Tod
Ein Tag im Februar.
Im Laufe des Tages hörte sie einen Notarztwagen...Erschauderte und lauschte...
Irgendetwas schien plötzlich nicht zu stimmen...
In ihr schien sich alle zusammen zu ziehen und der kalte Schweiß trat ihr auf die Stirn.
Bis zum Abend hin hielt das beunruhigende Gefühl an, dass etwas nicht in Ordnung war.
Als sie, kurz vor Feierabend, kurz allein im Büro saß, wurde der Raum von einem eiskalten Wind durchzogen, obwohl sie die Fenster grad eben geschlossen hatte.
Blanke Angst begann sich in ihrem Magen breit zu machen und ihr die Kehle zu zuschnüren...
Sie fühlte sich beobachtet und nicht mehr allein...
Plötzlich öffnete sich die Tür und ihre Mutter kam herein, dicht von einem Kollegen gefolgt.
Ihr viel auf, das an ihrer Mama ein recht sorgenvolles Gesicht machte.
Sie packte ihre Sachen schnell zusammen, machte den PC aus und verabschiedete sich von ihrem Kollegen.
Dann begrüßte sie ihre Mutter.
„Opa liegt im Krankenhaus.“ Sagte ihre Mutter kurz. „Herzinfarkt. Sie haben ihn heute Nachmittag ins Krankenhaus eingeliefert.“
Geschockt dachte sie an das miese Gefühl, das sie den ganzen Tag über gehabt hatte.
Zusammen mit ihrer Mama und ihrem Papa, der im Wagen auf sie gewartet hatte, fuhren sie ins Krankenhaus.
Zwischenzeitlich rief sie kurz bei ihrem Freund an, um ihm mitzuteilen was los war...
Und um ihn zu bitten zu kommen, weil es um ihren Opa nicht sonderlich gut stand...
Um es klar auszudrücken:
Die Ärzte gaben ihm nur noch einige Tage, da sein Herz nur noch knapp zu 10 % arbeitete und das Wasser in den Lungen stetig stieg.
Eine knappe Stunde später kam ihr Freund auch an.
Sie verbrachten den restlichen Abend im Krankenhaus, gingen abwechselnd ins Zimmer...
Ihr kam immer wieder in den Sinn, dass sich ihr Opa gewünscht hatte, seine Urenkelkinder noch kennen zu lernen...
Ebenso, wie ihr sehnlichster Wunsch (sollte sie einmal heiraten) von ihrem Opa getraut zu werden...
Die schöne Zeit, die sie miteinander verbracht hatten...
Und natürlich die Zeit, während der Abi-Vorbereitung...
Sie hatte ihm in der Zeit sooo selten gesagt, wie viel er ihr bedeutete...
Wie sehr sie ihn liebte...
Ihre Mama schickte sie dann nach Hause, zusammen mit ihrem Freund.
Am nächsten Tag, sie hatte sich frei genommen, holte sie ihre Cousine vom Bahnhof ab, die aus Rostock kam.
Mit ihrem Bruder zusammen, der mitgekommen war, machten sie sich wieder auf dem Weg ins Krankenhaus.
Verbrachten dort den restlichen Tag bis zum Abend.
Die Mutter eines ehemaligen Klassenkameraden von ihr, die in dem Krankenhaus arbeitete, brachte ihr etwas zu essen und zu trinken.
Dann wurde es Abend, ohne das etwas weiteres passierte...
Bevor sie mit ihrem Freund wieder nach Hause fuhr, bat sie ihre Mutter, sie möge ihr Bescheid sagen, sobald sich irgendetwas veränderte.
Zusammen mit ihrem Freund fuhr sie wieder nach Hause.
Als sie im Bett lagen, betete sie: „Lieber Gott und himmlischer Vater, wir kommen in dieser Stunde, um unseren Opa und Vater zu bitten. Herr, wenn es Dein Wille ist, das unser Opa und Vater geht... Dann bitte lass ihn nicht noch länger leiden... Dann lass ihn gehen. Wenn Du ihm aber noch eine Zeit bei uns zugedacht hast... Dann lass ihn bitte so schnell wie möglich wieder gesund werden! Wir bitten Dich darum, Vater! Dies sei Dir dargebracht, gedankt und aberbeten im Namen Deines Sohnes Jesus Christus-Amen!“
Die Nacht schlief sie kaum... und früh morgens musste ihr Freund wieder zur Arbeit und lies sie allein.
Im Halbschlaf sah sie ihrem Großvater, der zu ihr kam...
Sie fühle, wie er ihr Gesicht in die Hände nahm, sie auf die Stirn küsste und zu ihr sagte, wie sehr er sie lieben würde...
Und das er wollte, dass sie ihn zur Brücke begleitete...
Er sich aber jetzt noch von Oma und der restlichen Familie verabschieden wollte...
„Ich wollte dir noch so vieles sagen, Opi... Wie sehr ich dich liebe...“
Er lächelte sie an und antwortete: „Du brauchst mir nichts zu sagen. Ich weiss es und habe es immer gewusst! Und mach dir keine Gedanken, mir geht es jetzt endlich gut!
Ich liebe Dich, meine Kleine! Und pass auf Oma und deine Familie auf! Die brauchen dich!“
„Aber als du damals in Krankenhaus...“ schluchzte sie.
„Es ist alles gut gewesen. Und ich weiss, was du für mich getan hast. Dafür danke ich dir! Mach dir keine Vorwürfe und keinen Kummer. Ich liebe dich!“
Dann ging er.
Weinend und schluchzend lag sie im Bett.
Bis sie nicht mehr weinen konnte und aufstand, sich wusch und runter ins Erdgeschoss ging.
Ihre Eltern waren nicht da, ihr Bruder ebenfalls nicht.
Einige Zeit später kamen ihren Eltern nach Hause.
Als ihre Mama sie sah, nahm sie ihre Tochter in die Arme und sagte ihr, dass Opa in der Nacht verstorben sei...
Dass das Krankenhaus Mitten in der Nacht angerufen hatte und ihnen mitgeteilt hatte, das Opa im Sterben lag.
Zusammen mit Oma, ihrer Cousine und ihrem Papa hatte sie am Bett gewacht, bis er verschieden war...
Sie hatten ihn mit seinen Lieblingsliedern begleitet...
Man hatte sie nicht wecken wollen, weil sie eh schon zu wenig Schlaf gehabt hätte...
Sie hatte ihren Opa begleiten wollen!
Sie wusste nicht, was sie mehr fühlen sollte, die Trauer oder die Enttäuschung und den Schmerz, ihn nicht begleitet zu haben...
Aber das war ja auch egal...
Total am Boden zerstört rief sie ihren Freund über Handy an und bat ihn, zu kommen, was er auch ohne zu zögern tat.
Zusammen mit ihren Eltern fuhren sie dann zu ihrer Oma.
Gemeinsam planten sie die Auferstehungsfeier (Trauerfeier), die (nach dem Brauch der Gemeinschaft) am 3. Tag nach dem Tod erfolgte.
Es gab einiges an Hin- und Her...
Aber als die Trauerfeier stattfand...
Sie sah ihren Großvater wieder, neben ihrer Großmutter stehend...
Ihr liebevoll über die Wangen streichend...Ebenso wie seinen Töchtern und seinem Sohn... Von jedem verabschiedete er sich.
Wie und wann sie nach Hause kamen... daran erinnerte sie sich kaum...
Sie kümmerte sich um ihren Freund, der total am Boden zerstört war und ihre Mama und Oma...
Versucht ihre Trauer zu unterdrücken ...
Irgendwann lag sie dann zusammen mit ihrem Freund im Bett... erschöpft vom Weinen und Trösten...
Und dann, kam ihr Opa wieder.
Er nahm sie an die Hand und zusammen gingen sie einen Weg entlang, wie in dunkler Nacht.
In der Ferne erstrahlte ein heller, warmer Punkt, der immer größer wurde...
Ein helles, warmes, aber nicht blendendes Licht schien sie umhüllen zu wollen.
Sie ging nicht weiter. Auch ihr Opa blieb stehn.
Drehte sich noch einmal um und küsste sie auf die Stirn.
Vor ihnen schien sich eine Brücke aus hellem Licht zu befinden.
Wundervoll klar und rein...
Auf dieser Brücke, erkannte sie ein Kind, das auf sie beide zu lief und ihren Opa an die Hand nahm und sie dabei aus großen und so vertrauten Augen ansah.
„Schwesterchen!“ sagte er und lächelte und da ging ihr ein Licht auf:
Es war ihr Bruder, der vor langen Jahren, als sie selbst noch ein kleines Kind war, tödlich verunglückt war.
Bevor sie etwas sagen konnte, verabschiedeten sich beide und gingen über die Brücke ins Licht.
In liebender, dankbarer Erinnerung an einen wundervollen Drachen, Menschen und sehenden Priester und einen Bruder, mit dem mir nur wenige Monate vergönnt waren...
©by Neseret