Angehörige sucht Rat

In diesem Forum geht es um psychotische Störungen und Symptome (wie z.B. Wahn, Paranoia und Halluzinationen) und das Krankheitsbild der Schizophrenie.

Angehörige sucht Rat

Beitragvon aeola » Fr. 10.02.2012, 20:27

Hallo Ihr Lieben!

Erst Mal vielen Dank für den herzlichen Empfang hier im Forum! :D

Meine Schwester ist an einer Pschose erkrankt und zur Zeit in einer geschlossenen Psychatrie Abteilung in einem Krankenhaus, in dass ich sie selber vor ungefähr einer Woche gebracht habe. Sie saß wie ein Häufchen Elend auf ihrem vermüllten Sofa. Medikamente kreuz und quer, auch auf den Boden verstreut. Ihr Ehemann verleugnet die Krankheit und nimmt sie nicht ernst bzw. ist so hilflos und erschreckt, dass seine Reaktion auf die Krankheit so etwas wie ein Schutz-Mechanismus ist. So bin ich diejenige, die im Moment die Hauptverantwortung trägt und fühle mich überrollt und hilflos.

Was meine Schwester über ihre Krankheit erzählt hat, ist das sie von mehreren Personen begleitet wird, die immer da sind und ihr manchmal Befehle geben oder auf sie einreden oder auch helfen. Sie führt Handlungen aus, an denen sie sich hinterher nicht mehr erinnert, wie z. B. nachts Gegenstände, Möbel aus dem Fenster auf die Straße werfen oder auch nachts im Schlafanzug barfuß auf die Straße gehen (und das bei diesen Temperaturen!).

Sie selber wäscht sich nicht mehr, zieht sich nicht richtig an, nimmt ihre Medikamente nicht oder unkontrolliert (z.B. 3 oder 4 auf einmal). Ganz genau, weiß ich nicht, was für Medis sie nimmt oder nehmen sollte, denn nicht immer wird mir der Zutritt in die Wohnung gewährt. Ich gehe ihren Ehemann wohl auf den Wecker. Er will nur seine Ruhe haben. Das Medikment was ich gesehen habe, heißt Risperidon.

Die Wohnung selber hat Messi-Zustände angenommen, so konnte ich noch nicht mal eine Tasche mit Wäsche und Zeugs packen als ich sie ins Krankenhaus gefahren habe, da weit und breit nichts Sauberes zu finden war. Ich bin dann am anderen Tag gleich los gerannt und habe Schlafanzug, Unterwäsche etc. gekauft.

Wisst Ihr, die schwere Erkrankung ist eine Sache, aber die Begleitumstände, die machen mich richtig fix und fertig. Ich glaube schon, dass es Mittel und Wege gibt und auch Lösungen, aber so.... :cry: Wenn sie wieder aus dem Krankenhaus kommt und dann in diese Wohnung und ohne Pflege. Ich bin richtig verzweifelt. :(

Vielleicht könnt ihr mir ein paar Tipps geben oder habt Erfahrungen, wie der Weg bei einer so ausgeprägten Erkrankung ist.

Ganz liebe Grüße :ciao:

Aeola
aeola
 

Re: Angehörige sucht Rat

Beitragvon Stern* » Sa. 11.02.2012, 13:29

Huhu Aeola

Ich kann nun direkt zu psychosen nichts sagen, sry.
Aber ich mag dir da lassen das ich dich gelesen habe und das ich es gut finde, das du dich kümmerst.
Was den Mann deiner schwester angeht kann ich das nicht verstehen, das liest sich so als hätte er irgendwie aufgegeben und nimmt alles einfach so hin und mag sich damit nicht mehr auseinandersetzen.
Vielleicht is es auch einfach die hilflosigkeit und die Angst manches nicht mehr verändern zu können.
Ich denke das es wichtig ist das er deine schwester unterstützt und das er ihr hilft.
Er ist ihr mann und sie seine frau.
Ich finde es gut das du dich kümmerst aber ihr mann muss da auch mitspielen sonst hast du keine chance die räumlichen umstände zu verändern.
Mich macht das echt irgendwie wütend das er sich und sie so fallen lässt, obwohl ich denke das es dafür einen grund gibt.
Ich denke, ich würde versuchen mit dem Ehemann von ihr mal ein ruhiges gespräch zu führen und zu schauen was du da erreichen kannst.

ich wünsche dir alles gute
Liebe Grüße Stern
Stern*
 

Re: Angehörige sucht Rat

Beitragvon Vanilla » Sa. 11.02.2012, 17:00

Ich habe Schizophrenie, hatte 3 Psychosen.
Es ist wohl unterschiedlich, ob man trotz Psychose noch sich selbst, oder die Wohnung pflegen kann und liegt auch im Wesen
der Erkrankten.
Vielleicht fragst du mal beim sozial-psychiatrischen Dienst, welche hilfreichen Möglichkeiten es für deine Schwester gibt, wenn sie mal entlassen wird.
Ich kann mir gut vorstellen, wie schwer diese Situation für dich ist :troest:
LG, Vanilla
Dir wurde dieses Leben gegeben, weil du stark genug bist um es zu leben.
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Ja, ich hasse meine MS und sie mich scheinbar auch. Aber manchmal sitzen wir auch zusammen und lachen gemeinsam über meinen Gang

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Re: Angehörige sucht Rat

Beitragvon Atisha » Sa. 11.02.2012, 17:27

Das Risperidon gibts auch als Depotspritze, das wäre vielleicht nicht schlecht, wegen vergessens der Medieinnahme.

Ansonsten so ausgeprägt kenne ich die Erkrankung auch nicht. Ich würde mich an die Krankekasse wenden um zu Erfahren wie es nach dem Krankenhausaufenthalt weitergehen kann. Und das beste ist alles gleich noch vor Ort, solange sie im Krankenhaus ist, zu klären. Im Krankenhaus gibt es auch einen Sozialarbeiter, vielleicht den mal fragen.
Atisha
 

Re: Angehörige sucht Rat

Beitragvon aeola » Sa. 18.02.2012, 00:58

Hallo Ihr Lieben! :D

Vielen Dank für eure Antworten. Meine Schwester hat jetzt ein neues Medikament bekommen, was sehr gut bei ihr anschlägt: Haldol. Die Schwester sagte mir aber, dass es ein sehr starkes Medikament sei, was sie nur in Ausnahmefälle anwenden.

Hat jemand von euch Erfahrung mit Haldol gemacht? Meine Recherche im Internet hat mich eher verunsichert. Leider verweigert trotz des Medikamentes meine Schwester jegliche Mitwirkung ihrerseits bei den Ärzten und Schwestern. Gestern habe ich sie gefragt, ob ich sie baden könnte, Haare waschen und umziehen....sie hat sofort zugestimmt. Ich war sehr glücklich, obwohl es auch sehr anstrengend für mich war (ich habe eine körperliche Behinderung - eine chronische Hauterkrankung, die mit starken Schmerzen und Narbenbildung einher geht).

Es tut mir so leid, dass ich nicht in Vollbesitz meiner Kräfte bin ob meiner Krankheit. Es ist meine Schwester und ich habe sie unheimlich lieb! Die Art der Erkrankung schreckt mich nicht, wie so viele. Der eine Mensch hat einen Schlaganfall, der andere Krebs, ein anderer einen Herzinfakt und meine Schwester hat eben eine sehr starke Psychose. Ich habe schon oft mit den Kopf geschüttelt, aufgrund der Reaktionen. Ist ein Tabu-Thema. :ttraurig:

Da es meiner Schwester jetzt besser geht, will sie wieder nach Hause - die Ärztin hat aber gesagt, dass geht auf keinen Fall. Sie langweilt sich total und ich habe jetzt meinen alten CD-Player mobilisiert und stelle Hörbücher füer sie zusammen. Meine Schwester mag eigentlich Fantasy und Thriller, jetzt bin ich mir aber nicht so sicher, ob ich ihr diese Hörbücher bringen soll. Vielleicht sind Bücher a la Rosamunde Pilcher besser?
:cuddle:

Es wäre sehr schön, wenn ihr mir bei der Auswahl helft und Betroffene mir einen Rat geben könnten...

Ich wünsche euch allen ein schönes Wochenende!

Liebe Grüße

AEOLA
aeola
 

Re: Angehörige sucht Rat

Beitragvon Catharina » Sa. 18.02.2012, 12:37

Hi AEOLA,

ich habe auch Haldol bekommen als ich meine Psychose hatte, und es hat mir sehr gut geholfen. Gegen die Nebenwirkungen von Haldol bekam ich noch Akineton ( heißt das so?) weil ich am Rotieren war, nicht stillsitzen konnte, so starr war am ganzen Körper... Ich musste 12 Wochen in der Klinik bleiben, 6 Wochen lang bekam ich das Haldol.

Auch wenn deine Schwester auf Thriller steht würde ich ihr keine mitbringen, lieber ein paar gute Krimis. Denn es ist so, im Herbst habe ich die Millenium-Trilogie von Stig Larsson gelesen und das hat mich so aufgewühlt, dass ich dachte ich bekomme wieder eine Psychose. Das muss bei deiner Schwester natürlich nicht so sein, aber ich würde alle Inhalte vermeiden die zu stark aufwühlen.

Ich hoffe ich konnte dir ein wenig helfen und freue mich auf weitere Berichte über deine Schwester. Lass den Kopf nicht hängen, mit der Zeit wird es deiner Schwester wieder richtig gut gehen. :D
Catharina
 

Re: Angehörige sucht Rat

Beitragvon Alba Elisabeth » Do. 23.02.2012, 13:35

Hallo liebe Aeola,

erst einmal finde ich es ganz toll, dass Du Dich so für Deine Schwester einsetzt! Das ist nicht selbstverständlich und ist sehr lobenswert. Viele Angehörige sind so überfordert, dass sie sich zurückziehen.

Zur Situation, die Du schilderst:

Zunächst ist es gut, dass Deine Schwester in der Klinik ist. Dort kann ihr zunächst am besten geholfen werden; Haldol ist ein sehr wirksames Mittel und wenn sie es verträgt, um so besser. Langfristig wäre aber ein atypisches Neuroleptikum besser (Seroquel, Zyprexa, Amisulprid, Leponex, Abilify...gibt viele davon - einfach mal bei Wikipedia nachschauen: http://de.wikipedia.org/wiki/Atypische_Neuroleptika).

Was die Dauer des Klinikaufenthaltes betrifft: Habe das selbst oft unterschätzt und dachte, ich bin schon fit - bin gegen ärztlichen Rat gegangen und danach wurde alles nur schlimer! Bin in meiner Psychose übrigens auch barfuss durch die Stadt spaziert, habe Sachen zerstört und aus dem Fenster geworfen, habe kaum noch gegessen etc., war also ordentlich "neben der Spur". Da braucht man schon einige Zeit und eine gute Behandlung, um wieder in der Realität anzukommen!
Vor allem, wenn Deine Schwester Stimmen hört, spricht das für eine akute Psychose und die muss einfach klinisch behandelt werden (nicht zwangsläufig vollstationär, gibt ja auch Tageskliniken).

Bei mir hat die Erholung lange gedauert; es ging aber stetig aufwärts. Wichtig dabei ist aber, dass man die Krankheit als Teil der eigenen Lebensgeschichte akzeptiert und sich damit quasi "aussöhnt"! Ich habe z.B. einen Schwerbehindertenausweis (50 %) und eine gesetzliche Betreuerin, für den Notfall.

Womit wir beim nächsten Thema wären. Die Sozialarbeiter in den Kliniken können eine gesetzliche Betreuung anstoßen. Diese kann ein Angehöriger übernehmen, besser aber ein Berufbetreuer - der ist neutraler und erfahrener als ein Familenmitglied. Die Betreuung kann sich über alle Lebensbereiche, aber auch nur über Teile davon erstrecken (Finanzen und Gesundheitsvorsorge wären zwei wichtige Bereiche).
Dann kann man auch noch Integrationshilfe in Anspruch nehmen, medizinische oder berufliche Reha - all' das kann der Sozialarbeiter arrangieren. Wird auch von der Krankenversicherung, vom Arbeitsamt oder der Rentenkasse bezahlt!

Mein Weg war folgender:
3 Monate stationär (geschlossen und offen)
4 Monate Tagesklinik
sechs Monate Wartezeit auf die Reha
1 Jahr berufliche Reha mit Unterbrechung von fünf Monaten

Seit Oktober bin ich wieder im Beruf. Das war eine Pause von 2,5 Jahren!

Ganz konkret zu Deiner Schwester nochmal:
Neben den gesetzlichen Betreuern gibt es auch noch das so genannte betreute Wohnen. Da kommt dann ein Betreuer ins Haus und kümmert sich um alle möglichen Belange. Den kann man auch bitten, gemeinsam mit dem Patienten den Haushalt in den Griff zu bekommen. Blöd ist nur, dass der Partner Deiner Schwester nicht "mitzieht" - ohne ihn wird das schwierig...

Wegen der Langeweile, die Deine Schwester hat: Hörbücher sind eine super Idee und ich denke, dass selbst ein Krimi drin sein sollte. Schließlich hat sie eine starke Medikation und da dürfte nicht viel "getriggert" werden. Ansonsten: Gibt es denn Ergo- oder Kunsttherapie in der Klinik? Sporttherapie? Kann sie an die frische Luft?

Also, ich drücke Dir die Daumen, dass ihr die Situation Stück für Stück in den Griff bekommt :cuddle: .

Alles Liebe,

Alba

P.S.: Bei Rückfragen gerne an mich wenden :)
Alba Elisabeth
 


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