Erich Fried

Eure Gedichte, Geschichten, Erzählungen und andere niedergeschriebene Texte finden hier ihren Platz.
Wichtig: Falls die Texte nicht von Euch selber sind, schreibt das bitte dazu und achtet auch darauf, dass Ihr keine Urheberrechte verletzt.

Erich Fried

Beitragvon Luna I. » Fr. 16.09.2005, 13:17

Ich mag Erich Fried seeeeeeehr gerne....also eröffne ich ihm höchstpersönlich einen eigenen Thread! :whim:



Ohne Dich

Nicht nichts
ohne dich
aber nicht dasselbe

Nicht nichts
ohne dich
aber vielleicht weniger

Nicht nichts
aber weniger
und weniger

Vielleicht nicht nichts
ohne dich
aber nicht mehr viel
Luna I.
 

Beitragvon Luna I. » Fr. 16.09.2005, 13:19

Aber

Zuerst habe ich mich verliebt
in den Glanz deiner Augen
in dein Lachen
in deine Lebensfreude

Jetzt liebe ich auch dein Weinen
und deine Lebensangst
und die Hilflosigkeit
in deinen Augen

Aber gegen die Angst
will ich dir helfen
denn meine Lebensfreude
ist noch immer der Glanz deiner Augen
Luna I.
 

Beitragvon Luna I. » Fr. 16.09.2005, 13:25

Dialog in hundert Jahren

Der eine sagt:
"Wie schön
das gewesen sein muß
als wir noch an Pest
und an Syphilis
an Scharlach
an Lungenschwindsucht und
an Krebs
an Herzverfettung
und Schlagfluß
verreckten wie Tiere!"

Der andere fragt ihn:
"Sag was waren das, Tiere?
Luna I.
 

Beitragvon Luna I. » Fr. 16.09.2005, 13:30

Die Herrschenden

Hat es euch Herz und Augen ausgebrannt?
Sind nicht mehr zehn Gerechte in dem Land?
Ihr seid nicht tierisch, denn so schlägt kein Tier.
Keins eurer Opfer ist so tot wie ihr.
Luna I.
 

Beitragvon Luna I. » Fr. 16.09.2005, 14:30

In Gedanken

Dich denken
und an dich denken
und ganz an dich denken und
an das Dich-Trinken denken
und an das Dich-Lieben denken
und an das Hoffen denken
und hoffen und hoffen
und immer mehr hoffen
auf das Dich-immer-Wiedersehen

Dich nicht sehen
und in Gedanken
dich nicht nur denken
sondern dich auch schon trinken
und dich schon lieben

und dann erst die Augen aufmachen
und in Gedanken
dann erst dich sehen
und dann dich denken
und dann wieder dich lieben
und wieder dich trinken
und dann
dich immer schoener und schoener sehen
und dann dich denken sehen
und denken dass ich dich sehe

Und sehen dass ich dich denken kann
und dich spueren
auch wenn ich dich
noch lange nicht sehen kann
Luna I.
 

Beitragvon Lingenia » Sa. 17.09.2005, 09:27

Die sind wirklich sehr gut ... gefällt mir auch :mrhappy:
Lingenia
 

Beitragvon Luna I. » Sa. 17.09.2005, 13:51

Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Luna I.
 

Beitragvon Luna I. » Sa. 17.09.2005, 23:42

Was weh tut

Wenn ich dich
verliere
was tut mir dann weh?

Nicht der Kopf
nicht der Körper
nicht die Arme
und nicht die Beine

Sie sind müde
aber sie tun nicht weh
oder nicht ärger
als das eine Bein immer wehtut

Das Atmen tut nicht weh
Es ist etwas beengt
aber weniger
als von einer Erkältung

Der Rücken tut nicht weh
auch nicht der Magen
die Nieren tun nicht weh
und auch nicht das Herz

Warum
ertrage ich es
dann nicht
dich zu verlieren?
Luna I.
 

Beitragvon Luna I. » Sa. 17.09.2005, 23:43

Durcheinander

Sich lieben
in einer Zeit in der Menschen einander töten
mit immer besseren Waffen
und einander verhungern lassen

Und wissen
daß man wenig dagegen tun kann
und versuchen
nicht stumpf zu werden

Und doch
sich lieben
Sich lieben
und einander verhungern lassen
Sich lieben und wissen
daß man wenig dagegen tun kann
Sich lieben
und versuchen nicht stumpf zu werden

Sich lieben
und mit der Zeit
einander töten
Und doch sich lieben
mit immer besseren Waffen
Luna I.
 

Beitragvon Luna I. » Sa. 17.09.2005, 23:46

Angst und Zweifel

Zweifle nicht
an dem
der dir sagt
er hat Angst

aber hab Angst
vor dem
der dir sagt
er kenne keine Zweifel
Luna I.
 

Beitragvon Luna I. » Sa. 17.09.2005, 23:47

Antwort

Zu den Steinen hat einer gesagt:
seid menschlich

Die Steine haben gesagt:
Wir sind noch nicht hart genug
Luna I.
 

Beitragvon Luna I. » Mi. 08.08.2007, 11:15

Erich Fried

Was?

Was bist Du mir?
Was sind mir deine Finger
und was deine Lippen?
Was ist mir der Klang deiner Stimme?
Was ist mir dein Geruch
vor unserer Umarmung
und dein Duft
in unserer Umarmung
und nach ihr?

Was bist du mir?
Was bin ich Dir?
Was bin ich?
Luna I.
 

Beitragvon Lingenia » Mi. 08.08.2007, 21:01

Luna hat geschrieben:Antwort

Zu den Steinen hat einer gesagt:
seid menschlich

Die Steine haben gesagt:
Wir sind noch nicht hart genug

das ist von dem? - ich find das genial. Und irgendwo stimmt es ja leider auch.
Lingenia
 

Beitragvon Luna I. » Mi. 08.08.2007, 23:44

Ja, das ist von ihm.

Und auch DAS:

Literarische Würdigung

Einige Zeit
nach dem Selbstmord
werden vielleicht
ihre verzweifelten Verse
nicht mehr nur
als besonders geglückte Gedichte
sondern sogar
auch
als Verzweiflung erkannt.

Als ich es zum ersten Mal las, musste ich ziemlich krass weinen..
Luna I.
 

Beitragvon Lingenia » Mi. 08.08.2007, 23:46

das ist wahnsinn.

Er bringt auf den Punkt, was auf der Hand liegt und doch niemand erkennt.

lin
Lingenia
 

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