Bipolare Störung und Negativsymptomatik

Wenn ihr depressiv seid, könnt ihr euch hier über die Krankheit Depressionen austauschen, aber auch über andere depressive Zustände wie Burn-Out oder die manisch-depressive (bipolare) Störung.

Bipolare Störung und Negativsymptomatik

Beitragvon aschrika » Sa. 13.03.2010, 15:33

Hallo liebe Forumsteilnehmer,

ich habe mal einige Fragen und denke, dass ich hier im Forum ganz gut richtig liege mit der Problematik, die mich beschäftigt.
Ich leide an einer sogenannten Bipolar-II-Störung mit hypomanischen Zügen und depressiven Episoden. Ich leide schon seit rund 10 Jahren an dieser Erkrankung (ich bin heute 25 Jahre alt). Und wie so oft, kam die Diagnose erst vor einigen Monat, also viel zu spät und hat mit einer unipolaren Depression angefangen. Nebenbei leide ich noch an einer Zwangserkrankung mit sehr vielen Zwangsgedanken.
Bei mir fing es an, dass ich sehr oft in der Schule gehänselt wurde. Daraus entwickelte sich eine erste Depression.
Seit rund 10 Jahre läuft in meinem Leben alles drunter und drüber. Abi habe ich geschafft, allerdings mehr schlecht wie recht. Jurastudium angefangen, Hauptstudium abgeschlossen, dann Abbruch wegen psychischer Störung im Mai 2008 und seitdem nicht mehr die Kurve bekommen: Studium nochmal angefangen, wieder abgebrochen, zweimal tagesklinischer Aufenthalt, einmal einen rund 4-Wöchigen stationären Aufenthalt.
Es ist traurig zu sagen, aber seitdem ich mit Medikamenten angefangen habe, funktioniert in meinem Leben gar nichts mehr :-(. Ich bin jetzt auch Hartz-4-Empfänger.
Ich wohne wieder bei meiner Mutter und wir bekommen regelmäßig Krach, weil sie der Ansicht ist, ich mache nichts aus meinem Leben und damit hat sie recht. Ich leide an einer chronischen Perspektivlosigkeit deswegen, da alles was ich anpacke, schief läuft.
Man hat mir immer gesagt: Initiativmangel, Antriebslosigkeit, Interessensverlust: All das seien Kennzeichen einer Depression. Ich wurde allerdings ausreichend mit Antidepressiva behandelt und all diese Symptome gingen gar nicht zurück. Im Gegenteil, sie verschlimmerten sich mit den Jahren. Diese Symptome bleiben auch bestehen, wenn ich gar nicht depressiv bin.
Ich will im folgenden mal versuchen zu beschreiben, wie sich die Symptome aus meiner Sicht darstellen: Ich habe einen typischen Knick in meiner Leistungskurve. Es lief mal gut, mal schlecht. Im Studium konnte ich nur phasenweise Leistung erbringen, allerdings hielt ich mich immer einigermaßen gut über Wasser. Ich war früher ein sehr strebsamer Typ. In der Schule und auch im Privatleben. Ich ging tanzen, ich war ein guter Schüler, ich hatte Lebensziele und viele Freunde. Mein Leben war schön. Aber der 12. Klasse ging es dann los: Leistungsabfall in der Schule, zunehmend weniger soziale Kontakte, Interessensverlust, zunehmende Antriebsschwierigkeiten. In der 13.Klasse bin ich dann ein Jahr zurückgestuft worden wegen mangelnder Leistung. Das Abitur habe ich dann geschafft, allerdings ohne zu lernen, weil ich dazu nicht in der Lage war. Dann bin ich zum Studium nach Berlin gezogen. Phasenweise gut und phasenweise schlecht auch hier. Irgendwann auch hier: sozialer Rückzug, häufiges Aufhalten in eigenen Räumen, homosexuelle Beziehungen immer mit lockerer Verbindung und kurzer Haltbarkeitsdauer. Ich entwickelte zeitweise ein verschrobenes Verhalten:Ich sagte Freunden zum Weggehen zu und hatte dann kein Bock mehr und ging einfach nicht hin zum treffen und sagte nicht mal ab, sondern war für den Abend einfach nicht mehr erreichbar. Stattdessen verkrümelte ich mich vor dem Fernseher mit einer Tüte Chips.
Zu Hause wieder bei meiner Mutter entwickelte ich auch sehr seltsame Verhaltenszüge. Ich bewerfe meine Großmutter mit Kissen, stelle ihr den Strom ab etc. DAs ist für einen 25-jährigen auch nicht normal.
Allgemein lässt sich sagen, dass es mir immer größere Schwierigkeiten macht, ein normales Leben zu führen. Ich entwickle immer weniger Bereitschaft, einem geregelten Leben nachzugehn. Selbst die Körperhygiene fällt mir oft schwer. Ein geordneter Tagesrythmus ist schon lange nicht mehr möglich. Am liebsten freue ich mich auf das Wochenende, wo ich mich mit Freunden treffe. Aber auch das klappt nicht immer.
Im Internet habe ich gelesen, dass man sowas "Negativsymptomatik" nennt und die Merkmale treffen auf mich sehr gut zu. Ich weiß auch, dass Negativsymptomatik bei einer Schizophrenie auftritt. Jetzt fehlen mir aber sowohl der Wahn als auch die Halluzinationen. Aber es gibt eine Art der Schizophrenie, die nur Negativsymptome aufweist: Die Schizophrenia simplex oder blande Psychose. Meine Frage ist: Kann es sein, dass ich neben einer bipolaren Störung auch eine solche Art der Schizophrenie entwickelt habe oder kann es sein, das man auch bei einer bipolaren Störung eine Negativsymptomatik entwickeln kann? Ich dachte so in Richtung schizoaffektive Störung. Ich habe mit meiner Psychiaterin gesprochen, die meinte, dass psychiatrische Diagnosen wandlungsfähig sind. Also: Ja und Nein. Könnt ihr mir sagen, wie ich medikamentös behandelt werden muss? Zur Zeit nehme ich 800 mg Seroquel Prolong und 4o mg Tagonis gegen Zwangsgedanken. Das Tagonis sollte ich eigentlich absetzen, wegen Switchen in verschiedene bipolare Zustände. Ich nehme es aber trotzdem, da sonst die Zwangsgedanken wieder zu stark sind. Ein weiteres Problem ist noch, dass ich auf Medikamente sehr sensibel reagiere. Ich bin sehr müde und habe den Eindruck, dass sich die oben beschriebene Symptomatik noch verschärft. Was soll ich tun? Die Medikamente, die ich nehmen müsste, machen mich schwach und unbelastbar. Das ist eine schreckliche Situation.
Ich wäre für Medikamententipps und Eisnchätzungen meiner Lage sehr dankbar, auch wenn ich weiß, dass eine Ferndiagnose nicht zu stellen ist. Aber darum geht es auch nicht, es interessiert mich euer Erfahrungsschatz.
Im Moment ist es so, dass ich nicht so sehr unter meiner Erkrankung leide, da ich mich irgendwo mit diesem Zustand abgefunden habe :-)

Also meldet euch.

Hg timo
aschrika
 

Re: Bipolare Störung und Negativsymptomatik

Beitragvon planb » Sa. 13.03.2010, 15:48

Hi,

also das mit der Antriebslosigkeit kann ich nachvollziehen. Meine Thera meint aber, dass das nicht Antriebslosigkeit ist, weil ich ja Tabletten dagegen bekomme, sondern mangelnde Motivation, mir was gutes zu tun.
planb
 

Re: Bipolare Störung und Negativsymptomatik

Beitragvon Mulle » Sa. 13.03.2010, 17:30

hallo aschrika, du hast recht: hier werden keine ferndiagnosen gestellt und auch medikamententipps zu deiner persönlichen symptomatik kannst du hier leider nicht erwarten.
wenn deine ärztin dich bittet, dein med. abzusetzen, so wird sie dies nicht grundlos tun.
es soll auch die tägliche belastung von dir überprüft werden, wie du eventuelle bewältigungsstrategieen bezüglich deiner zwänge entwickelst. rede offen mit ihr. findet gemeinsam lösungswege um deine zwänge zu lockern, ggf. über eine erneute psychotherapie.
es ist wichtig, die ursache deines befinden zu analysieren. irgendwo müssen deine symptome ja herkommen. nun ist schlecht zu sagen, inwieweit dein selbstwertgefühl gestärkt ist oder nicht, wo man greifen kann, um dein leben strukturierter und lebensfreude zu geben. warum verkrümlest du dich wegen der treffen. ist es angst oder bequemlichkeit? all diese dinge sollten hinterfragt werden. das gehört aber in die hand von kompetenten therapeuten.
Mulle
 

Re: Bipolare Störung und Negativsymptomatik

Beitragvon Gast » So. 14.03.2010, 02:59

Hallo....

also ich möchte keine Ferndiagnose haben. Hauptsächlich interessiert mich, ob es möglich ist, neben einer bipolaren Störung auch eine schizophrene Negativsymptomatik entwickeln kann.. Das ist mein Hauptanliegen...
Gast
 

Re: Bipolare Störung und Negativsymptomatik

Beitragvon Mulle » So. 14.03.2010, 10:59

ich habe das schon verstanden.
deswegen sollst du das mit deiner behandelnden ärztin besprechen, denn sie wird sich in der materie besser auskennen als wir.
tu dir auch selbst einen gefallen und recherchiere die erkrankungen für dich selbst nicht im internet.
symptome von bestimmten erkrankungen können wir, wenn wir wollen immer in irgendeiner form an uns selbst wiedererkennen.
das sollte deine urteilsfindung nicht beeinflussen. deshalb ist das gespräch mit einem facharzt wohl das beste für dich.
Mulle
 

Re: Bipolare Störung und Negativsymptomatik

Beitragvon kratzetatze » Di. 16.03.2010, 14:23

Gast hat geschrieben:also ich möchte keine Ferndiagnose haben. Hauptsächlich interessiert mich, ob es möglich ist, neben einer bipolaren Störung auch eine schizophrene Negativsymptomatik entwickeln kann.. Das ist mein Hauptanliegen...

Hallo Gast Aschrika,

Als allererstes möchte ich Mulle Recht geben und dir empfehlen mit deinem Arzt zu reden.

Als zweites möchte ich dir als ein Laie, der auch alle Informationen über seine Krankheit zusammen sucht, die es zu finden gibt, sagen: Man kann und soll auch nicht seine Diagnosen selbststellen. Vor allem bei psychiatrischen Krankheiten verläuft die Symptomatik ineinander fließend. Die Gefahr dabei ist tatsächlich sehr hoch, dass man alle möglichen Symptome an sich findet, ohne dass diese in einer krankhaften Form tatsächlich vorhanden sind. Und die Negativsymptomatik eignet sich perfekt dazu, vor allem, wenn man Ausreden für seine Apatie sucht.

Ich weiß, das war jetzt einbisschen gemein. Und man kann auf keinen Fall verneinen, dass im Laufe der Zeit sich eine Schizophrenie zusätzlich zu BPS entwickelt, was allerdings nicht sehr oft vorkommt. Aber in deiner Beschreibung deutet nichts darauf, dass es bei dir bereits der Fall sein sollte. Und Negativsymptomatik bei einer Schizophrenie geht meistens mit einer Positivsymptomatik einher, von der du auch kein Wort berichtet hast. Dass du das Wort nicht genannt hast, habe ich nicht gemeint, vielmehr, dass du nichts erzählt hast, was darauf schließen lässt.* Ob du nun schizophrene Züge entwickelt hast oder nicht solltest du tatsächlich mit deinem Arzt besprechen.

Mir fällt allerdings auf, dass du dazu neigst alles, was momentan schief läuft auf deine Diagnose abzuschieben. So als ob du gar nichts dafür kannst, dass es so läuft, wie es läuft. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist nach einem tiefen Absturz wieder auf die Beine zu kommen. Ich war schon einige male ernst krank, auch in Todesgefahr, aber nichts davon war so schwer zu überwältigen, wie mein psychischer Absturz vor 7 Jahren. Im Grunde kämpfe ich immer noch dagegen. Und es hilft dir auch nicht immer wieder darüber nachzugrübeln, was du alles für Probleme hast und noch mehr bekommst. Auch dein Wunsch diesesmal die Diagnose rechtzeitig gestellt zu bekommen (irgenwie kommt es mir so vor) ändert nichts daran, dass es auch an dir selbst liegt etwas anzufangen. Es müssen ja nicht gleich Riesenschritte sein. Kleinanfangen tut es auch. Es gibt ein russisches Sprichwort: Wer langsamer fährt, kommt viel weiter.

Dein erster Schritt, neben der ärztlichen Behandlung, könnte vielleicht der Kontakt zum allgemein-psychiatrischen Sozialdienst deiner Stadt sein. Vielleicht bekommst du dadurch eine langfristige Rehamaßnahme, in der du Schritt-für-Schritt lernst wieder aktiv an der Gestaltung deiner Zeit mitzuwirken und Entscheidungen zu treffen und zu realisieren. Und vielleicht auch um neue Kontakte zu knüpfen? Es ist dann der erste Schritt, es werden noch mehrere folgen - denn der Weg ist lang. Aber wenn man sitzen bleibt, kommt man auch nicht ans Ziel. Ganz gleich, wieviele Symptome man hat.
________
* @Mulle: Ich kann mir vorstellen, was du nach diesem meinen Beitrag sagen würdest: Dass du genau das gemeint hast, das wir keine Diagnosen bestättigen oder verwerfen können. Aber ich bin der Meinung, dass Aschrika's Wissen ziemlich chaotisch und zusammen gewürfelt ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es mehr schaden kann als helfen. Und die Ärzte sind leider der Meinung, dass es nicht wichtig ist, dass die Patienten alles über ihre Krankheiten wissen, sie überreichen es nämlich in kleinen Häppchen, die einem auch nichts bringen.

Es ist zwar enorm wichtig, dass man sich nicht ständig neue Erkrankungen aussucht, aber genauso wichtig finde ich ist konstruktives Wissen und kein Zusammenwürfeln von Symptomatiken, die einem so passen.
kratzetatze
 

Re: Bipolare Störung und Negativsymptomatik

Beitragvon Mulle » Di. 16.03.2010, 19:13

ich kann dir da nur beipflichten, kratzekatze!
Mulle
 


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