Meine Geschichte

In diesem Forum geht es um psychotische Störungen und Symptome (wie z.B. Wahn, Paranoia und Halluzinationen) und das Krankheitsbild der Schizophrenie.

Meine Geschichte

Beitragvon FelixJM » Mi. 28.11.2007, 22:26

Hallo,
ich bin auf dieses Forum gestoßen und ein Teil meiner persönlichen Therapie ist es, hier einmal meine Geschichte niederzuschreiben, in der Hoffnung auf Feedback und vielleicht auch Verständnis/Akzeptanz.

Anfang 2004: Ich bin verheiratet, meine Frau und ich leben in einer 3 Zimmer Wohnung und planen gerade die Anschaffung einer Eigentumswohnung, ich habe einen neuen Job angetreten mit Führungsverantwortung, ich bin 32 Jahre jung und alles scheint gut zu laufen.

Ende 2004: Ich beiße mich im Job durch, ich habe Verantwortung für 20 Mitarbeiter, es ist nicht immer einfach, die Wohnung ist gekauft. Ein Traum, 130qm, Maisonette in einem ruhigen mittelgroßen Ort in Unterfranken. Der Umzug läuft, zum großen Teil über eine Firma, weil ich beruflich unter der Woche fast ausschließlich in Baden Württemberg unterwegs bin.

Anfang 2005: Ich fühle mich sauwohl in meiner Wohnung und meine Frau und ich sind glücklich und zufrieden.

Mitte 2005: Im Job werde nicht nur ich, von der Geschäftsleitung angeschrien, ich muss Maßnahmen treffen, so kann es nicht mehr weiter gehen. Ich liege auf einmal Samstag auf Sonntag Nacht im Bad mit Schweißausbrüchen und Krämpfen, übelsten Schmerzen im Bauchbereich. Nach dem diese nicht weggehen lasse ich mich von meiner Frau in die Notaufnahme des Klinikums fahren. Nach 7 Stunden Notaufnahme schiebt man mich in den OP nachdem man Herzinfark und Blinddarm ausschließen konnte schneidet man mich auf und entnimmt mir die Gallenblase und ein Stück Darm. Eine solche Angst wie in der Notaufnahme hatte ich noch nie. Nach vier Tagen Klinikaufenthalt bin ich wieder nach Hause gegangen und habe gekündigt. Ich sitze am PC und finde eine adäquate Stelle in einer deutschen Großstadt und bewerbe mich.

Seit der OP habe ich unerklärliche Darmschmerzen, fast immer und überall die unvermittelt auftreten und wieder weggehen, ich verdränge es, ich habe Angst vor Krebs. Nach div. Gesprächen und einem Assesment mit Psychologen und Betriebswirten bekomme ich die neue Stelle, ich trage jetzt den Titel "Direktor" in meiner Berufsbezeichnung, habe mehr Verantwortung und habe mich finanziell verbessert. Die Schmerzen sind weniger geworden. Meine Frau sagt, sie ist glücklich und zufrieden.

Anfang 2006: Der Job lässt sich gut an, irgendwann im März denke ich mir: Wau, jetzt ist mal alles in Ordnung. Der Job läuft und in deiner Ehe ist auch alles ok. Keine 2 Wochen später, ich komme von einem Stadionbesuch unter der Woche nach Hause und hatte auf der Autobahn fast einen schweren Unfall, als ich mit knapp 200km/h einem querstehenden Wohnmobil das unbeleuchtet bis in meine Fahrspur hineinragte gerade noch ausweichen konnte. Ich weckte meine Frau, die das nicht interessierte. Merkwürdig, na ja, vielleicht hatte sie einen schlechten Tag. Kann ja passieren.

Zwei Tage Später und zwei Tage vor meinem Geburtstag, ich komme nach Hause, meine Frau sitzt auf der Couch und sie schaut merkwürdig drein, ich frage was los ist und sie sagt unvermittelt: "Wir trennen uns!"
Ich fiel aus allen Wolken und war total perplex, denn wir hatten alles und es gab keine Anzeichen dafür.

Einen Tag später: Meine Frau zieht das Kommando zurück und meint man könne es noch einmal versuchen, ich will ein klärendes Gespräch und bekomme keine Gründe genannt, es würde keine dritte Person geben, ich wäre zu unordentlich, das ist das Einzige was ich herausfinden kann.

Mich wirft das alles total aus der Bahn, sie widerum fliegt zwei Wochen später mit ihren Sportdamen zum einwöchigen Türkeiurlaub.

Als sie zurückkam hatte ich bereits einen Urlaub für uns gebucht und unter größter Anstrengung noch zwei Karten für eine Veranstaltung in Berlin auftreiben können, zu der viele wollten, aber keiner mehr konnte. Ich habe es für sie realisiert. Ich hole sie vom Flughafen ab und wir frühstücken gemeinsam als ihr Handy vibrierte, eine SMS.

Ich stand hinter ihr, als sie diese las: "Mein großes Bett ist so leer" stand darin und sie stritt alles ab. Ich dachte mir, hoppla: Da war was in der Türkei. Auf der anderen Seite war das so abwegig, weil wir doch noch einmal neu starten wollten. Sie stritt alles ab. Ich war total verunsichert und wusste nicht mehr weiter. Ich versuchte in den Job zu flüchten und merkte, ich kann es nicht mehr, ich fühlte mich als ob mir Jemand den Steckker raus gezogen hätte.

Ich setzte mich Nachts an unseren gemeinsamen PC und konnte, ich bin EDV-technisch ein wenig bewandert, Webseiten rekonstruieren, obwohl sie diese aus dem Verlauf löschte. Ich fand viele Horoskopseiten und stolperte immer wieder über den Namen Kai und das Sternzeichen Stier. Ich fragte wieder nach, nein das wäre nichts, ich würde mich irren.....

Wir flogen zusammen in den Urlaub und es eskalierte, ich hatte mich nicht mehr im Griff, weil sie nicht mit mir sprach und alles abstritt. Nach einer Wutattacke meinerseits gestand sie mir, dass sie einen Typen in der Türkei kennenlernte und mit dem im Bett war. Ich sagte, dass ich das ahnte und es für mich akzeptabel wäre, wenn nicht dieser Eiertanz gewesen wäre. In meinem Inneren jeddoch spukte noch der Name Kai umher und ich hatte nach dem Urlaub eine Idee.

Ihr Handyvertrag lief auf mich, also stellte ich die Rechnung auf Einzelverbindungsnachweis um, ebenso die SMS. Ich hoffte, dass sich mein Misstrauen nicht rechtfertigt, nur dann kam die erste Rechnung.

Die meisten Nummern waren nachvollziehbar, die eine Nummer, die täglich mehrfach sowohl bei den Verbindungen auftauchte, als auch bei den SMS nicht. Ich unterdrückte bei meinem Handy die Nummer und wählte diese Rufnummer. Es meldete sich ein Kai...........

Ich stellte sie daraufhin zur Rede. Nein, es wäre nichts gewesen, sie hätte sich in ihn verknallt, aber sie hätte das beendet.

So ging das Spiel bis November, ich sackte immer mehr ab und konnte meinen Job nicht mehr machen. Die Nummern tauchten natürlich nicht mehr auf und auch am PC war sie clever genug nichts mehr zu machen.

Zwischendrin wollte ich einmal ausziehen, weil es bei mir nicht mehr ging, unter Tränen und Flehen und unter Einsatz ihrer Eltern schwor sie mir Liebe und es wäre nichts, ich solle bleiben.

Im November dann, nahm sie das erste Mal das Wort Scheidung in den Mund und ich zog aus, vorübergehend zu meinen Eltern. Ich redete mir ein, dass es mir jetzt besser geht, weil alles geklärt wäre. Ich merkte nicht, dass ich Nachts fast nicht mehr schlafen konnte und morgens entsprechend nicht mehr aus dem Bett kam. Dann kam Weihnachten, es war eine Katastrophe für mich.

Im Februar 2007 wurde ich dann entlassen, im Mai war die Scheidung, inzwischen in meiner neuen Wohnung angekommen fühlte ich mich verfolgt, ohne, dass ich es rational begründen konnte, ich hatte teilweise und manchmal Ängste, die total schlimm waren, schlimmer als der Schlimmste Alptraum, aber ich konnte sie nicht begründen.

Dann ging ich zu meinem Hausarzt, dem ich nicht alles erzählte, der mich aber sofort krank schrieb. Nach 43 Tagen fing meine Krankenversicherung an Krankentagegeld zu bezahlen und ich konnte nicht mal mehr ins Stadion gehen.

Ich war teilweise himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Ich heulte aus unerklärlichen Gründen, genauso wie ich mich aus unerklärlichen Gründen freute. Ich dachte irgendwann, dass das alles ein böser Scherz ist und aufhört. Dass das alles nur so ist, weil ich vorher fast kein Privatleben hatte und das mein Arbeitgeber bevor er mich zum Geschäftsführer macht (ich wurde entlassen....) einfach ein bisschen Privatleben schnuppern lassen möchte. Ich nahm teilweise sogar Werbeplakate persönlich und fand das normal.

Ich lief über ein Volksfest und lachte mich kaputt, um zwei Stunden später wieder zu heulen. Ich holte mir ein Auto, weil ich vorher nur Firmenfahrzeuge hatte und fuhr auf diesen Leasingwagen innerhalb von vier Monaten 24000km ohne es zu merken, dann gab ich das Auto ab und musste eine Strafzahlung leisten.

Dann ging ich zur Psychotherapie, nur der Dame traute ich auch nicht und in meinen Augen war ich nicht krank, für mich war ja alles normal. Ich konnte teilweise auch schlafen.

Dann hörte ich Stimmen, eine sagte mir, ich solle meinen Chef anrufen, was ich tat, der widerum (ich wurde ja entlassen) knallte einfach den Hörer auf.

Im Juli dann kurz vor Saisonstart ging ich mit einem Kumpel zu einem Freundschaftsspiel und da ging es dann los, ich sah Doppelgänger, von Paris Hilton über ehemalige Kollegen bis hin zu Adolf Hitler - es amüsierte mich.

Im August sah ich dann bei einer Open Air Kinoveranstaltung Frauen die meiner Ex Frau ähnlich sahen, ich brach in Tränen aus und verließ die Veranstaltung.

Mit meinen Eltern und meinem Bruder hatte ich mich zwischenzeitlich überworfen, die merkten, dass was nicht simmte, die merkten allerdings nicht, was los war, weil ich das ganz gut verstecken konnte und glücklicherweise vorher immer wieder ein Lied mit dem Titel hörte "You never can tell" und mir dachte und mich dran hielt, dass ich Niemandem was davon erzählte.

Eines Abends inzwischen wollte ich mich ein paar Mal umbringen, war schon auf den Gleisen und wippte auch vor der S-Bahn mit den Beinen, schrieb ich meinem Bruder einen Brief, der schleppte mich dann zu meinem Hausarzt, der mir eine Spritze "für das Wohlbefinden" gab.

Keine Zwei Tage später hatte ich eine Kieferblockade und irssinige Schmerzen, ich ließ mich per Taxi ins Krankenhaus fahren, gerade noch rechtzeitig, sodass die mit allerlei Gegenmitteln und Spritzen die Blockade auflösten. Wieder zwei Tage später hatte ich eine Blockade im Rücken (wie auf einer Streckbank) und im Kiefer, wieder im letzten Moment ins Klinikum, und die bekamen Panik, auf einmal war alles voller Blut, mein einer Arm wurde dick, weil die Medikamente nicht anschlugen, na ja nach einem Tag war auch dieser Horror vorbei und ich ging zu meinen Eltern und mit meinem Vater zu meinem Hausarzt.

Mein Hausarzt verschrieb mir Solian 50 und ordnete an: Eine am Morgen, eine am Abend für den Anfang und es war nach nicht mal zwei Tagen für mich wie eine Erleuchtung oder Wiedergeburt. Ich konnte wieder klar denken und nach einer Woche fing ich an Bewerbungen zu schreiben, es war inzwischen September und mit erschrecken blickte ich auf das Vergangene zurück.

Die ersten Gespräche liefen erschreckend, klar, ich war noch platt und war völlig aus der Übung, doch auf einmal lief es besser, ich merkte nur, dass ich durch Solian auch nicht mehr wirklich sexuelles Empfinden habe, aber ansonsten ganz klar bin. Ok, ich habe auch Heißhunger und habe seit der Einnahme 20kg zugenommen, aber hey, nach der Geschichte war und ist mir das scheißegal.

Seit ich Solian nehme habe ich mich bei meinen Eltern niedergelassen, glücklicherweise haben sie ein zwei Familienhaus und ich habe die oberste Etage mit eigenem Bad und Küche für mich, aber ich muss nicht alleine in meiner Wohnung in der anonymen Stadt sein und natürlich trägt es auch zum Heilungsprozess bei, wenn deine Eltern sich um dich kümmern und deine Mutter dich bekocht.

Jetzt habe ich inzwischen wieder meinen Job, eine Nummer "kleiner" als vorher, mit etwas weniger Gehalt, aber immer noch einem guten Gehalt, jetzt will ich das nächste Projekt in Angriff nehmen und das heißt: Wieder neu verlieben und im neuen Jahr trotzdem einen Psychiater aufsuchen.

Ich habe eine Höllenzeit hinter mir und habe mich fast umgebracht, ich dachte, dass das in Seelenkummer Forum gehört und wäre froh, wenn ich hier Kontakt zu Gleichgesinnten bekommen würde.

Liebe Grüße
FelixJM
Alles wird gut!
FelixJM
 

Beitragvon Belial » Do. 29.11.2007, 00:09

woha. deine geschichte ist echt heftig..... musste ich einfach mal loswerden^^
ich finds extrem bewundernswert was du geleistet hast! viele stellen musste ich mehrfach lesen bis sie wirklich bei mir ankamen....
sehr intensiv, und gleichzeitig kannst du dinge so klar beschreiben!

mich hat es umgehauen wie viel kraft du geschoepft zu haben scheinst....auch wenn es sicher nicht immer einfach ist, du scheinst als ob du deinen eigenen weg gefunden hast, deine freiheit ein stueck weit....dich hat deine vergangenheit stark gemacht...

[trigger] darf ich fragen: sehnst du dich oft nach der zeit "davor"? (entschuldige meine dreistigkeit^^)[trigger]

auf gespraechspartner wirst du auf jeden fall treffen...

ich wuensche dir Alles Gute, bewundere dich zutiefst
lg
Belial
Belial
 

Beitragvon FelixJM » Do. 29.11.2007, 01:35

Hi, danke für die nette Antwort, die ich sehr gerne als Kompliment auffasse! Zu deiner Frage: Nein, ich sehne mich nicht zurück, an die Zeit davor. Das Thema ist endgültig durch, wonach ich mich sehne: Nach einer Partnerin, der ich vertrauen geben und Liebe schenken kann, und die mir (ein bisschen) was davon zurück gibt.

Ansonsten, vielleicht noch als Ergänzung. Solian hat den Nachteil, dass man auf einmal "wach" wird, so war es zumindest bei mir und mir dadurch immer wieder mal durch den Kopf geht, was gerade in meiner "Psycho" Zeit alles passiert ist (Gott sei Dank nichts wirklich schlimmes), bzw. was ich alles für Vorstellungen hatte.

Aber es ist vorbei und ich versuche (und es gelingt mir zunehmend) nur noch nach vorne zu schauen.

Viele Grüße
FelixJM
FelixJM
 

Beitragvon MutedStoryteller » Fr. 30.11.2007, 01:01

Vieleicht mal soviel.
Ich habs gelesen, und es ist schon wirklich strk das du da weitermachst, mit solcher zuversicht.
Finde ich gut
Ich habe leider keine Zeit noch ewig etwas dzu zu schreiben.
ich hoffe aber dir hilft es schon mal das sich Jemand dafür interessiert.

Vielleicht hört sich das komisch an... Aber ich wünschte so etwas auch hinter mir zu haben. Schwer zu erklären, vorallem aber zu lang für den heutigen arbend. Du hast eine Vergangenheit überlebt, bau darauf auf.

Freut mich das es dir zu Gelingen scheint.

Grüße
Muted Storyteller
MutedStoryteller
 

Wow

Beitragvon Chiki Finfu » Sa. 22.12.2007, 23:53

Deine Zeit war echt heftig...also bei mir ging es nie soweit, aber ich kann trotzdem gut berstehen, was da in dir vorgegeangen ist.
Ich weiß nicht, ob du das weißt, aber deine heftigen Stimmungsschwankungen (aufm Jahrmarkt schrottgelacht - zuhause geweint) scheinen manische Depressionen gewesen zu sein. Bei denen gibt es auch ein extremes Hoch, worauf dann ein extremes Tief folgt.
Naja und die "Paris Hiltons" und "Hitlers" wren wahrscheinlich Halluzinationen.
Und die Folge deines seelischen Leidens waren körperliche Beschwerden. Also so sieht es zumindest für micht aus.
Ich glaube das alles kommt, weil du einem schweren Unfall knapp entkommen bist und weil du wegen schrecklicher Bauchschmerzen operiert werden musstest und weil dich deine Frau so (ich muss das jetzt sagen) scheiße behandelt hat.
Verbessere mich bitte, wenn ich mit irgendwas falsch liege^^
So, jetzt will ich dich auch nicht mehr länger klugscheißen^^

Aber wie die anderen schon sagen, du musstest viel mitmachen und meine Bewunderung hast du, weil ich hätte mich wahrscheinlich längst vorm Zug geworfen >.<

Ich wünsche dir viel Glück für die Zukunft und eine neue, schöne Beziehung=)

LG
Chiki Finfu
 


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