Glücklich und zufrieden bis zu jenem Tag

Hier könnt Ihr allgemein über psychische Störungen und Krankheiten sprechen bzw. wenn Ihr Euch nicht auf eine spezielle Thematik festlegen wollt.

Falls Ihr nicht genau wisst, um was für eine Störung es geht oder in welchem Unterforum es passen würde, könnt Ihr ebenfalls auch erst einmal hier schreiben.

Glücklich und zufrieden bis zu jenem Tag

Beitragvon schlohweißer_tag » Mo. 13.01.2014, 01:20

Liebe Foren-Mitglieder, ihr habt hier schon so einige Lebensgeschichten gelesen und ich erwarte von Euch keine aufgezwungenen Statements, tröstende Worte oder Mitleid. Wie Einige von Euch bereits mitbekommen haben, fällt es mir schwer über meine Probleme und Gefühle zu reden oder zu schreiben. Ich habe mich jetzt dazu durchgerungen, meine Geschichte einmal öffentlich zu s hreiben, da ich mir sicher bin, dass es mir gut tut.

Im Sommer 2003, ich war gerade 14, befand ich mich mitten in meiner pubertären, rebellischen Phase. Ich galt zuvor als liebes schüchternes Mädel. Doch davon hatte ich die Schnauze voll, so dass ich mit schwarz lackierten Fingernägeln, zerrissenen Jeans und Nietenschmuck vorallem meinen Vater jeden Tag aufs neue ärgerte. Meine Freundinnen und ich, sie steckten damals noch nicht so tief in der Pubertät, teilten die große Leidenschaft des Sports. Auch mein sechs Jahre jüngerer Bruder war im selben Sportverein und ein richtiges Talent. Das fand vorallem sein Trainer. Dieser Trainer bekam mit der Zeit natürlich mit, dass ich die Schwester bin und auch mit meiner Mutter verstand er sich blendet. Ich fand ihn auch ganz nett. Manchmal war er mir im Ungang mit den Kindern zu streng und ich empfand ihn als perfektes "Opfer" meiner sarkastischen Sprüche, da ich wusste, dass er Spaß vertragen kann. Er nutzte dieses um mir kleine "Strafen" aufzuteilen. Was mit einem kleinen Klaps auf den Hintern oder einem bösen Spruch anfing, nahm für mich eine ungeahnte Wendung. Meine heile Welt zerbrach als ich irgendwann merkte: "Ok, das ist mir jetzt zu viel. Das will ich nicht mehr." Besonders die Zeit während des Trainingslagers an der Ostsee nutze er gerne, denn dann war seine Frau nicht bei. Wie gesagt spitzte sich die Lage immer mehr zu.
Im September/Oktober des selben Jahres fing ich mit der Selbstverletzung an. Selbsthass und Wut über die eigene Dummheit, den scheinheiligen netten Familienvater herauszufordern, waren Auslöser, ebenso innerer Druck und einfach pure Verzweiflung, wie ich damit umgehen sollte. Gute Schulfreundinnen bekamen davon Wind, doch den wahren Grund habe ich ihnen nie gesagt, auch meiner "netten" Klassenlehrerin nicht, die mit der ganzen Sache total überfordert war. Sie erzählte es meiner Mutter, der sagte ich, dass es an der Situation mit meinem Vater lag und versprach, dieses nie wieder zu tun. (Zum Verständnis: als ich mich immer mehr zurück zog und depressiver wurde, fragte mein Vater nie "warum", sondern schrie mich lieber täglich an, wie scheiße ich doch bin und er seine alte normale Tochter wieder haben will. Bis heute weiß er nichts von dem).
Ich hatte Angst mit Jemanden zu reden. Ich dacht, vielleicht habe ich nur was missverstanden und wer würde mir schon glauben...
Die Berührungen wurden mehr, auch sexuelle verbale Anspielungen ("Ich komm mit duschen.", "Ich komm heut Nacht kuscheln). Im Traingslager 2004 geschah ein Unheil... Er hatte sich nicht unter Kontrolle. Wir schwammen in der Ostsee und trieben weiter weg als die Anderen. Nach einem blöden Spruch von mir, zog er mich unters Wasser, so konnte er mich ungesehen betatschen, mir blieb die Luft weg. Seit dem Tag geh ich nicht mehr in öffentliche Gewässer und beim Duschen ertrag ich es nicht, wenn Wasser über mein Gesicht strömt.
Ich verletzte mich weiter ohne das es Jemand merkt (es gab dazwischen aber auch Monate, in denn ich es nicht brauchte).
Irgendwann wollte ich mich wirklich gegenüber Schulfreundinnen äußern, als ich ihn meine Probleme erzählte kam großes Gelächter nach dem Motto: Haha so ein alter Sack steht auf dich. Ich fühlte mich bestätigt, dass mich keiner versteht. Neben dem seelischen Schmerz kam körperliches Leiden (vermutlich psychosomatisch) hinzu, Probleme im Kniegelenk. In Sachen Sport musste ich kürzer treten.

Im Jahre 2005 wurde es immer unerträglicher. An einem Abend, wieder mal im Trainingslager, fing er mich nachts vor meinem Zelt ab. Er griff meinen Arm, zog mich fest an sich ran. Ich hasste seine rauen Hände, seine Kraft und von seinem üblen Körpergeruch wurde mir schlecht. Er küsste mich und atme so tief ein und aus.. Ich konnte seine Erregung spüren.. und mich losreißen. Die ganze Nacht habe ich kein Auge zu gemacht. Am nächsten Morgen wollte ich gleich eine Runde mit dem Fahrrad drehen, er hielt mich wieder fest und wollte mich mit unter die Dusche schleifen...
Als wir wieder zu Haus waren, stieg ich endgültig aus dem Verein aus.
Doch in einer Kleinstadt läuft man sich halt oft über den Weg und auch heute noch, wenn ich in der Heimat bin, habe ich Angst, dass er sich doch noch das holt, was er immer wollte.
Ich habe mich bis 2009 selbstverletzt, meistens ausgelöst durch Flashbacks. Als ich meinen Freund kennen lernte, habe ich von einen auf den anderen Tag damit aufgehört.
Er, meine Mutter und auch mein Bruder wissen mittlerweile die grobe Geschichte. Nur wie es manchmal in mir aussieht nicht. Gerade nach Flashbacks. Aber ich führe ein ganz gutes Leben mittlerweile. Nur der ganze alte Kram muss mal raus!!!

An dieser Stelle mach ich erstmal schluss, ich bin müde...
schlohweißer_tag
 

Re: Glücklich und zufrieden bis zu jenem Tag

Beitragvon warum ich » Mo. 13.01.2014, 03:55

hallo s.t.,

ich gehe davon aus, daß du in der zwischenzeit therapien hattest, und mich würde interessieren, ob darin als mitursächlich das seinerzeit sehr im bruch befindliche verhältnis zu deinem vater befunden, und davon dann wieder herübergeleitet worden war, zu der art, die du für dich gefunden hattest - wohl auch derzeit so auch noch in teilen beibehalten haben könntest, wie es mir scheinen will -, dich ohne "solcher leute" (im weitesten sinne) hilfe den dingen auszusetzen, ob die therapie dann darauf letztlich also abgestellt gewesen, und wie erfolgreich sie in diesem punkt nachher war.

ich denke nicht, daß man dir die erinnerungen "abgewöhnen" können würde, die sich da bspw. bei diesen vorfällen unter wasser eingegraben haben. aber daß du lernen könntest, wo der fehler gelegen war: langezeit dann eben zu denken, du könntest soetwas allein bewältigen, und im moment, als es dann gebraucht war, stand keiner hinter dir, den du als beistand zumindest hättest.

wir wissen wohl alle, was passiert wäre, wenn du diesen trainer irgendwie angezeigt hättest: zuverlässig nämlich gar nichts. sehr im gegenteil wahrscheinlich eher, nachdem sich mobbing inzwischen zur "volkskultur" entwickelt hat.

aber es hätte dir in diesen momenten gutgetan, wenn du eben jemanden hättest, der die sache - irgendwie dann - für dich "geregelt", sich für dich eingesetzt hätte. das hätte bspw. dein vater sein können. und es entschuldigt ihn nichts, daß er es eben nur nicht zur kenntnis erhalten hatte. vielmehr war in seinem insgesamt schon vorher schwer enttäuschenden verhalten ja überhaupt erst der grund gelegen, daß dir dieser halt nachher gefehlt hatte, als es so dringend gebraucht gewesen wäre.

"im versuch, aufzusteigen, die freude an der eigenen kraft und fähigkeit gerade erspüren zu wollen, gleich schon hinterrücks abgeschossen worden" - könnte man es in ein metaphorisches bild setzten.

ich hatte diesen eindruck, bevor ich dein alter hier las - ... vielleicht auch ein wenig abgelenkt durch den nicknamen ;) -, daß du wesentlich älter schon wärest. typisch für menschen, denen man ihre kindheit nicht gelassen hat; die durch schicksalswendungen sofort hatten sich in erwachsenenrollen hineinfinden müssen.
insofern scheint es mir zu passen auf das, wie ich denke, wie du deinen weg hattest finden wollen ...

... und dann stand da so ein fieser drecksack im wege ...

mich bedrückt an deiner geschichte, daß du dadurch die - ich nenn's mal ganz keck: üblichen ängste, die frau gemeinhin in dieser männerwelt nun mal auszuhalten hat -, daß die bei dir derart tief eingegraben sind und genährt werden, wenn du, wie du schriebst, wieder in der gegend bist, wo dieser strolch völlig unbelangt und zufrieden weiterlebt.

es ist schon einige jahre her, aber, wenn er da weiter trainer gewesen war, könnten ihm währenddessen durchaus noch weitere kinder resp. jugendliche "interessant erschienen" sein. auch ist, wie du es beschrieben hast ("er sich holt, was er noch nicht bekommen hat"), eben doch eine bedrohliche vision, find' ich, welche die wunden nicht heilen läßt.
warum ich
 

Re: Glücklich und zufrieden bis zu jenem Tag

Beitragvon schlohweißer_tag » Mo. 13.01.2014, 10:52

Hallo warumich..
Danke für deine vielen Worte, damit hätte ich nicht gerechnet.
Ich muss dir sagen, dass ich nie eine Therapie gemacht. Ich hatte immer mal wieder in den Jahren Termine bei Psychologen vereinbart. Als der jeweilige Tag dann näher rückte, bin ich nie hingegangen, weil ich so eine Panik davor hatte, über meine Gefühle und das Geschehene zu reden. Ich weiß, dass das keine Selbstverständlichkeit ist, dass ich da allein raus kam und nun ein gutes Leben führe.
Natürlich habe ich mir Gedanken gemacht, dass er einfach so ganz normal weiter lebt. Seinen Trainerjob hatte er nach ein, zwei Jahren dann aufgegeben. Aber sein Sohn und mein kleiner Bruder gingen in die selbe Klasse. Er, als netter und engagierter Familienvater, fuhr mit auf Wandertagen und Klassenfahrten. Ich habe mir viele Gedanken gemacht, aber mir kam nie zuhören, dass er weiter macht.
Im Jahr 2007 etwa rasstete ich dann mal aus, nachdem meine Mutter ihn freudestrahlend auf der Straße begrüßte. Ich habe ihr nach und nach dann erzählt, was so passiert ist. Auch meinem Bruder, damit er auf sich aufpasst.
Bei irgendeiner Klassenfahrt von meinem Bruder (das muss 2009 / 2010 etwa gewesen sein, bekam ich von dem A...loch eine Sprachnachricht. Er hatte sehr genuschelt, ich verstand etwaa wie: du kannst doch nichts dafür. Ich habe ihm eine äußerst böse Nachricht geschrieben, was für ein Arsch er doch ist, und er soll mich und meine Familie endlich in Ruhe lassen, wenn nicht, zeig ich ihn an! Ein paar Tage später fing er meinen Bruder mit ner Freundin ab und schrie ihn an, dass er mich nie angefasst hat und bla bla.
Mich komischeweise sprach e bis jetzt (zum Glück) nie an!!!! Er setzt nur ein ekelhaftes Grinsen auf, nach dem Motto: ich krieg dich! Wie gerne würde ich ihm ins Gesicht sagen, dass er ein Arsch ist!
Vielleicht kommt ja noch mein großer Tag!

Aber um nochmal drauf zurück zukommen. Ich habe in den Jahren Strategien gelernt, um damit umzugehen. Ich habe mir einen Schutzwall aufgebaut. Ich habe mir so oft gesagt, ich muss stark aein, so dass es geworden bin und mir es jetzt schwer fällt, schwach zu sein.
schlohweißer_tag
 

Re: Glücklich und zufrieden bis zu jenem Tag

Beitragvon warum ich » Mo. 13.01.2014, 13:08

ersteinmal muß ich mich wohl entschuldigen ...
ich erinnere, es gelesen zu haben, daß du dich noch nicht auf therapien hattest einlassen können.

ich war da gestern offensichtlich nicht mehr genügend konzentrationsfähig, als ich das schrieb, nachdem ich selber gerade sehr geärgert worden war ...
mir die frage nach dem sinn sich gestellt hatte, was ich hier tue oder will.

womit wir dann auch gleich schon mitten im thema sozusagen wären ...

denn das ist, worum es mir geht: diesen schutzmantel eben, und wie man ihr sehen sollte.

ich selber habe einen solchen ebenso - dieser ist die absolute anonymität. und so also gestern gerade wieder bemerken müssen, wie sehr er mich doch behindert, statt daß er mir hilft.
einfach, weil er wohl falsch geschnitten ist. oder mit der "heißen nadel" einstmals zusammengenäht.
würde der meine mich nicht in dieser weise behindern, würde wohl auch keiner derart mit mir umspringen.

daher ist es in deinem falle eigentlich auch weniger interessant, inwieweit dieser mensch da tatsächlich eine bedrohung nochmal für dich werden könnte - ich meine, daß eher wohl nicht.
und daß es bestraft - besser: nachhaltig verhindert - gehört, ist ja wohl keine frage, aber hier jetzt auch weniger wichtig.
kein opfer ist je durch eine bestrafung des täters sein trauma wieder losgeworden.

total nüchtern betrachtet, hatte, wie du dich bisher vor ihm schützen konntest, ja fast auch schon ausgereicht. einzig, wie tief es dich erschreckt und verunsichert hatte, nachdem es so sehr nah schon gewesen war.
denn auch solche "fälle" gibt es, wo einer eben nur auf eine bestimmte zielperson fixiert gewesen war, deren art ihn derart dann "gelockt" haben könnte, daß er alle contenance und anstand aufgegeben hatte für seine illusion.
richtig wird wohl sein, daß er nicht zufrieden ist, nachdem er sein offenbares ziel letztlich nicht erreichen konnte, aber auch, daß er inzwischen wohl erkannt haben könnte, daß da auch an gelegenheiten nichts mehr kommen würde.

und dir bleibt daraus dieser - vermutlich viel zu dick und für alles dann auch gleich undurchlässig angelegte - schutzwall.
mithin als ein ganzes paket an einschränkungen zu sehen, die dir seither die freie entfaltung deiner gefühle verhindern.
eben weil du daran lediglich selbst hattest bauen müssen, ohne daß dir professionell gesagt worden wäre, was wirklich nur nötig und was dagegen vielleicht eine schale zu viel wäre.

bin noch immer nicht konzentriert. weshalb ich jetzt nicht sicher weiß, ob hier irgendwo schon stand, daß du jetzt eine therapie wirklich auch mal durchziehen dir vorgenommen hättest ;)
bin selbst soweit verunsichert gerade, daß ich allein schon fürchten muß, wenn's einen smilie braucht an irgendeiner stelle, hier von einigen gleich wieder sauber mißverstanden zu werden.

insofern find' ich's hier alles noch recht fragil. hatte dir aber gleich nach den ersten beiträgen schon, als du diesen eindruck machtest, eine einzelperson würde dir zum "abladen" dessen, was dich drückt, schon ausreichend sein, eben gerade die chemie einer solchen community als weit geeigneter empfehlen wollen. denn was nur einer dir sagt - einschließlich deines therapeuten irgendwann einmal - ist eben auch nur eine sicht der dinge. und erst im vergleichen, wie es anderen im verfolgen der ihnen aufgezeigten lösungswege ergeht, kann man für sich selber erkennen dann, was letztlich vielleicht gut wäre.
warum ich
 


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