Störung: Borderline-Persönlichkeitsstörung

Habt Ihr Erfahrungen mit oder Fragen zu der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS)? Dann könnt Ihr Euch hier in diesem Unterforum als Angehöriger, Betroffener oder Interessierter über Borderline (bzw. emotional-instabile Persönlichkeitsstörung) austauschen.

Störung: Borderline-Persönlichkeitsstörung

Beitragvon Fischli » Fr. 18.06.2004, 20:27

Borderline-Persönlichkeitsstörung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine schwere Persönlichkeitsstörung, die sich durch sehr wechselhafte Stimmungen, gestörte zwischenmenschliche Beziehungen, mangelndes Selbstvertrauen und autoaggressive Verhaltensweisen äußert. Diese Instabilitäten beeinträchtigen oft Familie und Arbeitsleben, langfristige Lebensplanung und das Selbstbild. Der Name Borderline stammt aus Zeiten, als man dachte, es würde sich bei BPS um einen Grenzfall (engl. borderline) zwischen Psychose und Neurose handeln; Menschen mit BPS leiden jedoch an einer Fehlfunktion der Gefühlsregulierung. Obwohl nicht so bekannt wie Schizophrenie oder Bipolare Störung (auch manisch-depressive Krankheit), ist Borderline häufiger und betrifft zwei Prozent der Erwachsenen, hauptsächlich junge Frauen.

Bezeichnend sind häufige Selbstverletzungen ohne Selbstmordabsicht, wie auch Selbstmordversuche und in schweren Fällen sogar vollendeter Selbstmord. Patienten mit BPS benötigen oft umfangreiche psychische Betreuung und belegen etwa 20 Prozent der psychischen Behandlungsplätze. Dank moderner Therapien kann jedoch vielen langfristig zu einem eigenständigen und sinnvollen Leben verholfen werden.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Borderline ... sst%F6rung

Weitere Infos: http://de.wikipedia.org
http://www.borderline-community.de
http://www.borderline-plattform.de/
www.blumenwiesen.org ( http://www.blumenwiesen.org/borderline.html )

Onlinetest: http://www.psychotherapiepraxis.at/b_survey.phtml
Fischli
 

Re: Störung: Borderline-Persönlichkeitsstörung

Beitragvon Leonardo » Fr. 18.11.2005, 00:00

Hallo Fischli,

entschuldige bitte, falls es der falsche Thread-Bereich sein sollte (bitte also ggf. löschen). Sind die ersten paar Min., in denen ich hier drin bin ;-). Kenne mich also absolut nicht aus.

Wollte nur hinzufügen, daß die Diagnose "Borderline" sehr häufig eine Verlegenheitsdiagnose ist ...

Abemdgrüße
Leonardo
Leonardo
 

Beitragvon -ce- » Mo. 28.11.2005, 20:44

Hab da was gefunden ...

Königinnen der Finsternis

Von Susanne Gaschke

Wird ihr seelischer Druck unerträglich, fügen sich Borderline-Patientinnen Schmerz zu. Erst jetzt nimmt die Psychiatrie die Krankheit ernst

Montagmorgen, Damentoilette der Station P2 der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Kiel. Melanie K.* hat sich mit einer Rasierklinge lange, tiefe Kerben in den Oberarm geschnitten. Sie wird auf der P2 wegen einer »Borderline«-Persönlichkeitsstörung behandelt. Die Theorie besagt, dass Selbstverletzungen den Betroffenen helfen, eine schier unerträgliche emotionale Spannung abzuleiten. Die Kranken sind gewissermaßen so außer sich, dass sie sich Schmerz zufügen müssen, um in die Gegenwart »zurückzukommen«.

Auf der anderen Seite ist ihr Bewusstsein nicht so getrübt, dass sie sich nicht mehr an Regeln halten könnten. Melanie K. weiß, dass es verboten ist, blutend auf der Station herumzulaufen, weil das die anderen Patientinnen in eine Krise treiben könnte. Sie will ihren Therapieplatz nicht riskieren. Sie klingelt nach dem Pfleger, lässt sich verbinden, fährt zum Nähen in die Chirurgie.

Es ist diese Widersprüchlichkeit, die Freunde und Angehörige von Borderline-Patienten am meisten irritiert: Was tun diese mit Absicht, worüber haben sie keine Kontrolle? Warum fügen sie sich überhaupt Verletzungen zu? Kirstin Bernhardt, die 36-jährige Oberärztin der Station P2, stellt sofort klar, dass es hier nicht um Patientinnen geht, die sich nur ein bisschen zusammenreißen müssten, um keine Probleme mehr zu haben: »Wir sprechen über Menschen, die unter einem ungeheuren Leidensdruck stehen.« Die meisten haben mehrere Selbstmordversuche und unzählige Klinikaufenthalte hinter sich. »Ihre Krankenakten füllen Regalmeter«, sagt Bernhardt.

In der medizinischen Diskussion wird die Persönlichkeitsstörung Borderline mit einer ungünstigen Kombination biologischer und sozialer Faktoren erklärt: Wer genetisch vorbelastet ist, als Embryo im Mutterleib durch Alkohol geschädigt wurde und in der Kindheit oder Jugend ein tief verstörendes Erlebnis hatte – sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigung –, ist besonders gefährdet. Ähnlich verheerend wie ein sexueller Übergriff können totale Missachtung, Abwertung oder Überforderung von Kindern durch ihre Eltern wirken.

Männliche Kranke richten Aggressionen eher nach außen – und landen im Knast

So war es bei Zoe, die gerade das dreimonatige stationäre Therapieprogramm der Kieler Klinik beendet hat. Sechzehnmal hat sie versucht, sich umzubringen, zum ersten Mal mit elf, nachdem ihre Mutter sie verprügelt hatte, weil dem Mädchen beim Abwaschen ein Glas runtergefallen war. »Ich war ein richtiges Asozialen-Kind«, sagt die mittlerweile 19-Jährige, und dass sie dabei ein schiefes Lächeln zeigt, darf man ebenso als Erfolg ihrer Therapie werten wie die Tatsache, dass sie gerade ihr Abitur in Angriff nimmt.

Sie kann heute distanziert über ihre Geschichte sprechen, über die immer neuen Männer der Mutter, die vielen Geschwister von unterschiedlichen Vätern (um die Zoe sich zu kümmern hatte); über den sexuellen Missbrauch durch den Mann ihrer Tagesmutter, die Überforderungsgefühle, wenn die Mutter der Zehn-, Elf-, Zwölfjährigen die komplette Hausarbeit aufbürdete. Und über die ständigen Selbstmordgedanken, die Magersucht, den Alkohol, die Tabletten, die Kliniken, Selbstverstümmelungen, Kliniken, Drogen, Kliniken.

Die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT), entwickelt von der amerikanischen Psychiaterin Marsha Linehan, nach der in Kiel, aber auch in Berlin, Heidelberg, Mannheim, Aachen und Freiburg behandelt wird, setzt bei den Symptomen der Krankheit an: Zunächst soll sich, dringend, das Verhalten der Patientinnen ändern – damit sie sich nicht umbringen oder schweren körperlichen Schaden zufügen. Erst später, wenn sich ihr Zustand stabilisiert hat, wird über eine Traumatherapie nachgedacht. »Die DBT ist das am besten empirisch validierte Behandlungskonzept«, sagt der Mannheimer Borderline-Experte Martin Bohus.

In gewisser Weise hat Borderline die klassische Hysterie als seelische Frauenkrankheit abgelöst; mindestens siebzig Prozent der Betroffenen sind weiblich. Überwiegend tritt die Krankheit oder eine ihrer Vorstufen zwischen dem 12. und 45. Lebensjahr auf; von allen Frauen in dieser Altersgruppe sind laut Schätzungen gut vier Prozent betroffen. Männliche Erkrankte richten ihre Ausbrüche eher gegen die Außenwelt als gegen sich selbst. Sie sind häufiger in Gefängnissen zu finden als in Krankenhäusern – auch wenn ihre Störung die gleichen Ursachen hat wie die der Frauen.

Die Diagnose wird anhand eines Neun-Punkte-Katalogs gestellt

Im Gegensatz zu Sigmund Freud schenken Therapeuten ihren Patientinnen heute Glauben, wenn diese über sexuellen Missbrauch berichten. »Die permanente Entwertung durch ihre Umwelt, die Erfahrung, dass der Grund ihres Leidens systematisch geleugnet wird, hat ja gerade zur Krankheit geführt«, sagt Bernhardt. »Wir signalisieren den Patientinnen, dass wir sie grundsätzlich ernst nehmen.« Die unbedingte Parteilichkeit für die Patientinnen gehöre, sagt Martin Bohus, zu den »Grundannahmen« der DBT. »Behandle die Patientin so, wie du möchtest, dass deine Schwester oder beste Freundin behandelt wird.«

Die Behandlung der Krankheit verschlingt – unter anderem wegen häufiger Therapieabbrüche und Arztwechsel – rund drei Milliarden Euro im Jahr, das sind 15 Prozent aller Kosten, die für Psychiatriepatienten aufgewendet werden. »Diese Summe ließe sich halbieren, wenn stationäre Einrichtungen und ambulante Therapeuten besser vernetzt wären«, sagt Joseph Aldenhoff, der Chef der Kieler Klinik. »Gerade Borderline-Patientinnen beschäftigen oft eine Vielzahl von Therapeuten, Betreuern und Ärzten, sie geraten immer wieder in Krisen und müssen häufig zwangsweise eingewiesen werden. Unser therapeutischer Ansatz zielt darauf, die Zahl der stationär verbrachten Tage zu verringern und den Patientinnen schneller beizubringen, wie sie sich selbst schützen können.«

In Kiel wie anderswo wird die Diagnose Borderline anhand eines Neun-Punkte-Katalogs gestellt: Panische Angst vor dem Alleinsein gehört dazu, ein düsteres Selbstbild, Selbstmordgedanken und -versuche; schwer kontrollierbare Wutausbrüche, eine Neigung zum verschwenderischen Geldausgeben, Drogen- oder Alkoholmissbrauch, ein Gefühl der Leere – und die gefürchteten »dissoziativen Zustände«, in die Traumatisierte geraten, wenn sie durch einen beliebigen Auslöser an ihr schlimmes Erlebnis erinnert werden. Wer fünf der neun Kriterien erfüllt, gilt als Borderline-positiv. Manche Patientinnen sind erleichtert, wenn sie endlich einen Namen für das verwirrende Muster ihres Verhaltens finden. Andere feilschen mit den Ärzten um das Vorliegen oder Nichtvorliegen einzelner Kriterien. Sabine S. zum Beispiel, eine Chemikerin, die nach ihrer ausgezeichneten mündlichen Diplomprüfung zusammenbrach und versuchte, sich das Leben zu nehmen, sagt: »Ich hatte zwar schon immer das Gefühl, irgendwie einen Knall zu haben. Aber ich finde mich in diesem Katalog einfach nicht wieder. Das bin ich nicht.«

Alternative zur Verstümmelung: Auf eine Chilischote beißen

Egal, nun ist sie hier, freiwillig, zwölf Wochen lang, auf einer offenen Station, die ein wenig an ein Internat erinnert. Es gibt Zwei-Bett-Zimmer, Ausflüge und Wochenendurlaube, jede Menge pädagogisches Personal – das Team aus Ärzten, Psychologinnen, Pflegekräften, Physio- und Ergotherapeuten. »Die Patientinnen haben ihr ganzes Leben lang etwas gelernt: Ich bin nichts wert, ich bin der letzte Dreck, der Missbrauch war meine Schuld und geschah mir ganz recht«, sagt die Oberärztin. »Und wir müssen ihnen nun alles neu beibringen.«

Ein saniertes Selbstbild steht auf dem Lehrplan – und Methoden, mit denen die Patientinnen einen Abstand zwischen sich und ihre selbstzerstörerischen Impulse legen können. Spannungstoleranz, Emotionsregulation, soziale Kompetenz, innere Achtsamkeit heißen die Fertigkeiten, die in Gruppensitzungen geübt und in Einzeltherapiegesprächen erläutert werden. Dienstags wird gemeinsam gekocht, donnerstags gebacken.

Wie in der Schule wird in der Pause geraucht, gibt es gute Lehrer und schlechte. Die Patientinnen merken genau, wo hart gearbeitet werden muss und wo die Gelegenheit zum Kichern und Auftrumpfen besteht. Was denkt die Chemikerin, wenn sie Memory spielen soll? Ist es hilfreich, Bäume zu umarmen? Muss das sein, vor jeder Sitzung beim Atmen »ein/aus, tief/ruhig, lächeln/ entspannen« zu denken?

Erklärtes Ziel der »Fünf-Sinne-Gruppe« und des »Achtsamkeitstrainings« ist es, den Kranken eine sicherere Wahrnehmung davon zu vermitteln, wie es ihnen tatsächlich geht. Sie dürfen sich ausdrücklich selbst verletzen, wenn sie keinen anderen Weg aus einem »dissoziativen Zustand« finden – aber Lernziel ist es, die Verletzungen durch etwas anderes zu ersetzen, durch das Beißen auf eine Chilischote, das Verreiben von Eiswürfeln auf der Haut, das Kneten eines Massageballs.

Jede Patientin stellt mit einer ihr zugeordneten Pflegekraft einen »Notfallkoffer« zusammen, der zehn individuell als wirksam erkannte Rettungsmaßnahmen enthält – bestimmte Musik, Atem- oder Visualisierungsübungen. Spürt die Patientin ein Ansteigen der inneren Spannung – etwa, wenn sie sich überfordert fühlt –, ist sie gehalten, die Tricks aus dem Koffer auszuprobieren, bevor sie sich verletzt. Allein durch diesen Zeitablauf wird manche Selbstverstümmelung vermieden.

Aber diese Strategie funktioniert nur, wenn die Patientin wahrzunehmen gelernt hat, wie ihr geschieht. Schlägt sie fehl, wie am Montagmorgen bei Melanie K., dann wird ein kompliziertes Verfahren in Gang gesetzt: Die Kranke schreibt ein Protokoll ihrer Krise und bespricht es mit der zuständigen Pflegekraft, mit zwei anderen Patientinnen und in der Einzeltherapie. Bei dem ganzen Prozess geht es darum, Distanz zum Geschehen herzustellen – darum, Worte für die stummen, gewaltigen Emotionen zu finden.

Selbstmord ist nicht erlaubt. Was auch immer sie sonst tun, die Patientinnen dürfen die Therapie nur beginnen, wenn sie einen Anti-Suizid-Vertrag unterschreiben. Aber hindert ein Stück Papier jemanden daran, sich von einem Hochhaus zu stürzen, wenn er verzweifelt ist? Anscheinend schon. Melanie K. erzählt ihrer Therapeutin von ihrem Montagmorgen: »Ich wollte mir Tabletten besorgen, wollte Schluss machen. Aber in der Apotheke kam mir der Gedanke: Non-Suizid-Vertrag.«

Dann habe sie Rasierklingen gekauft. »Das war ja auch ein schweres Wochenende für Sie«, sagt die Psychologin. »Was war da passiert?« Melanie K., körperbehindert, vom Onkel sexuell missbraucht, geplagt von inneren Stimmen, die auf sie einbrüllen, erzählt von ihrer Mutter, die sich mit der Krankheit der Tochter nicht abfinde. Von einem nervenaufreibenden Drei-Stunden-Termin mit dem Sozialpädagogen in der betreuten Wohneinrichtung, in die sie nach Ende des DBT-Programms ziehen wird. Von der Beziehung zu ihrem Freund, der Alkoholiker ist.

Der Freund mache ihr Vorhaltungen: Er trinke, weil er durch ihre Krankheit viel allein sei. Bei dem Versuch, mit ihm zu schlafen, fühlte sie sich schlagartig in die Missbrauchssituation zurückversetzt, sagt Melanie K. »Ein Flashback. Es war, als ob ich das alles gerade eben erst durchgemacht hätte.« Sie müsse – Achtsamkeit! – genau beobachten, ob ein guter Zeitpunkt für sexuelle Kontakte gekommen sei oder nicht, sagt die Therapeutin. Sie müsse mit ihrem Partner ein Stoppsignal vereinbaren, wenn sie nicht weitermachen wolle. Ihre Grenzen wahren. »Sie sind nicht schuld, dass er trinkt, Sie müssen deshalb nicht mit ihm schlafen.« Ja, sagt Melanie K.

Wie wird sie zurechtkommen, wenn sie die P2 verlässt? Im Moment lebt sie in einer Schutzzone, wo man sie versteht, wo ihre Körperbehinderung (ihr fehlt der linke Unterarm) keine Rolle spielt; wo keine Leistungskriterien angelegt werden. Nur die Frage ist hier stets im Raum, ob sie aufrichtig versucht, sich selbst zu helfen. Das tut sie. Aber wird es reichen für draußen?

Es ist vermutlich kein Zufall, dass viele Borderliner starke Hospitalisierungstendenzen aufweisen: Oft sind die professionellen Helfer die Einzigen, die sich auf Dauer diesen schwierigen Menschen zuwenden. Und so wirken die vielen Klinikaufenthalte auch als Schutz gegen das Leben in einer kalten Effizienzgesellschaft. »Das ist einer der Gründe, warum wir den Aufenthalt bei uns vertraglich auf drei Monate begrenzen«, sagt Bernhardt. »Die Krisen nehmen nämlich häufig zu, wenn eine Entlassung bevorsteht.«

Den Kieler Ärzten ist es freilich nicht gleichgültig, wohin ihre Patientinnen entlassen werden; bis zum Ende der Therapie muss die Wohnsituation geklärt sein. Viele Kranke haben keine eigene Wohnung mehr und keine Familie, zu der sie zurückkehren könnten. Für diese Frauen gibt es in einer 230000-Einwohner-Stadt wie Kiel verschiedene betreute Wohnmodelle, die sich auf Borderline- und Essstörungen spezialisiert haben. Die Kosten für einen teilstationären Aufenthalt mit therapeutischer Begleitung liegen bei etwa 60 Euro pro Tag und werden, je nach Lage der Betroffenen, entweder vom Sozialamt oder von der Bundesagentur für Arbeit übernommen, wenn die Patientin Empfängerin von Arbeitslosengeld II ist.

Ein Krankenhaus mit spezialisiertem Angebot muss darauf achten, dass sich in seinem Windschatten nicht zu viele Wohnangebote für die Zielgruppe etablieren. »Eine Art Borderline-Zuwanderung in die Stadt hätte nichts mehr mit gemeindenaher Psychiatrie zu tun«, sagt Kirstin Bernhardt. Sie kämpft auch deshalb für eine bessere Vernetzung der Therapieangebote, weil es gerade bei den Dauerwohneinrichtungen sehr unterschiedliche Qualitätsstandards gibt.

Nicht immer erscheint die Nachsorge aus Kliniksicht optimal. In Einrichtungen etwa, wo die Betreuer nur in der Woche tagsüber Dienst tun – die Abende und das krisenanfällige Wochenende werden mit Telefonkontakten überbrückt –, können sich jene Merkmale der Krankheit ungehemmt entfalten, die quasi jugendkulturellen Charakter haben: Natürlich wird bei dieser Lernkrankheit nachgeahmt, natürlich schaukeln sich die Patientinnen gegenseitig zu Katastrophenstimmungen hoch. Es gibt ein Phänomen bei Borderline-Erkrankten, das die Mediziner »Queen-of-Darkness-Syndrom« nennen: Jede will die Kränkste sein, diejenige, die am tiefsten schneidet, am wenigsten isst, das größte Mitgefühl verdient.

Fotos von Friedhöfen und Grabsteinen als Zimmerschmuck

Eine wahre Königin der Finsternis richtet sich selbstverständlich auch ihr WG-Zimmer angemessen ein: mit Fotos von nebligen Friedhöfen und Grabsteinen zum Beispiel, mit schwarzen Kerzen und Kreuzen und anderen düsteren Accessoires. An diesem Punkt wird augenfällig, dass es – nicht im seelischen Kern, aber gleichsam an der Oberfläche der Erkrankung – durchaus einen inszenatorischen Teil gibt, der fließend in »normale« Ausdrucksformen der Jugendkultur übergeht. »Letztlich sind Tätowierungen und Piercings an allen nur denkbaren Körperstellen ja auch nur eine Form der (gesellschaftlich akzeptierten) Selbstverletzung«, sagt Franz Resch, der Chef der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universitätsklinik Heidelberg.

Auf manchem Arm einer Borderline-Patientin sind Schnitte, die durchaus nicht immer schamhaft verborgen werden, säuberlich nebeneinander angeordnet wie ein makaberer Schmuck – kein Zeichen unkontrollierter Raserei, sondern planvolle Zeichnung des Körpers.

Was uns an der Krankheit bewegen muss, ist die Tatsache, dass der Wahnsinn, der unter dieser gestalteten Oberfläche wütet, gesellschaftlich mitverursacht ist. Es gibt Menschen – einen Täter oder ein ganzes Umfeld –, die schuld daran sind, dass andere Menschen so leben müssen: mit zerstörten Gefühlen, mit Selbstverachtung und dem verzweifelten Bemühen um Zuwendung.
Und eine wachsende Zahl von Eltern ist nicht mehr in der Lage, ihren Kindern die Liebe und Anerkennung zu geben, die ein Mensch zum unbeschadeten Aufwachsen braucht. Die Zahl der Borderline-Kranken wird nicht kleiner werden.


(c) DIE ZEIT 24.11.2005 Nr.48

Wer einen Kommentar schreiben will, der die Autorin erreichen soll:

http://www.zeit.de/2005/48/M-Borderline?page=all
-ce-
 

Beitragvon gottverlassen » So. 18.12.2005, 19:03

wie kommt es denn daß es viel mehr weibliche als männliche borderliner gibt ?

und warum sind männliche borderliner so anders, also steht ja im text: landen eher im knast und tun eher anderen gewalt an als daß sie sich selbst verletzen ??
also wieso reagieren die trotz gleicher krankheit so völlig anders ?

das würde mich jetzt mal interessieren, auch weil der text fast nur ausschließlich von weiblichen betroffenen handelt ...
gottverlassen
 

Beitragvon Versager :'( » Di. 07.02.2006, 04:18

wie kommt es denn daß es viel mehr weibliche als männliche borderliner gibt ?

ich glaube, dass es gar nicht mal sooo sehr viel mehr weibliche als männliche betroffene gibt, bloß dass es bei männlichen sehr viel seltener als solches erkannt und diagnostiziert wird.
dazu kommt wohl, dass mädchen verhältnismäßig öfter opfer von gewalt- und missbrauchserfahrungen werden als jungen, obwohl die anzahl von männlichen opfern wohl auch unterschätzt wird und größer ist als angenommen, und vielleicht noch öfter verschwiegen wird

und warum sind männliche borderliner so anders, also steht ja im text: landen eher im knast und tun eher anderen gewalt an als daß sie sich selbst verletzen ??
also wieso reagieren die trotz gleicher krankheit so völlig anders ?

ich denke ein hauptgrund sind die immer noch vorherrschenden vorstellungen von geschlechterrollen in der gesellschaft und dass jungen und mädchen teilweise immer noch sehr unterschiedlich erzogen werden, und auch im speziellen anders erzogen werden, mit gefühlen und seelenschmerz umzugehen.
es ist unglaublich tief im "unterbewusstsein der gesellschaft" der grundgedanke verankert, dass männer "hart" sein müssen und keine schwächen haben dürfen, und wenn sie doch welche haben, sie sie bloß nicht zeigen dürfen und alleine damit klar kommen müssen. außerdem wird von männern eher erwartet, dass sie funktionieren und "machen" anstatt groß zu reden oder über die situation zu reflektieren.

es gibt aber auch viele männliche borderliner, die sich auch selbst verletzen durch cutten z.b, und es gibt sehr wohl auch aggresive und durch nach außen gerichtete gewalt auffallende borderlinerinnen.

borderlinern wird oft "schwarz-weiß-denken" vorgeworfen, aber sehen sich zuweilen oft mit ähnlichem schwarz-weiß-denken zum thema borderline von nicht-betroffenen und sogar vielen ärzten konfrontiert, die gewisse starre und vorurteilsbeladene vorstellungen eines bestimmten "typischen" borderline-schemas haben.

das würde mich jetzt mal interessieren, auch weil der text fast nur ausschließlich von weiblichen betroffenen handelt ...

das stimmt, ist aber öfters so zu beobachten bei den (angeblich) typischen "frauen-themen" borderline, svv, missbrauch und essstörungen, dass der männliche betroffenenkreis unverhältnismäßig "benachteiligt" und unterrepräsentiert (seltener) in den betrachtungsfokus kommt, ja teilweise sogar überhaupt nicht wahrgenommen und erwähnt wird.

es muss schon noch zusätzlich bitter für einen männlichen betroffenen sein, wenn er etwas über "seine" krankheit/problem recherchieren will, und fast nur auf texte stößt, in denen es heißt: "die betroffenen mädchen und frauen... die patientinnen... etc." - ein gutes beispiel dafür ist der von -ce- hier in diesem thread eingestellte text, in dem bis auf den einzeiler "Männliche Kranke richten Aggressionen eher nach außen – und landen im Knast" kein einziges mal mehr auf die situation von männlichen borderlinern eingegangen wird, und der komplette text (bis auf diese eine zeile eben) ausschließlich die weibliche form (z.b "patientin") benutzt!

und wir reden hier nicht etwa von absoluten ausnahmefällen oder randerscheinungen im promille-bereich, sondern immerhin ca. 30% (!) der borderline-erkrankten sind tatsächlich männlich.


dafür ist z.b. andersrum zu beobachten, dass auffällig öfter von männlichen schizophrenen als von weiblichen berichtet wird, obwohl das geschlechterverhältnis bei der schizophrenie ungefähr gleich bei 50:50 liegt... hier zeigt sich das gegenteil, nämlich dass in der gesellschaft die schizophrenie eher mit männlichen erkrankten assoziiert wird.
Versager :'(
 

Beitragvon planb » Di. 07.02.2006, 12:27

Wie sollte man sich gegenüber jemandem, der Borderline hat, verhalten? Insbesondere, wenn es grad kippt (ich meine, wenn er sich zum Beispiel grad intensiv mit Suizidgedanken beschäftigt)?
planb
 

Beitragvon CrazyKiwi » Di. 07.02.2006, 21:41

Lass mal so sagen, in dem was ich bisher an Fachliteratur dazu gewälzt habe gibt es eigentlich nur eine Antwort: "Es gibt keine Antwort" -.-
Zumindest keine allgemeine, das einzige was man tun kann und sollte ist, so zu handeln wie man es für richtig hält, man kennt die Person ja und weiß doch das ein oder andere über sie. Am sinnvollsten wäre es natürlich wenn man sie davon überzeugen und nicht überreden kann sich von einem Profi helfen zu lassen, denn egal wie gut man es meint, an jemanden der Ahnung davon hat kommt man da meist nicht ran...

Ich wünsche dir und demjenigen den es betrifft alles Gute!

Alles Gute

Crazy Kiwi

P.S. Es ist schwer bei sowas nicht zuviel zu versprechen, aber man sollte versuchen das Vertrauen unbedingt aufrecht zu erhalten, daher pass auf nichts zu versprechen, dass du nicht auch halten kannst.
CrazyKiwi
 

Beitragvon planb » Di. 07.02.2006, 21:52

Kiwi, ich danke dir. Werd noch ein bisschen darüber nachdenken.
planb
 

Beitragvon CrazyKiwi » Di. 07.02.2006, 21:58

Gute Entscheidung wie ich finde, eine Sache noch, ich ich Dussel beim ersten Eintrag vergessen habe und die trotzdem extrem wichtig ist: Nerven behalten!, denn das ist oft gar nicht einfach wenn die Stimmung mal umschlägt. Was auch wichtig wäre ist einmal nicht zu vergessen, was mit dem gegenüber los ist, da werden Sachen gesagt mit denen man sonst nie rechnen würde. Und zum letzten: Red am besten mit jemand anderem nochmal drüber, damit auch du es verarbeiten kannst, so ein Gespräch kann nämlich auch durchaus eine Belastung darstellen.

Alles Gute

Crazy Kiwi
CrazyKiwi
 

Beitragvon faithless » Mi. 08.02.2006, 03:30

ich lese gerade im wikipedia-artikel zum thema (http://de.wikipedia.org/wiki/Borderline-Pers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6rung) und bin darin auf etwas gestoßen, was ich zuvor noch nicht wusste und mich grad irgendwie echt sehr erschreckt:

Tragisch kann es werden, wenn sich ein Kind in der Abhängigkeit einer solchen [borderline-gestörten] Person befindet, weil sie keine harmonische, enge Beziehung zu dem Kind aufbauen können. Bei Kleinkindern und Säuglingen macht sich das noch nicht bemerkbar, wohl aber, je mehr das Kind versucht selbstständig zu handeln. Das Kind wird dabei nicht ernst genommen und stattdessen regelmäßig ironisiert und verspottet, was aber von den Eltern nach der Tat versucht wird wieder gut zu machen. In der Regel oszilliert dieses Verhalten. Dem Kind wird die vorgebrachte Beschwerde keiner glauben, auch amtlicherseits nicht, weil ihr diese Unlogik innewohnt. Personen mit einer ausgeprägten Borderline-Störung sollten deshalb vom Kinderwunsch abgebracht werden, solange die Krankheit nicht geheilt ist.

sind borderliner tatsächlich solche schrecklichen monster und echt so gefährlich und schädlich für kinder? :cry:
faithless
 

Beitragvon Lingenia » Mi. 08.02.2006, 09:28

faithless hat geschrieben:
sind borderliner tatsächlich solche schrecklichen monster und echt so gefährlich und schädlich für kinder? :cry:


:twisted: schreckliche Monster! jetzt macht mal wieder nen Punkt!!! :twisted: :schluchz:
Lingenia
 

Beitragvon planb » Mi. 08.02.2006, 12:45

faithless hat geschrieben:sind borderliner tatsächlich solche schrecklichen monster und echt so gefährlich und schädlich für kinder? :cry:


Das ist deine Wertung. In dem Artikel steht davon nichts.
planb
 

Normal

Beitragvon Lucky?girl » Mo. 23.04.2007, 17:43

PLANB hat geschrieben:Wie sollte man sich gegenüber jemandem, der Borderline hat, verhalten? Insbesondere, wenn es grad kippt (ich meine, wenn er sich zum Beispiel grad intensiv mit Suizidgedanken beschäftigt)?


Ich würde als Borderlinerin auch gerne mal etwas dazu sagen..
vllt. versucht ihr euch mal ein wenig in uns hinein zu versetzen..
Behandelt uns einfach ganz normal, wenn ihr uns immer standpauken haltet wirds nich besser, im gegenteil. ihr solltet ganz normal sein und dem menschen einfach sagen dass ihr für ihn da seit wenn er euch braucht..
Aber lasst ihn auch in Ruhe wenn er dass wirklich möchte.
das is absolut die beste lösung.
ich hoff ich konnte dir da ein bisschen helfen.

lg
Miriam
Lucky?girl
 

Re: Normal

Beitragvon Lingenia » Mo. 23.04.2007, 17:46

Lucky?girl hat geschrieben:Aber lasst ihn auch in Ruhe wenn er dass wirklich möchte.

ich pers. finde das schwierig, da herrauszufiltern ob "er" das WIRKLICH MÖCHTE.
Lingenia
 

Re: Normal

Beitragvon Lucky?girl » Mo. 23.04.2007, 18:03

Lingenia hat geschrieben:ich pers. finde das schwierig, da herrauszufiltern ob "er" das WIRKLICH MÖCHTE.


Natürlich ist es so dass man dass manchmal eig. nicht möchte, aber denjenigen die ganze zeit zu nervn ist auch sinnlos, ich glaub du merkst es am ton, ob man das wirklich möchte oder nicht.
Lucky?girl
 

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