von Danica » So. 10.07.2011, 11:01
Gymnasium- Der Tiefpunkt meines Lebens
Es war schon arg schwierig sich in eine Klasse einzuleben und integrieren, wenn man dort niemanden kennt und eh lieber für sich ist.
Ich kann mich noch genau dran erinnern- alles schoben sich ihre Tische zusammen, wollten ja nebeneinander sitzen. Ich stand in der Menge und wartete einfach ab, dass irgendetwas passierte, dass irgendjemand mich bemerkte.
Zum Schluss musste ich neben einem Mittelalterfreak sitzen, der seine fettigen Haare immer in meine Richtung warf und sich alle Schuppen über den Tisch verteilten. Nicht das ich besonders oberflächlich wäre, nein, aber in dem Moment ekelte es mich doch sehr.
Nun ja, zumindest war er gut in Mathe und ich konnte unbemerkt von ihm abschreiben und die Stunden irgendwie herumkriegen.
Nach einem halben Jahr hatten wir uns alle an den stressigen Alltag gewöhnt- schließlich war das hier die beste Schule der Stadt. Alle wollten einen guten Eindruck machen.
Die Lehrer waren ziemlich streng, nur unser Klassenlehrer war mir symphatisch. Er war locker, witzig und bei ihm wurde es einfach nie langweilig.
Die anderen Kinder in meiner Klasse waren wir definitiv zu nervauftreibend, ich verbrachte den ganzen Tag alleine, wie eigentlich schon immer in meinem Leben.
Oft schrieb ich Geschichten und einmal vergaß ich sie auf dem Schulhof. Unser Lehrer fand sie und las sie vor, dass brachte mir gehörigen Respekt und ein paar Bewunderer. Im Grunde hätte ich stolz auf mich sein sollen und glücklich über diese überraschende Wendung. Aber nein, von diesem Tag an hasste ich unseren Lehrer.
Er hatte die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt, es war zu viel für mich. 35 Augenpaare plus die des Lehrers die mich musterten- nein, das war nicht meine Welt.
Die Pausen verschanzte ich mich immer auf dem Mädchenklo, kritzelte Erinnerungen meines Lebens an die Wand. Irgendwann gaben es die anderen auf und ließen mich in Ruhe.
In der 6. Klasse wurde bei mir eine "Rückenkrankheit" festgestellt. Ich hatte 92° Kyphose, sprich einen Rundrücken. Ich versuchte mich vor der Welt zu verstecken, wie der Arzt sagte.
So musste ich Krankengymnastik betreiben, auf Kur fahren und, das Schlimmste, ein Korsett tragen. Es war ein hartes Plastikding, perfekt auf meinen Körper abgestimmt. Es zwang mich schmerzhaft in die "richtige" Position. Es war der reinste Horror, zudem musste ich es den ganzen Tag tragen.
Die Nächte waren ein Spaziergang sag ich euch, im gegensatz zu dem Schultag. Ich war die behinderte Schildkröte, Buckelliese, Hexe und schwarzer Kater.
Unser Klassenlehrer schoss den Vogel ab- er hielt eine Ansprache über meine "Behinderung" und das sie alle akzeptieren sollen blablabla...
Und am Ende, oh mein Gott, zog er mein T-Shirt hoch um der Klasse das Teufelsding zu zeigen. Ich rannte weg, nach Hause. Ich hörte das Gelächter immer noch in meinen Ohren.
Ich war sehr froh auf Kur zu fahren. Weg von dem nervigen Alltag. 4 Wochen Entspannung.
Von wegen.
Den ganzen Tag ackerten wir an unserem Rücken. Die restlichen Stunden beschäftigten wir uns mit unserem Körper, bekamen Ernährungsberatung. Ich aß weniger, kippte oft um und war kaum bei Kräften.
Als die Kur zu Ende war, wog ich etliche Kilo weniger und hatte kein Selbstbewusstsein mehr. Dort war nur Leere und der Satz "Du musst perfekt sein", den sie uns sooft vorgepredigt hatten.
Schule war schlimm. Schule war ein Alptraum der nie endete.
Man versuchte zu rennen, konnte sich aber nicht bewegen. Und wenn es einem gelang rannten sie einem hinterher. Mobbing, Gewalt und Stalking.
Mein Leben existierte nicht mehr. Können Kinder so grausam sein? Ich wurde zur Psychologin geschleppt. Sie folgten mir- natürlich!
Ich war der Psycho, die Irre oder die verrückte Magersüchtige. Es ging gar nichts mehr. Ich wollte mir helfen, wollte mich an irgendwen wenden. Aber mir wurde gedroht, ich hatte solche Angst. Sie waren 30 Leute. Ich war ein depressiv dürres Mädchen, konnte kaum stehen.
Meine Eltern, ich erzählte ihnen alles. Sie sagte ich solle mal zurückhauen. Haha.
Damit war die Sache erledigt.
Meine Psychologin- sie sagte ich bräuchte Selbstvertrauen und wollte mich in ein Camp schicken. Schon klalr.
Jeder Tag wurde schlimmer und ich war auf mich allein gestellt. Ich hatte noch Glück, wenn ich mit einem blauen Auge davon kam.
Ich rannte nach Hause, schloss 10 mal ab. Ich traute mich nirgendwo hin. Essen wurde zur Qual, Reden wurde zum Alptraum. Und rausgehen, oh ja, dass glich einem Selbstmordversuch.
Ich weiß nicht mehr viel, nurnoch das ich umgekippt bin und zum Arzt geschleppt wurde. Sie stellten fest, dass mein Herz kaum noch schlug. Ich hatte zu viele Schlaftabletten genommen, das wirkte sich fatal auf meinen geschwächten Körper aus.
Ich sollte ins Krankenhaus. Zwangsernährung in einem videoüberwachtem Raum. Keine Gesellschaft. Denn ich war abnormal!
Jeder sollte es sehen, wie psycho ich war. Das Gerücht auf der Krankenstation. Wenn ich zu einer Untersuchung musste, sollten sie alle auf mich zeigen.
"Guck mal, da ist die Dürre aus Saal 4!"