Mal so nebenbei.

Wenn ihr depressiv seid, könnt ihr euch hier über die Krankheit Depressionen austauschen, aber auch über andere depressive Zustände wie Burn-Out oder die manisch-depressive (bipolare) Störung.

Mal so nebenbei.

Beitragvon SilentWords » Mo. 12.03.2018, 22:49

Der erste Beitrag seit Ewigkeiten. Nun denn.

Der Spiegel widmet seine Titelseite - lobenswerterweise! - diese Woche den Depressionen. Überschrift: "Das düstere Ich. Depressionen: Wie gerät man hinein - wie kommt man heraus?"

Und genau da setze ich auch meine Kritik an. Mal abgesehen davon, dass diese Überschrift mit dem Bild (DÜSTER! SCHWARZ!) polemisch wirkt, ist sie irgendwie auch undurchdacht. Depressionen sind eben viel mehr als klischeehaftes "Alles so schön dunkel hier. Macht mal jemand das Licht an?" Darum soll es aber gar nicht gehen.

Sondern vielmehr um dieses "Wie finde ich wieder hinaus?" Macht man sich nichts vor lautet die Antwort viel zu oft: Gar nicht. Hier muss man ganz klar unterscheiden zwischen "richtigen" Depressionen und depressiven Phasen. Depressive Phasen hat wohl jeder mal, oft unbemerkt. Man hat eben eine schlechte Phase. Die bedürfen auch nicht immer einer Behandlung. Wer kennt ihn nicht, den sogenannten Winterblues? Eine oft anstrengende Phase, ABER: Sie geht vorbei. Und genau hier sollte man ansetzen. "Richtige" Depressionen gehen meist nicht mal eben vorbei. Man lernt nur, irgendwie mit ihnen zu leben. Oft kommen sie ganz plötzlich, gehen zeitweise und sind dann mit voller Wucht wieder da. Depressionen können wirklich jeden treffen. Selbst Menschen die angeben, sie wären absolut zufrieden mit sich und ihrem Umfeld. "Richtige" Depressionen haben dazu eine ganz fiese Angewohnheit: Sie gelten als gut therapierbar, aber nicht als heilbar. Viele wissen gar nicht, wo da der Unterschied liegt. Gerade die, die nie davon betroffen sind.

Ich glaube, vielen Angehörigen ist nicht bewusst, was das für ein Kampf sein kann. Man lässt sich medikamentös behandeln, geht zu Therapien, macht und tut und erzielt wenn überhaupt kleine Teilerfolge. Manchmal geht es einem sogar gut (auch Depressive können lachen! Übrigens kein Grund, einem das Kranksein abzusprechen) und dann kommt ein Loch. Manchmal ist man froh, wenn man es überhaupt aus dem Bett schafft und seinen Alltag halbwegs auf die Kette kriegt. Da bringt es auch nichts zu sagen, man solle doch einfach mal aus dem Quark kommen. Das Wetter ist doch so schön, also raus aus den Federn. Die Welt wartet nicht. Soll natürlich nicht heißen, das man uns nicht auch mal in den Arsch treten darf. Es reicht sich vor Augen zu führen, das wir uns das nicht ausgesucht haben. Keiner ist gerne depressiv.

Vielen Angehörigen ist leider auch oft nicht bewusst, was es für ein Kampf sein kann, sich Hilfe zu holen und sie dann auch anzunehmen. Das Angebot an Therapien ist absolut bescheiden und nicht jede/r Therapie/Therapeut ist für jedes Krankheitsbild geeignet. Selbst Depressionen sind extrem vielseitig und auch deswegen so gefährlich, weil man sie nicht immer erkennt. Verschärft wurde die Situation tatsächlich durch eine Gesetzesänderung, die im ersten Moment absolut sinnvoll klingt: Krankenkassen müssen ab sofort innerhalb einer Frist freie Therapien vermitteln. Toll, oder? Nein. Immer mehr Menschen holen sich Hilfe bei psychischen Erkrankungen. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. ABER: Es gibt viel zu wenige Therapieplätze. Das war schon vorher so und hat sich noch mehr verschärft. Denn: Wie sollen die Krankenkassen freie Therapieplätze vermitteln, die es gar nicht gibt? Und das auch noch innerhalb eines Zeitlimits? Dazu kommt, das die Krankenkassen seitdem immer öfter Alternativen verweigern. Keine homöopathischen, nutzlosen Mittel, sondern Plätze bei privaten Therapeuten, die früher mehr oder weniger leicht übernommen wurden. Fazit daraus: Nicht jeder depressive, der keine Therapie macht will sich nicht helfen lassen. Manchmal bringen die eben auch nichts und abgesehen davon sind die Wartezeiten absolut problematisch. Fünf, sechs Monate sind mehr die Regel als eine Ausnahme. Unterstützung ist in dieser Zeit extrem wichtig.

Und vielen Angehörigen ist nicht bewusst, dass man sich nicht alles gefallen lassen muss. Auch ihr dürft die Schnauze mal voll haben. Auch ihr dürft mit eurem Latein am Ende sein. Auch ihr dürft euch eine Auszeit gönnen. Achtet auf Betroffene, aber auch auf euch und vor allem: Lasst euch nicht erpressen! Das geht leichter als gedacht.

So, danke an alle, die diese Wall of Text gelesen haben.

Kurzfassung.

- Der Spiegel hat nicht nachgedacht.

- Depressionen sind nicht gleich Depressionen.

- Vorwürfe helfen kein bisschen. Das heißt natürlich nicht, das man uns nicht in den Hintern treten darf. "Du musst nur wollen!" hilft dagegen wirklich wenig. Im Gegenteil.

- Unterstützung, gerade wenn man auf einen Therapieplatz warten muss, ist extrem wichtig.

- Die Lage was Therapien angeht ist ziemlich beschissen.

- Die Schnauze mal voll von "uns" haben ist vollkommen in Ordnung.
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