Sind die anderen "Schuld"?

Forum zum Austausch über das so genannte Selbstverletzende Verhalten (SVV), auch bekannt als Ritzen, Selbstverstümmelung, Cutten usw.
Wichtig: Bitte keine Bilder von SVV zeigen und kein Pro-SVV!

Sind die anderen "Schuld"?

Beitragvon Kathikatze » Di. 24.12.2013, 00:21

N

Ich brauche mal bitte eine Antwort aus der "Innenansicht"
Mein Freund schlägt sich. Entweder mit dem Kopf irgendwo gegen oder mit Fäusten oder Gegenständen gegen den Kopf.
Manchmal, weil er seine Agression lieber gegen sich selbst richtet als gegen mich und andere.
Manchmal, um sich zu bestrafen, dass er irgendetwas "falsch" gemacht hat.
Und natürlich, um sich zu spüren.

Jetzt ist es immer öfter so, dass er das Gefühl hat, mich zu enttäuschen. Und sich dafür bestraft, dass er so ein schlechter Partner ist.

...vorhin hab ich im Chat etwas geschrieben, was mir wichtig war, es ging darum, dass ICH mich im Rückblick auf die letzten 2 Wochen schlecht und unzureichend gefühlt habe ... blöd, weil ich Sachen falsch gemacht habe. Also, etwas, das schlecht fürmich war. Aber der Anlass war er, ein paar Sachen, die er nicht alleine regeln konnte - nur der Anlass, nicht der Grund!!!

Ich wollte also über mich sprechen, dass ich blöd war und mich dafür entschuldigen wollte.

Daraufhin hat er unser vereinbartes Stopp-Signal gegeben, das eigentlich für Fälle gedachtist, wo er sich wo hineinsteigert, wo er nicht mehr herausfindet.
Er hat mir verboten, weiter über meine schlechten Gefühle zu sprechen,weil er sich selbst dann dafür die Schuld gab. Und hat mir gesagt,wenn ich nicht aufhöre, verletzt er sich. Er habe sich dabei erwischt, wie er schon nach passenden Gegenständen suche...

Ich hab mich total erpresst gefühlt.
Bin ich Schuld, wenn er sich verletzt?
Muss ich IMMER zurückstecken, wenn er diesen Drang hat?
Gibt es irgendeinen Mittelweg?
Sagt ihr Eurem Umfeld, wenn es Euch dazu veranlasst?
Oder haben bei Euch andere überhaupt nichts damit zu tun?
Kathikatze
 

Re: Sind die anderen "Schuld"?

Beitragvon Charlotte » Di. 24.12.2013, 00:46

Ich kann dir keine direkte Antwort auf deine Fragen geben, weil ich noch nicht soweit bin, anderen von meinem Wunsch nach SVV zu erzählen. Heißt, ich warte ab, bis ich ungestört bin, und tue es. Insofern würde ich es - unabhängig von allem anderen - als großen Vertrauensbeweis sehen, dass er dich da mit einbezieht, auch wenn es für euch beide eine sehr schwere Situation ist.
Dass er dich bittet, ein Thema fallen zu lassen, weil er es momentan nicht ertragen kann, spricht dafür, dass er nach anderen Bewältigungsstrategien sucht.

Vielleicht könnt ihr die Tage mal in Ruhe miteinander sprechen, wenn es ihm gut geht und er sich stabil fühlt. Dass es dich belastet, gewisse Dinge nicht mit ihm besprechen zu können und vor allem mal zu klären, ob er diese Themen generell nicht erträgt, oder ob es jetzt nur die Situation war. Vielleicht ließen sich ja solche Gespräche sonst vorerst vertagen, z.B. indem du ihm sagst, dass du gerne noch mehr darüber sprechen würdest und ihn darum bittest, es nochmal aufzugreifen, wenn er sich dazu in der Lage fühlt.

Ich selbst verletze mich nicht, um mich zu bestrafen, insofern haben andere eigentlich nur bedingt Einfluss auf mein SvV. Wenn ich es tue, dann weil es etwas gibt, mit dem ich nicht klar komme. Das ist nicht die Schuld anderer, sondern mein Problem, für das ich derzeit keine andere Lösung finde. Und gerade um dieses Gefühl von Erpressung und Schuld bei Verwandten und Freunden zu vermeiden, traue ich mich nicht, irgendwem davon zu erzählen (und wenn, dann niemals Einzelheiten). Aber mein Verhalten kann man nicht als gesund bezeichnen. Ich denke, dein Freund geht wesentlich achtsamer mit sich um als ich. Trotzdem ist es niemals deine Schuld, wenn er sich verletzt. Dieses Verhaltensmuster ist seine Baustelle, nicht deine. Du kannst ihm beistehen, aber du kannst nicht für ihn handeln.
Wichtig ist, dass du darüber nicht vergisst, auch auf dich zu achten. Wenn es dir zu viel wird, darfst du genauso Stopp sagen. Du musst dir nicht alles anhören, was er loswerden will. Dafür gibt es Therapeuten (ist er eigentlich in Therapie?).

Ich hoffe sehr, dass ihr einen Weg findet, diese schwere Situation miteinander zu meistern. :troest:
Charlotte
 

Re: Sind die anderen "Schuld"?

Beitragvon Kathikatze » Di. 24.12.2013, 00:52

Danke

Ja, er ist in Therapie. Er hat noch viel mehr offene Baustellen. :(

Ich sehe das an und für sich auch als Vertrauensbeweis.
Und ich bin sehr stolz auf ihn, dass er überhaupt darüber spricht.

...ich hab nur im Moment oft den Eindruck, dass er mich speziell für sein SVV verantwortlich macht.... und das tut MIR weh :(
Kathikatze
 

Re: Sind die anderen "Schuld"?

Beitragvon einfachich » Di. 24.12.2013, 00:57

das tut mir leid, dass es bei euch so läuft.....ich weiss, dass mein mann auch ein schlechtes gewissen hat in vielen sachen....
heute z.b. geht es ihm wieder nicht so gut.....er ist sehr unruhig und schon ein richtiger zappel....ich sagte, dass er was tun soll wo er sich wohl bei fühlt und selbst wenn es der PC ist......dabei motz ich immer eher rum, dass er zuviel daran sitzt....er wollte aber nicht an den PC gehen....ich habe ihn dann versichert, dass ich das okay finde, dass ich ja auch möchte, dass er sich besser fühlt.....er hat es dann getan aber sein blick und wie er mich in den arm genommen hat zeigte schon irgendwie, dass es ihm nicht so wohl war und er eher ein schlechtes gewissen hatte.....

aber zu deiner frage wegen dem verletzen......ich mache das nur weil ich druck ablassen muss.....eigentlich egal woher der kommt.....wenn wir einen streit hatten z.b. war es nicht wegen dem streit, oder weil ich "böse" auf denjenigen war sondern weil ich so unter innerlichen druck stand der abgebaut werden musste.....oder aber ich mich so "leblos" gefühlt habe, dass ich beim b**t sehen konnte, dass ich noch lebe.....

ich finde es sehr unfair von deinem partner, dass er dich damit erpresst....da solltest du dich auch nicht erpressen lassen udn ihm das dann auch sagen. ihm klar zu verstehen geben, dass du nicht gesagt hast, dass er es machen soll und er für sich selber verantwortlich ist....
PTBSler sind aber totale egoisten....das hat die ärztin meines mannes mir auch gesagt....auf der einen seite fühlen sie sich immer verletzt aber auf der anderen seite muss sich alles um sie drehen....

mensch das tut mir wirklich leid......da gehts einem selbst schon so beschi**en und dann noch die probleme mit dem partner.......aber ich kenne es. es ist so schwer udn ich denke auch oft wie lange ich noch durchhalte.... :cuddle:
einfachich
 

Re: Sind die anderen "Schuld"?

Beitragvon iyuraeel » Di. 24.12.2013, 09:00

Ich hab mich total erpresst gefühlt.
Bin ich Schuld, wenn er sich verletzt?
Muss ich IMMER zurückstecken, wenn er diesen Drang hat?
Gibt es irgendeinen Mittelweg?
Sagt ihr Eurem Umfeld, wenn es Euch dazu veranlasst?
Oder haben bei Euch andere überhaupt nichts damit zu tun?


1. Er hat dich somit ja erpresst, das ist kein Gegühl sondern Fakt und das finde ich total daneben.
Nicht nur wegen der Erpressung, was an sich schon bescheiden genug ist, sondern auch wegen anderen
SVVlern. Die machen das normalerweise nicht um andere Menschen zu bestrafen, nicht geplant, sondern
impulsiv ohne wirklich viel Kontrolle darüber zu haben. Ich finde sein Verhalten absolut unfair!

2. Nein. Sicherlich wirst du mal Auslöser sein, genauso wie er Auslöser sein wird dafür, dass es dir mal nicht
gut geht. Das ist normal denke ich. Schuld allerdings trägst du damit keine.
Vermutlich trägt auch er keine Schuld daran, wenn es nicht wie bei der Erpressung geplant ist. Die Schuldfrage
ist hier auch überflüssig finde ich, wichtiger ist es Wege zu finden es besser lösen zu können(und das versuchst du ja hier :) )

3. Nein, musst du nicht. Da ist es wahrscheinlich schwierig den von dir gewünschten Mittelweg zu finden.
Du hast auch Bedürfnisse nach Kommunikation, genau wie er auch. Ich denke, da muss man mit viel
Offenheit ran gehen und oft über seine Gefühle reden und Grenzen setzen und versuchen diese für den
Partner zu erweitern. Also würde ich als Mittelweg das regelmäßige offene Gespräch suchen.

4. Ich verletze mich nicht mehr. Aber damals habe ich Teilen meines Umfelds erzählt. Allerdings meistens
ohne Begründung. Etwas wie "Ich verletzte mich weil du gemein warst" habe ich nie gesagt.
Allerdings hatten natürlich andere damit zu tun, wenn ich Stress oder Streit mit wem hatte, wenn ich
von jemandem enttäuscht wurde e.t.c Aber wie oben erwähnt, ist das normal denke ich.

Ich finde es gut, dass du dir Meinungen einholst. Ich hoffe er ist auch offen für neue Strategien die ihr
zusammen erproben könnt :)
iyuraeel
 

Re: Sind die anderen "Schuld"?

Beitragvon Blume » Di. 24.12.2013, 11:11

Es kommt vor, dass ich eigentlich auf andere wütend bin, das aber auf mich übertrage und mich dann selbst verletze. Im Grunde genommen sind andere Personen aber meistens nur der Auslöser und nicht die Ursache dafür.

Was er gemacht hat, fand ich nicht richtig. Ich finde es okay, sich aus der Situation rauszunehmen, wenn man durch sie getriggert wird. Oder wenn die Person, auf die man wütend ist, sich wirklich daneben benimmt. Aber er hat nicht das Recht dazu, dich dann zu erpressen. Das ist nicht in Ordnung.
Man kann ja hier ganz gut mitverfolgen, wie sehr ihr/du um eure Beziehung kämpf(s)t. Du bist einfühlsam, verständnisvoll und niemand, der ihn zu Unrecht blöd anmachen würde oder so. Du gibst dir große Mühe, für ihn da zu sein und steckt selber zurück.

In dem Zusammenhang euer Stoppzeichen zu verwenden, erscheint mir wie eine Flucht aus dem Gespräch. Auch die Drohung auszusprechen, sich verletzen zu wollen, wirkt hier wie ein Mittel, dich zum Schweigen zu bringen. Es ist schön, dass er so offen mit dir über seine Absichten sprechen kann, aber das sollte besser nicht mehr in solchen Androhungen enden.

Um ehrlich zu sein finde ich, dass du weniger Rücksicht auf ihn nehmen solltest. Das klingt jetzt ziemlich gemein und da du ihn ja liebst, weiß ich nicht, ob du das schaffst. Aber meine Therapeutin sagt mir oft, dass man schlechte Emotionen und Stimmungen auch mal aushalten muss. Man kann sich nicht immer in seiner Wohlfühl-Pufferzone bewegen und sich schön von allem Schlechten fernhalten. Und es ist nicht deine Aufgabe, ihn vor den bösen Dingen dieser Welt zu beschützen. Das wirst du auch nicht schaffen. Und je stärker du versuchst, alles zu vermeiden, was ihn antriggern könnte, desto öfter wirst du genau das Gegenteil erreichen.
Es klingt sicher krass, aber dann verletzt er sich halt mal wegen dir. Er ist in Therapie und dort ist es seine Aufgabe, gemeinsam mit dem Therapeuten einen Weg zu finden, die Aggressionen in bessere Bahnen zu lenken. Solange er das noch nicht gelernt hat, wirst du ihn auch nicht davon abhalten können, dass er sich selbst wehtut. Er wird immer eine Möglichkeit und vor allem einen Grund dafür finden.

Es ist richtig, dass eine Beziehung Arbeit ist und dass man dem anderen eine Stütze ist, wenn es ihm schlecht geht. Ganz sicher bedeutet das auch, mit den eigenen Bedürfnissen hinten anzustehen. Aber nicht dauerhaft und nicht so, dass sich die ganze Beziehung auf einen Partner ausrichtet. Es gibt schwere Zeiten, in denen ein Partner eine besondere Aufmerksamkeit braucht, aber das heißt nicht, dass man sich selbst komplett aufgibt und darunter leidet. Dass man selber nur noch zu kurz kommt.
Eine Beziehung ist ein Geben und ein Nehmen. Dein Freund nimmt von dir Hilfe, Unterstützung, Kraft. Er kann dir gerade nicht so viel bieten, was du von ihm nehmen könntest. Aber er könnte dir Verständnis entgegen bringen. Auch in seiner schwierigen Situation sollte er dazu in der Lage sein. Denn nichts anderes bedeutet es letztendlich, eine Beziehung zu führen.
Blume
 

Re: Sind die anderen "Schuld"?

Beitragvon Kathikatze » Sa. 04.01.2014, 00:59

Ich möchte allen, die bisher genatwortet haben, Danke sagen :)

Ihr habt mir,wie so oft hier, sehr geholfen. Auf viele verschiedene Arten und mit ganz verschiedenen Denkansätzen und Einsichten.

@charlotte
Ich sehe das auch als großen Vertrauensbeweis, dass er das so offen kommuniziert.
Allerdings fehlen die"stabilen Momente" im Moment fast völlig. Es gibt so gut wie keine Möglichkeit, rational darüber zu reden, das Gesagte evtl zu relativieren...

einfachich hat geschrieben:PTBSler sind aber totale egoisten....das hat die ärztin meines mannes mir auch gesagt....auf der einen seite fühlen sie sich immer verletzt aber auf der anderen seite muss sich alles um sie drehen....
(...)
aber ich kenne es. es ist so schwer udn ich denke auch oft wie lange ich noch durchhalte.... :cuddle:

Danke, dass Du das einfach mal so aussprichst - gerade von Dir hilft es mir unheimlich, mal mit der Nase darauf gestoßen zu werden, dass ich nicht die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen haben muss, weil ich einfach nicht in der Lage bin,auf alle seine Belange vollständig einzugehen. Er IST ein Egoist..auch wenn er absolut nichts dafür kann. Ich aber eben auch nicht

@iyuraeel
Dir auch Danke... um die "Schuld"frage habe ich ja auch ganz bewusst in Gänsefüßchen gesetzt... denn, genau wie Du sagst, das für die Vergangenheit zu klären, ist nicht nur relativ sinnlos, sondern bringt auch nur Streit... aber wenn ich eine Lösung finden will, muss ich ja wissen, für wie viel davon ich tatsächlich verantwortlich bin... also auch, wie viel ich verhindern könnte.
Wobei ich mittlerweile auch nicht mehr glaube, dass ich das kann.
Denn
@blume, damit hast Du wohl auch Recht, das hat mir sehr die Augen geöffnet
...dort ist es seine Aufgabe, gemeinsam mit dem Therapeuten einen Weg zu finden, die Aggressionen in bessere Bahnen zu lenken. Solange er das noch nicht gelernt hat, wirst du ihn auch nicht davon abhalten können, dass er sich selbst wehtut. Er wird immer eine Möglichkeit und vor allem einen Grund dafür finden.
Kathikatze
 

Re: Sind die anderen "Schuld"?

Beitragvon Kathikatze » Mi. 22.01.2014, 09:41

Ich weiss nicht, was ich tun soll. Es ist schon wieder passiert.
Mit Ansage.
"Wenn Du jetzt nicht aufhörst,dann..."
"Muss ich mir noch mehr antun, damit Du aufhörst?"

Ich kann damit nicht umgehen.
Ich kann dann nur verstummen
Kathikatze
 

Re: Sind die anderen "Schuld"?

Beitragvon Mali » Mi. 22.01.2014, 11:03

So etwas zu sagen ist nicht nur unfair sondern einfach mies.
Mag sein das es seine eigene Verzweiflung ist die in diesem Moment durchbricht weil er sich schuldig oder sonstwas fühlt aber es ist nicht richtig dies an dich in dieser form weiter zu geben.
Im Grunde kannst du dann nicht mehr tun als dich abgrenzen und sagen,so nicht,nicht mit mir.
Es ist seine Verantwortung wenn er sich verletzt und es ist bei ihm zu lernen das dies eben seins ist und du dafür nicht die richtige Person bist.
Was du tun kannst...grenzen setzen und zeigen.
Dir selbst was gutes tun und vor allem dir nicht deinen raum für deine Gefühle und Gedanken nehmen lassen.
Mali
 

Re: Sind die anderen "Schuld"?

Beitragvon GLaDOS » Mi. 22.01.2014, 14:59

Er gibt die Verantwortung so ab. Das unvermeidliche wäre früher oder später auch so passiert. Das wichtigste ist es ist nicht deine Schuld.
GLaDOS
 


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