Nötigung bzw. Vergewaltigung sowie um körperliche wie emotionale Formen der Gewalt.

Wichtig: Die Inhalte dieses Unterforums können v.a. für Betroffene stark triggernd sein!

Bin ich eine Täterin?

Beitragvon ptl » Di. 23.05.2017, 00:30

Hallo,

Ich habe gerade eine mail von meinem Bruder erhalten, in der er mir votwirft, ihn sexuell missbraucht zu haben.
Ich kann mich aber an nichts dergleichen erinnern. Ich habe allerdings so gut wie keine Erinnerungen an meine Kindheit. Vielleicht meint er auch, dass ich sexuellen Missbrauch durch die Mutter unterstützt ofer gedeckt habe. Er spricht von meiner "gigantidchen Täterinnenrolle" und schickt mir dazu links zu missbrauchten Jungs. Er hat mir vor einiger Zeit auch erzählt, dass ihn eine Zeit lang zuerst die Mutter verprügelt hätte, und danach ich. Auch daran habe ich keine Erinnerung. Ich habe 2 Therapien gemacht, eine verhaltenstherapeutische und eine tiefenpsychologische. Dabei war so etwas nirgends ein Thema.

Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, die Vorwürfe bedrücken mich sehr. Ich bin 50 Jahre alt, mein Bruder 48. Er hat mit dieser Mail den Kontakt vorerst abgebrochen.

Kann ich wirklich 2 Therapien machen, ohne auf so etwas zu stossen?

Wie kann ich herausfinden, ob an den Vorwürfen etwas dran ist? Diese Frage meine ich sehr ernst. Es wäre furchtbar, aber verdrängen ist für alle noch viel schlimmer.
ptl
 

Re: Bin ich eine Täterin?

Beitragvon Wildbeere » Mi. 24.05.2017, 16:09

Hey.

Hm. Durchaus kann man auch nach mehreren Therapien nicht immer alle Erinnerungen zurück bekommen haben - vorallem wenn es darum in der Therapie nicht hauptsächlich geht. Hast du deinen Bruder mal gefragt, was genau er meint und was du gemacht haben sollst?

Darf ich fragen warum du die Therapien gemacht hast? Da scheinen diese Vorwürfe ja noch nicht im Raum gewesen zu sein oder?

Das sind harte Vorwürfe.. scheinbar warst du selbst ein Kind zu dem Zeitpunkt oder? Wenn Missbrauch/Misshandlung in der Familie Alltag ist, können Kinder meistens auch nicht zwischen dem was gut und schlecht ist unterscheiden. Damit will ich sagen, dass es passieren kann, dass man sich eben so verhält wie auch der Umgang in der Familie ist. Auch ist es völlig natürlich, dass man seine Familie schützen will als Kind - also Täter verdeckt. Versuche mit deinem Bruder das Gespräch zu suchen, höre ihm zu und vielleicht könnt ihr mal gemeinsam eine Therapie machen? Wie war denn euer Verhältnis bis jetzt zu den Vorwürfen?
Wildbeere
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Re: Bin ich eine Täterin?

Beitragvon Gast » Sa. 10.06.2017, 14:09

Hallo Wildbeere,

vielen Dank für deine Antwort.

Wildbeere hat geschrieben:
> Hm. Durchaus kann man auch nach mehreren Therapien nicht immer alle Erinnerungen
> zurück bekommen haben - vorallem wenn es darum in der Therapie nicht hauptsächlich
> geht.
Wie kann es in einer Therapie um etwas gehen, was nie ein Thema war oder als Thema hochgekommen ist?

Wildbeere hat geschrieben:
> Hast du deinen Bruder mal gefragt, was genau er meint und was du gemacht haben sollst?
Das ist alles, was ich weiß:
"Kannst dich ja mal schlau machen, was es heißt, ein männliches Opfer zu sein.
Meines Alters.
Frag doch mal jemanden, der sich auskennt.
Denn deine gigantische Täter(innen)seite war bisher ja - all zu offenbar - nicht wichtig genug, um sie jemals therapeutisch bearbeiten zu lassen.
Googltipp:
https://www.google.de/search?q=m%C3%A4nner+mit+missbrachs+erfshrung&rlz=1C1GGGE_deDE543DE543&oq=m%C3%A4nner+mit+missbrachs+erfshrung&aqs=chrome..69i57.18304j0j4&sourceid=chrome&ie=UTF-8#q=m%C3%A4nner+mit+missbrauchserfahrung "

Ich habe inzwischen mit einer befreundeten Therapeutin (mit Erfahrung auf diesem Gebiet) und mit einer Freundin, die selbst massiv betroffen war, gesprochen.
Er möchte keinen Kontakt bis Ende Juni. Dann will er sich melden. Ich war ziemlich von der Rolle, als ich diese mail bekommen habe und den ersten Text hier geschrieben habe.

Wildbeere hat geschrieben:
> Darf ich fragen warum du die Therapien gemacht hast? Da scheinen diese Vorwürfe ja
> noch nicht im Raum gewesen zu sein oder?
Ich habe die 1. Therapie begonnen, weil ich meinem HA und meinem Mann "beweisen" wollte, dass meine körperlichen Beschwerden keine seelische Ursache haben, und weil mein Mann mir gedroht hat, er lässt sich scheiden, wenn ich keine Therapie mache. Diese Vorstellung war für mich noch schlimmer als eine Therapie... :-/ Das war 2004.
Mein Bruder war nur insofern Thema, als dass es ihm ähnlich geht wie mir und er demnach ähnliches erlebt haben muss. Mehr ist mir zu meinem Bruder nicht eingefallen, und mehr fällt mir dazu bis heute nicht ein.
Mein Bruder hat letztes Jahr zum ersten mal meinem Mann erzählt, dass ich ihn verprügelt hätte. Erst die Mutter, danach ich. Das hätte System gehabt. Während zwei Jahre, in denen die Oma bei uns gepflegt wurde. Er war damals 8-10, ich 10-12 Jahre.

Wildbeere hat geschrieben:
> Das sind harte Vorwürfe.. scheinbar warst du selbst ein Kind zu dem Zeitpunkt oder?
So verstehe ich das. Meine Erinnerungen beginnen ungefähr mit 12.

Wildbeere hat geschrieben:
> Wenn Missbrauch/Misshandlung in der Familie Alltag ist, können Kinder meistens auch
> nicht zwischen dem was gut und schlecht ist unterscheiden. Damit will ich sagen,
> dass es passieren kann, dass man sich eben so verhält wie auch der Umgang in der
> Familie ist.
Ja, da hast du wohl recht. Wir waren eine sehr fromme Familie mit klaren moralischen Vorstellungen. Meine Eltern waren Meister im Abspalten und Verdrängen, ich auch. Sie waren selbst beide traumatisiert. Ich wusste sicher, dass man seinen Bruder nicht verprügelt (was sexueller Missbrauch ist, wusste ich wohl eher nicht).

Wildbeere hat geschrieben:
> Auch ist es völlig natürlich, dass man seine Familie schützen will als Kind - also Täter verdeckt.
Das würde erklären, warum er erst jetzt, 1,5 Jahre nach dem Tod der Eltern, damit rausrückt...

Wildbeere hat geschrieben:
> Versuche mit deinem Bruder das Gespräch zu suchen, höre ihm zu und vielleicht könnt ihr mal gemeinsam eine Therapie machen?
Puh - ich muss erstmal meine eigene Stellung dazu finden. Nach einer kurzen Phase des extrem schlechten Gewissens, in der ich den ersten Text hier geschrieben habe, wurde ich sehr wütend auf meinen Bruder. Er hätte gerne, dass ich schuld bin und die Verantwortung übernehme für sein Elend. So verstehe ich diese Sätze. Inzwischen denke ich dass ich so wütend war, weil ich (wieder mal) für etwas Verantwortung übernehmen soll, für das ich keine Verantwortung übernehmen kann. Denn inzwischen denke ich, je schlimmer die Taten von einem Kind sind, desto schlimmer ist es selbst zuvor Opfer geworden, und desto schlimmer ist seine eigene Situation. Kinder sind immer zuerst Opfer. Wenn sie zu Tätern werden, haben andere versagt, nicht das Kind.

Ihm zuhören - ich weiß nicht, ob ich mir das ihm zuliebe antun muss - und kann. Meine Seele wird ihren Grund haben, dass ich mich nicht erinnere.
Ich sehe für mich zur Zeit keinen Bedarf nach einer weiteren Therapie wegen etwas, an das ich mich nicht erinnere, und zu dem ich keinen emotionalen Zugang habe, und mit dem ich so leben kann. Meine Therapien waren kein Spaziergang - ich glaube nicht, ob ich so etwas noch einmal durchstehen würde ohne Schaden zu nehmen. Inzwischen ist es für mich auch nicht mehr wichtig, zu erinnern, was ich genau getan habe. Wichtig ist höchstens, wie es mein Bruder erlebt hat.
Ich habe aber deswegen nächste Woche einen Termin mit einer Therapeutin, bei der ich schon einmal war. Wenn, dann würde ich eine Therapie für mich machen, nicht wegen meinen Bruder. (Ich interpretiere seine mail so, dass er das gerne hätte).
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Außerdem blockiert er die Auflösung vom Erbe/Schenkungs-Grundstücke, obwohl wir uns in fast allen Punkten schon einig waren, dachte ich jedenfalls. Die Erben (seit Ende 2015)- und Schenkungsgemeinschaft (seit 2002, für ein paar landwirtschaftliche Grundstücke) belasten mich sehr, weil ich - wieder mal - für alles zuständig bin, natürlich auch finanziell. Der Beitrag meines Bruders für das Erbe besteht im Kassieren jeweils der Hälfte der Barschaft und der Miete für die elterliche Wohnung. Für alles, was wir mit der Barschaft zu zweit regeln mussten, musste ich ihn zum Jagen tragen. Obwohl er wollte, dass ich mich darum kümmere.
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Wir hatten u. a. ausgemacht, dass ich die Wohnung übernehme und ihn auszahle.(Andersrum wäre mir auch recht gewesen, aber ihm fehlen dazu die Mittel). Der Leerstand hat gut 250 Euro / Monat gekostet. Mit dieser Abmachung habe ich die Wohnung renovieren lassen und einen Mieter gesucht. Und dann war er negativ überrascht, als ich seine Unterschrift für einen Mietverrag brauchte. In diesem Zusammenhang erzählte er meinem Mann die Prügel-Geschichte.
Ich habe ihm Anfang des Jahres geschrieben, wenn wir mit dem Erbe und dem Verkauf/Verpachtung der Grundstücke nicht bis Ende Juni zu Potte kommen, würde ich die Zwangsversteigerung einleiten. In diesem Zusammenhang erzählt er mir jetzt von meiner "gigantischen TäterInnen-Seite".
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt:
Wir leben finanziell in sehr unterschiedlichen Verhältnissen. Ich würde meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass er nicht auch finanzielle Interessen verfolgt.

Für eine gemeinsame Therapie müsste er erstmal von dem Trip runterkommen, dass ich für seine Situation zuständig bin. Dafür hat er seinen Therapeuten. (Er macht gerade eine Therapie, die hätte ihm die Augen geöffnet über mich und meinen Mann, was immer das heißen mag).
Und ich müsste in der Lage sein, mir seine Geschichte anzuhören.

Wildbeere hat geschrieben:
> Wie war denn euer Verhältnis bis jetzt zu den Vorwürfen?
Als Kinder haben wir - nach Aussage der Mutter - schön zusammen gespielt. Wir hatten jahrzehntelang kaum Kontakt. Er hat sich mit ungefähr 11 innerlich von der Familie verabschiedet, sagt er. Aber nicht wegen mir, sondern wegen dem Verhalten der Mutter. Er ging seine eigenen Wege, hatte aber wohl Kontakt mit der Mutter, die, wenn ich es richtig verstanden habe, in seinen Drogen-Zeiten für ihn da war. Ich übernahm die Rolle der angepassten Tochter. Er wurde totgeschwiegen, es war irgendwie klar, dass ich nicht nach ihm frage und keinen Kontakt zu ihm habe, und ich habe mich viel zu lange daran gehalten. Meine Mutter wusste, dass er vieles weiß und ich nicht. Die Grundstücks-Schenkungen in 2002 und meine 1. Therapie führte dazu, dass wir etwas Kontakt hatten, dann noch einmal mehr durch den Tod bzw. die Erbschaft unserer Eltern. Aber es war fragil und schwierig. Wegen den Prügeln habe ich ihm gesagt, dass ich davon nichts wüsste, und dass es mir leid tut.
Zu meinem Mann hatte er immer Vertrauen, hat er ihm jedenfalls gesagt. Aber in dieser mail hat er ihn so übel angegangen, das hat meinen Mann wirklich verletzt (und ihn zu verletzen ist nicht leicht, er hätte es sonst nicht so lange mit mir ausgehalten...).

Ich sehe die Verzweiflung meines Bruders, und wie sein Leben geworden ist. Hätte ich meinen Mann nicht, würde mein Leben ähnlich aussehen.
Es ist dennoch schwer für mich, sein Verhalten mir gegenüber auszuhalten.
Ich muss jetzt wohl erstmal abwarten, wann und wie er sich wieder meldet. Und was bei dem Gespräch mit der Therapeutin nächste Woche rauskommt. Dann sehen wir weiter.


Sehr viel Text, kürzer krieg ich es nicht hin...

Nochmals vielen Dank für deine Antwort, Wildbeere.
Gast
 

Re: Bin ich eine Täterin?

Beitragvon ptl » So. 11.06.2017, 08:12

Hallo Wildbeere,

vielen Dank für deine Antwort.

Wildbeere hat geschrieben:
> Hm. Durchaus kann man auch nach mehreren Therapien nicht immer alle Erinnerungen
> zurück bekommen haben - vorallem wenn es darum in der Therapie nicht hauptsächlich
> geht.
Wie kann es in einer Therapie um etwas gehen, was nie ein Thema war oder als Thema hochgekommen ist? Es gab nicht einen Fiz Anhaltspunkt dafür, sonst wäre ich mindestens in der 2. Therapie darauf angesprochen worden, da bin ich mir sicher.

Wildbeere hat geschrieben:
> Hast du deinen Bruder mal gefragt, was genau er meint und was du gemacht haben sollst?
Er möchte keinen Kontakt bis Ende Juni. Dann will er sich melden.
Das ist alles, was ich weiß, Zitat aus seiner mail:
"Kannst dich ja mal schlau machen, was es heißt, ein männliches Opfer zu sein.
Meines Alters.
Frag doch mal jemanden, der sich auskennt.
Denn deine gigantische Täter(innen)seite war bisher ja - all zu offenbar - nicht wichtig genug, um sie jemals therapeutisch bearbeiten zu lassen.
Googltipp:
https://www.google.de/search?q=m%C3%A4nner+mit+missbrachs+erfshrung&rlz=1C1GGGE_deDE543DE543&oq=m%C3%A4nner+mit+missbrachs+erfshrung&aqs=chrome..69i57.18304j0j4&sourceid=chrome&ie=UTF-8#q=m%C3%A4nner+mit+missbrauchserfahrung "

Wildbeere hat geschrieben:
> Darf ich fragen warum du die Therapien gemacht hast? Da scheinen diese Vorwürfe ja
> noch nicht im Raum gewesen zu sein oder?
Ich habe die 1. Therapie begonnen, weil ich meinem HA und meinem Mann "beweisen" wollte, dass meine körperlichen Beschwerden keine seelische Ursache haben, und weil mein Mann mir gedroht hat, er lässt sich scheiden, wenn ich keine Therapie mache. Diese Vorstellung war für mich noch schlimmer als eine Therapie... :-/ Das war 2004-2008. Parallel dazu lief über weite Strecken eine Körpertherapie. Diese Therapien waren sehr schlimm und sehr gut, sie hat mich sehr verändert und zum Leben geführt.
Die zweite Therapie 2015, nach einer Reha (mit anschließender Teilberentung) und nachdem ich den Kontakt zu den Eltern abgebrochen habe. Sie war hilfreich, aber es kam nichts wesentliches Neues oder Veränderndes dabei raus.

Mein Bruder war insofern Thema, als dass es ihm ähnlich geht wie mir und er demnach ähnliches erlebt haben muss. Mehr ist mir zu meinem Bruder nicht eingefallen, und mehr fällt mir dazu bis heute nicht ein.
Sexueller Missbrauch war Thema, soweit er mich selbst betroffen hat. Dazu habe ich ebenfalls keinen kognitven Zugang, nur durch Körpertherapie. Das war für mich eher ein Nebenschauplatz, es kann nicht sehr lange gewesen sein und nicht sehr massiv. Andere Dinge waren für mich schlimmer.

Mein Bruder macht seit ca. Anfang des Jahres mindestens seine zweite Therapie. Die hätte ihm die Augen geöffnet über mich und meinen Mann, was immer das heißen mag.

Wildbeere hat geschrieben:
> Das sind harte Vorwürfe.. scheinbar warst du selbst ein Kind zu dem Zeitpunkt oder?
So verstehe ich seine Aussagen. Wie gesagt, dazu habe ich keine Erinnerung.

Wildbeere hat geschrieben:
> Versuche mit deinem Bruder das Gespräch zu suchen, höre ihm zu und vielleicht könnt ihr mal gemeinsam eine Therapie machen?
Puh - ich muss erstmal meine eigene Stellung dazu finden. Nach einer kurzen Phase des extrem schlechten Gewissens, in der ich den ersten Text hier geschrieben habe, wurde ich sehr wütend auf meinen Bruder. Er hätte gerne, dass ich schuld bin und die Verantwortung übernehme für sein Elend. So verstehe ich seine Sätze.
Inzwischen denke ich dass ich so wütend war, weil ich (wieder mal) für etwas Verantwortung übernehmen soll, für das ich keine Verantwortung übernehmen kann. Denn inzwischen denke ich, je schlimmer die Taten von einem Kind sind, desto schlimmer ist es selbst zuvor Opfer geworden, und desto schlimmer ist seine eigene Situation. Kinder sind immer zuerst Opfer. Wenn sie zu Tätern werden, haben andere versagt, nicht das Kind.

Ihm zuhören - ich weiß nicht, ob ich mir das ihm zuliebe antun muss - und kann. Meine Seele wird ihren Grund haben, dass ich mich nicht erinnere. Ich will kein Kopfkino.
Inzwischen ist es für mich auch nicht mehr wichtig, zu wissen, was ich genau getan habe. Wichtig ist höchstens, wie es mein Bruder erlebt hat.

Für eine gemeinsame Therapie müsste er erstmal von dem Trip runterkommen, dass ich für seine Situation zuständig bin. Dafür hat er seinen Therapeuten.
Und ich müsste in der Lage sein, mir seine Geschichte anzuhören.

Ich habe aber deswegen nächste Woche einen Termin mit einer Therapeutin, bei der ich schon einmal war. Wenn, dann würde ich eine Therapie für mich machen, nicht wegen meinen Bruder. (Ich interpretiere seine mail so, dass er das gerne hätte).

Wildbeere hat geschrieben:
> Wie war denn euer Verhältnis bis jetzt zu den Vorwürfen?
Als Kinder haben wir - nach Aussage der Mutter - schön zusammen gespielt. Er hat sich schonf früh von der Familie zurückgezogen, ich übernahm den Part der angepassten Tochter. Wir hatten jahrzehntelang kaum Kontakt, nur über eine Obstwiese, die wir gemeinsam bewirtschaften müssen. Wir haben jetzt zwangsweise mehr Kontakt, wegen dem Erbe. Das gestaltet sich schwierig und belastet mich sehr.

Mein Bruder hat letztes Jahr meinem Mann erzählt, dass ich ihn verprügelt hätte. Erst die Mutter, danach ich. Das hätte System gehabt. Während zwei Jahre, in denen die Oma bei uns gepflegt wurde. Er war damals 8-10, ich 10-12 Jahre. Davon habe ich zum ersten Mal gehört. Ich habe ihm gesagt, dass es mir leid tut, und dass ich mich nicht daran erinnere.
Zu meinem Mann hatte er immer Vertrauen, hat er ihm jedenfalls gesagt. Aber in dieser mail hat er ihn so übel angegangen, das hat meinen Mann wirklich verletzt (und ihn zu verletzen ist nicht leicht, er hätte es sonst nicht so lange mit mir ausgehalten...).

Ich sehe die Verzweiflung meines Bruders, und wie sein Leben geworden ist. Hätte ich meinen Mann nicht, würde mein Leben ähnlich aussehen. Es ist dennoch schwer für mich, sein verletzendes Verhalten mir gegenüber auszuhalten.
Ich muss jetzt wohl erstmal abwarten, wann und wie er sich wieder meldet. Und was bei dem Gespräch mit der Therapeutin nächste Woche rauskommt. Dann sehen wir weiter.

Nochmals vielen Dank für deine Antwort, Wildbeere.

Viele Grüße, ptl
ptl
 

Re: Bin ich eine Täterin?

Beitragvon Wildbeere » Mi. 21.06.2017, 12:59

Da musste ich mich dann doch einmal am Computer anmelden, um wieder zu antworten.

Hey.
Es kann durchaus in Therapien um etwas gehen, woran man sich nicht erinnert. Der Körper hat ja eine Schutzfunktion - und sehr Belastendes z.B. wird verdrängt - genau, wie du sagst, es hat ja einen Grund warum ich mich nicht mehr erinnere. Meine eigenen Missbrauchserfahrungen musste ich auch mithilfe einer Traumatherapeutin wieder zurückholen, damit ich sie bearbeiten kann. Die Frage ist ja aber immer, ob man das will, weil sowas halt echt heftig ist. Problem ist nur, dass sie wenn sie unbearbeitet sind, oft sowieso irgendwann kommen und dich erschlagen.

Wobei ich auch schon oft von Bekannten erlebt habe, wenn sich kein Ereignis finden lässt, warum es einem im Erwachsenenalter nicht gut geht, heißt es beim Therapeuten Missbrauch in früher Kindheit - was ich und auch die Betroffenen selbst, für voreilig halten. Wie gesagt schon oft erlebt - und eventuell auch bei deinem Bruder so? Könnte so sein, ist einfach nur eine eventuelle Vermutung, die ich so eben oft schon erlebt habe.

Natürlich, eine Therapie sollte man an erster Stelle immer für sich selbst machen.

Dein Bruder scheint es sich sehr einfach zu machen. Ihr scheint es beide nicht leicht im Leben gehabt zu haben, aber erst einmal Vorwürfe zu machen für ein Verhalten was man eventuell als Kind an den Tag gelegt hat in einem Umfeld was scheinbar auch nicht kindgerecht war. Es scheint viel schiefgelaufen zu sein und ihr tragt beide euer Päckchen.

Das Geschwister sich aber z.B. mal prügeln - klar, Gewalt geht nicht - halte ich dennoch für normal, Machtkämpfe unter Geschwistern. Aber eine Erinnerung kann mit der Zeit schlimmer werden - vielleicht empfand er es früher gar nicht als so schlimm, aber die Erinnerung in seinem Kopf wird schlimmer.
Akzeptiere erst einmal die Entscheidung bis Ende Juni keinen Kontakt zu haben. Etwas anderes bleibt dir gerade ja quasi nicht übrig und ist vielleicht auch besser so.

Ein bisschen (sehr) klingt das Verhalten deines Bruders auch sehr nach einer ausgeprägten Persönlichkeitsstörung.

Du kannst ja gerne mal berichten, was bei deiner Therapeutin rauskam und wie du dich entschließt, weiterzumachen.

Alles Gute und freundliche Grüße
Wildbeere
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