Arbeit, Stimmen & die Engel aus der Hölle

In diesem Forum geht es um psychotische Störungen und Symptome (wie z.B. Wahn, Paranoia und Halluzinationen) und das Krankheitsbild der Schizophrenie.

Arbeit, Stimmen & die Engel aus der Hölle

Beitragvon Lunatix » Sa. 23.06.2012, 23:07

Hallo.

Ich würde euch gerne mal etwas fragen bzw. erfahren, wie andere Betroffene damit umgehen.

Vielleicht sollte ich erst einmal kurz schildern, worum es mir geht.

Seit ich denken kann fühle ich mich ferngesteuert. Als wäre ich nur eine kleine Marionette, die von einer 'größeren Macht' gesteuert wird. Diese Macht pflanzt mir unter anderem auch sehr oft fremde und unschöne Gedanken in den Kopf, die ich dann gezwungen bin zu denken, obwohl sie gar nicht mir gehören.
Ich höre Stimmen, die mein Leben kommentieren, aber auf eine Art, als wäre alles schlecht. Als wäre ich ein kleines dummes Mädchen, das alles falsch macht. Sie beschimpfen mich, sind gemein, machen mir oft Angst und schreien manchmal so laut, dass es richtig schrill wird und es mir Tränen in die Augen treibt, weil es in meinen Ohren so weh tut.
Und ich sehe [Menschen]. Eigentlich sind es keine Menschen, sie sehen eher aus wie Geister. Weiß gekleidet, transparent, schwarze Löcher anstelle der Augen. Mittlerweile weiß ich auch, dass sie außer mir niemand sehen kann, weil andere Menschen einfach durch sie hindurch laufen, als wären sie gar nicht da.
Sie folgen mir überall hin, ich bin also nie allein.

Ich habe in der Arbeit (bin noch in der Ausbildung) immer mehr Probleme, mich auf die eigentliche Arbeit zu konzentrieren. Um ehrlich zu sein ist es mittlerweile so weit, dass ich jederzeit mit meiner Kündigung rechne, weil ich einfach nichts mehr auf die Reihe bekomme und immer mehr Fehler mache.
Es sind hauptsächlich die Stimmen, die mich immer wieder aus der Arbeit reißen und meine eh schon gering ausfallende Konzentration zerfressen.

Wie geht ihr mit sowas um?
Wie bekommt ihr das während der Arbeit [in den Griff?] auf die Reihe?

LG
Lunatix
Lunatix
 

Re: Arbeit, Stimmen & die Engel aus der Hölle

Beitragvon Atisha » So. 24.06.2012, 00:11

Hallo, du bist da schwer erkrankt. Ich kenne auch Depression, Ängste und paranoide Schizophrenie, seit meiner frühesten Kindheit weis ich, dass etwas nicht in Ordnung ist mit mir. Aber alles hält sich noch in guten Grenzen die Neuroleptika helfen ganz gut. Ich weis nicht wie du mit den ganzen Ferngesteuertheiten umgehen sollst. Denn wenn ich manchmal ein bischen was davon habe, dann ist es unerträglich für mich. Aber oft geht mirs noch recht gut. Ich bin ja wirklich der Meinung, dass wir Schizophrenen mit unserem Kopf in anderen, übersinnlichen Welten drinnen stecken und dort von Wesen beeinflußt werden. Nun herrschen dort andere Gesetze, solche wie das wenn man dahin eintaucht einem die Gedanken ferngesteuert werden ... daran sieht man auch wie nützlich so ein Körper ist, der einen davon abschirmt, damit man selbständig und frei Denken kann.
Eigentlich können wir deshalb nur versuchen so gut wie möglich mit unserem Kopfe da wieder in unserem Körper zu stecken, also das wir uns mit dem Leben wohlfühlen und es annehmen.
Atisha
 

Re: Arbeit, Stimmen & die Engel aus der Hölle

Beitragvon Lunatix » So. 24.06.2012, 16:34

Hallo Atisha.

Atisha hat geschrieben:Ich weis nicht wie du mit den ganzen Ferngesteuertheiten umgehen sollst. Denn wenn ich manchmal ein bischen was davon habe, dann ist es unerträglich für mich.


Ja, es ist alles andere als angenehm. Vor allem eben, wenn Kopf und Körper nicht mehr harmonieren.
Ich bin über jeden Moment froh, in dem ich mein Denken selbst steuern kann, nur kommt es eben immer häufiger vor, dass der Körper dann nicht mitspielt, weil an den Fäden gezogen wird und ich selbst keinen Einfluss darauf habe.
Dann mache ich oft Dinge, die ich gar nicht machen will und die meinem Denken eigentlich vollkommen widersprechen.
Lunatix
 

Re: Arbeit, Stimmen & die Engel aus der Hölle

Beitragvon Atisha » Mo. 25.06.2012, 23:09

gibt es bei dir eigentlich eine Abhängigkeit von der Tageszeit? Bei mir wird es morgens und vormittags schlimm, so bis 14:00 Uhr
Atisha
 

Re: Arbeit, Stimmen & die Engel aus der Hölle

Beitragvon Lunatix » Di. 26.06.2012, 00:47

Morgens ist es bei mir eher noch erträglich. Richtig schlimm wird es so ab 8 Uhr und das hält dann meistens auch bis spätabends an, wobei es nicht vollkommen durchgehend ist. Es gibt zwischendurch auch mal kurze 'Ruhepausen'.
Lunatix
 

Re: Arbeit, Stimmen & die Engel aus der Hölle

Beitragvon pianoalfred » Do. 28.06.2012, 20:16

liebe lunatix
das was du da beschreibst sind schwer psychotische zustände
ich weiß noch immer sehr lebhaft wie ich vor 15 jahren meine erste psychose erlebt habe
und diese kommentierenden schimpfenden und einen an allem schuldgebenden stimmen habe ich über ein jahr gehört ich wüßte nicht das ich krank bin und bin auch eher zufällig nach einem jahr ins krankenhaus gekommen und hab dort zum erstenmal erfahren das ich paranoide schizophrenie habe
ich konnte die stimmen wegbringen durch medikamente aber vor allem weil ich angefangen habe mich zu weigern ihnen zuzuhören und ihre lügen zu glauben
du hast mein tiefstes mitgefühl für diese krankheit es ist ein sehr schwieriger prozess es als krankheit des gehirns anzunehmen und damit leben zu lernen
ich lerne das seit 15 jahren es wird besser und vor allem ohne medikamente geht es überhaupt nicht
die neuroleptiker heutzutage sind sehr gut und helfen deinen dopaminhaushalt zu regulieren
dieses zuviel an dopamin verursacht stimmen halluzinationen etc
zum abschluss noch ein spruch der mir geholfen hat
"es gehört mut dazu vom unzumutbaren betroffen zu sein es anzunehmen und jeden tag dagegen zu kämpfen"
ich wünsch dir von herzen das es besser wird
noch etwas ich bin durch die schizophrenie auch aus dem arbeitsprozess rausgefallen und in pension
ich arbeite aber schon seit jahren geringfügig in einer tagesstrucktur
bei mir gings nicht mehr anders obwohl ich sagen muss besser ist es wenn man im arbeitsprozess bleiben kann weil man sich stigma erspart
und mit medikamenten gehen akute psychosen nach einigen monaten vorbei
wenn du fragen hast frag ruhig ich weiß sehr viel über schizophrenie
LG pianoalfred
pianoalfred
 

Re: Arbeit, Stimmen & die Engel aus der Hölle

Beitragvon Lunatix » So. 01.07.2012, 23:02

Hallo pianoalfred,

vielen Dank für deine Antwort.


pianoalfred hat geschrieben:ich konnte die stimmen wegbringen durch medikamente aber vor allem weil ich angefangen habe mich zu weigern ihnen zuzuhören und ihre lügen zu glauben
[...]
ich lerne das seit 15 jahren es wird besser und vor allem ohne medikamente geht es überhaupt nicht
die neuroleptiker heutzutage sind sehr gut und helfen deinen dopaminhaushalt zu regulieren
dieses zuviel an dopamin verursacht stimmen halluzinationen etc


Ich finde es sehr bewundernswert, wie du damit umgehst und das auch schon seit einer so langen Zeit.

Neuroleptika wurden mir auch verschrieben, ich nehme sie aber normalerweise nur abends.
Tagsüber nur, wenn es so schlimm wird, dass die Gefahr besteht, dass ich selbst zur Gefahr (für mich selbst oder auch für andere) werde.
Das Medikament 'dämpft' die Stimmen zwar ein wenig, aber nur, wenn die Dosierung so hoch ist, dass ich selbst absolut unzurechnungsfähig werde.


noch etwas ich bin durch die schizophrenie auch aus dem arbeitsprozess rausgefallen und in pension
ich arbeite aber schon seit jahren geringfügig in einer tagesstrucktur


Spielte die Arbeit bei dir eine große Rolle bezüglich der Schizophrenie?
Ich meine rein vom Unterschied her zwischen Vollzeit und Geringfügig.
Ich habe zur Überbrückung auch mal für kurze Zeit auf geringfügiger Basis (400€/66 Std. pro Monat) gearbeitet und da ging's mir von meinem Zustand her nicht ganz so schlecht (weiß nicht, ob das vielleicht auch mit dem geringeren Stress zusammenhing) wie bei einer 40 Stundenwoche.

LG
Lunatix
Lunatix
 

Re: Arbeit, Stimmen & die Engel aus der Hölle

Beitragvon Atisha » Mo. 02.07.2012, 00:06

also ich merke den Stress auf Arbeit deutlich, auch den positiven Stress. Wenn es danach ginge dürfte ich gar nicht mehr arbeiten. Aber ich will ja ein klein wenig wenigstens. So den 400€-Job wenigstens.
Atisha
 

Re: Arbeit, Stimmen & die Engel aus der Hölle

Beitragvon pianoalfred » Di. 03.07.2012, 16:23

liebe lunatix
es ist schwer wegen der arbeit etwas zu raten
auf der einen seite ist es eine tatsache das man mit schizophrenie nicht mehr so leistungsfähig ist
auf der anderen seite hadere ich sehr mit meinen schicksal weil ich unzufrieden bin
ich bin ja auch musiker und hab als ich noch gesund war in einer band gespielt
ich würde so gern wieder so gesund werden das ich das wieder beginnen kann
nur werd ichs nicht im gegenteil ich werd immer schwächer in letzter zeit
wenn es irgendwie dir möglich ist bleib in einer geregelten arbeit
das ist gut für den selbstwert und für ein normales leben
für meinen selbstwert als mann ist es eine katastrophe nicht mehr genügend zu funktionieren darum hab ich auch keine frau weil ich nicht genüge und nichts bieten kann
meine familie glaubt teilweise das ich nicht krank bin sondern zu faul zum arbeiten was nicht stimmt und hat sich von mir abgewendet bis auf eine schwester die nicht
du musst für dich selbst rausfinden wo deine grenzen sind
und wenn du feststellst das es eben nicht mehr geht dann must du auch eine frühpensionierung in betracht ziehen aber ich rate davon ab es ist trostlos
jetzt hab ich genug gejammert es ist meine situation wie sie ist
LG pianoalfred
pianoalfred
 


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