"Die lebt doch in ihrer eigenen Welt"

Hier könnt Ihr allgemein über psychische Störungen und Krankheiten sprechen bzw. wenn Ihr Euch nicht auf eine spezielle Thematik festlegen wollt.

Falls Ihr nicht genau wisst, um was für eine Störung es geht oder in welchem Unterforum es passen würde, könnt Ihr ebenfalls auch erst einmal hier schreiben.

"Die lebt doch in ihrer eigenen Welt"

Beitragvon Lyra » Fr. 18.05.2007, 00:40

Guten Abend zusammen!

Ich habe wirklich sehr lange mit mir gerungen, bevor ich mich in diesem Forum angemeldet habe. "Mein Problem" spreche ich eigentlich nie an, niemand weiß davon. Doch seit Monaten wird der Druck in mir immer größer, ich kann es einfach nicht mehr für mich behalten. Da ich in meinem Bekanntenkreis vermutlich nur auf Unverständis stoßen würde und nicht als Depp dastehen möchte, kam mir die Idee, in einem Internetforum anonym mein Herz auszuschütten.

Ich weiß, die meisten hier in diesem Forum haben genug mit sich selbst zu tun und meine Probleme sind dagegen vermutlich einfach nur lächerlich, doch ich es muss mir einfach von der Seele schreiben.

So lange ich zurückdenken kann, war ich eigentlich immer ein einzelgängerischer Außenseiter. Meine Eltern lieben mich zwar und ich bin in einer intakten Familie aufgewachsen, doch meine Mutter gab mir immer das Gefühl, dass ich ihr nicht gut genug bin. Ich weiß nicht, ob ich das nicht nur so aufgefangen habe, aber sie erzählte mir immer bspw. von den glänzenden Noten einer Mitschülerin, beinahe in einem anklagenden Ton, weil ich solche hervorragenden Leistungen nie vollbracht habe. Dass ich dafür meine Prioritäten auf Werte wie Ehrlichkeit, Treue und Vertrauen lege und meiner Meinung doch ein ganz ordentlicher Mensch bin, scheint meiner Mutter egal zu sein. Nur die Leistung zählt.
Ich war immer ein sehr schüchterner Mensch, der in Gruppen nur schwer Anschluss findet. Ich habe zwar einige Freunde, doch mit denen habe ich vehältnismäßig wenig zu tun. Wir haben zu verschiedene Interessen und wohnen zu weit auseinander, um mal spontan was unternehmen zu können. Das stört mich gar nicht mal so sehr, da ich ohnehin eher ein Einzelgänger bin und gerne meine Ruhe habe. Introvertiert halt.
Seit ich 7 oder 8 Jahre alt war, habe ich mir immer einen Hund gewünscht. Meine Eltern waren immer dagegen, da hatte ich keine Chance. Heute, ich bin mittlerweile 18 Jahre alt, besteht der Wunsch immer noch.

So dämlich es klingen mag, vor 4 oder 5 Jahren habe ich begonnen, in eine Fantasiewelt zu flüchten. Anfangs nur ganz unscheinbar, doch seit etwa 2 Jahren bekommt diese Welt immer deutlichere Konturen.
Ich habe zwar immer noch die gleichen Eltern, wir wohnen immer noch im selben Haus. Hinzugekommen sind lediglich Laika ( 8 Jahre), Lukas (1,5) und Mareike (1), liebevoll auch "Reike" genannt. Die drei sind wundervolle Russische Windhunde, und meine Eltern sind die begeistertesten Hundemenschen, die man sich vorstellen kann. Mittlerweile sind sie dabei, eine kleine Hobbyzucht aufzubauen.
Im Februar 06 nahmen wir einen Austauschschüler aus den USA bei uns auf - Colin. Colin wurde zu meinem festen Freund. Obwohl sein Austauschjahr offiziell schon längst zu Ende ist, ist er bei uns geblieben - weil er mich liebt. Er ist immer da. Es ist zwar nicht so wie bei "normalen" imaginären Freunden - Friede, Freude, Eierkuchen. Wir streiten uns, wir versöhnen uns. Wir machen Ausflüge, wir lachen, wir träumen gemeinsam. Eine weitere treue Begleiterin an meiner Seite ist seit Juni 2006 "Luna", eine mittlerweile 3jährige Airedale Terrier Hündin. Ich habe mir vorgestellt, dass ich sie von einer Tierschutzorganisation übernommen habe. Seit Dezember ist auch noch Airedale Terrier "Conan" bei mir, ihn habe ich jedoch vom "Züchter" (natürlich nur in meiner Phantasie). Auch die Hunde sind nicht fehlerlos. Laika mag keine fremden Menschen und Hunde, Lukas liebt alles und jeden, Mareike ist etwas reservierter, Luna ist freundlich zu jedem, aber auch zurückhaltend und Conan ist im Moment im Flegelalter. Luna und Conan, den ich auch liebevoll "Conni" nenne, begleiten mich überall hin. Vor Läden, in denen Hunde verboten sind, bleiben sie brav sitzen und warten. Sie können super ohne Leine laufen, Bus- und Bahnfahren? Kein Problem! Luna ist ein perfekter Begleithund, Conan auf dem besten Weg, einer zu werden. Sobald mir einer blöd kommt, quittiert Luna dies mit einem Grummeln. Leute, die mir unsymphatisch sind, werden auch von meinen Hunden gemieden.
Eine perfekt konstruierte Scheinwelt, in der ich mich pudelwohl fühle.

Nur, normal ist das ja nicht. Ich habe das Gefühl, ich flüchte mich in diese Welt, um das Leben zu führen, das ich nicht leben kann. Ich weiß, das ist verrückt. Ich habe mir schon mehrmals gesagt, dass ich damit aufhören muss, doch es gelingt mir einfach nicht und irgendwo will ich es auch nicht missen. Es belästigt ja niemanden.

Doch... normal ist doch was anderes, oder?

Sorry, das das jetzt so lang geworden ist, aber das musste ich mir einfach mal von der Seele schreiben.

Danke fürs Durchhalten,
Lyra
Lyra
 

Beitragvon verrückte-nudel1981 » Fr. 18.05.2007, 10:30

Hallo Lyra!

Ich bin ziemlich überrascht über das, was Du schreibst! Ist es denn so, dass Du Dir Deine Hunde nur vorstellst oder siehst Du sie dann auch?
verrückte-nudel1981
 

Beitragvon brokensoul » Fr. 18.05.2007, 10:46

Hallo Lyra

Ich find es wirklich mutig das du dich durchgerungen hast hier dir deine Geschichte von der seele zu schrieben, es wr sicher nicht einfach.

Was du erzählst kommt mir irgendwie in ansätzen bekannt vor, ich war und bin eigentlich immer noch außenseiter und in der zeit wo ich wirklich niemand hatte habe ich mir auch so eine art scheinwelt ausgedacht, wenn ich abend im bett lag hab stundenlang vor mich hin geträumt situationen erlebet die ich in meinem alltag missen musste. Ich war ganz und gar in dieser welt ich hatte zwar nicht wie du sagst zum beispiel neue mitgleider der familie sondern in meinen vorstellungen spielten hauptsächlich die personen eine rolle mit denen ich auch am tag zusammenlebte, hin und wieder war auch mal jemand "erfundenes" dabei.

Ich flüchtete in diese welt, lebte dort mein leben was ich tagsüber nicht hatte, ich freute mich regelrecht jeden abend auf das zu bett gehen nicht um schlafen zu wollen sondern um weiter zu leben.
Das war die einzigste Zeit am Tag wo ich glücklich war, ich baute mir ein Leben auf was ich nicht hatte, mit einer liebevollen Familie, Freunden und einem Freund.

Dies fing glaub ich so ca mit 13/14 Jahren an und stiegerte sich bis dahin das ich irgendwann die ganze nacht wach bleib um zu "leben".

Als ich mit 16/17 die schule wehcselte und mir langsam ein solches leben aufbaute von dem ich träumte ( natürlich nur gaanz ansatzweise) würde das träumen immer weniger bis es irgend wann, so ca vor einem jahr aufhörte.

UN auch wenn sich mein leben wieder in die richtung bewegt wie zu der zeit wo ich nachts gelebt hab, machte ich es nicht mehr. Ich weiß nicht warum und machmal vermisse ich es richtig nicht mehr abend stundenlang wachzuliegen und meinem eigenen leben zu zu sehen, es fehlt mir richtig.

So jetzt hab ich hier so einen Roman hingeschrieben und konnte dir auch nicht weiterhelfen, naja du weißt jetzt das du wenigstens nicht allein
bist :wink:

Lieber Gruß :cuddle:
Broken
brokensoul
 

Beitragvon MutedStoryteller » Fr. 18.05.2007, 17:33

Fragst du jetzt OB du dich "kurieren" solltest?

Wenn ja kann ich soviel sagen:
Ich persönlich habe eine lebhafte Phantasie. Ich hatte aber noch nie ein Problem damit sie von der Wirklichkeit zu trennen. Manchmal spinne ich Situation durch wie sie wäre wenn. Wie etwas gelaufen wäre wenn. Was passieren könnte wenn und so weiter...
Tolle Ideen, spannende träume die jede Grenze einreißen.
Ohne das alles würde ich es längs nicht mehr aushalten. So kann man richtig aufleben wenn man ein gewissen Grundpensum im übrigen hat

Ich glaube man darf sein leben nur nicht aus den Augen verlieren. Aber Man sollte sich nicht beschneiden etwas so kostbares wie eine Traumwelt zu zerstören oder abzuschreiben, abzuwerten.

Vielleicht wäre es das beste du würdest sie in dein Leben einbinden:
Sie aufschreiben oder in Musik, als Bilder oder keine Ahnung (ich gehe mal davon aus nicht das die programmierst oder so^^').

Ich scheitere zwar immer wieder daran. Aber was ich mal schaffe das bleibt auch in meinem Kopf als... Ich weiß nicht es ist nicht kaputt sondern es scheint viel existenter um mich herum. Greifbarer...
Je mehr du deine Träume in diese Welt manifestierst desto leichter wird dir auch das leben und denken in der normalen Welt wieder fallen.
Das glaube ich ganz sicher!

Schon das erzählen an andere kann diesen Effekt haben wenn sie miträumen können...
Ich kenne eine Person mit der ich das in bestimmten bereichen machen kann. Es tut wirklich gut.

Mehr fällt mir gerade nicht ein...


:roll:
MutedStoryteller
 

Beitragvon Lyra » Sa. 19.05.2007, 21:04

@verrückte-nudel1981: Nein, ich sehe die Hunde nicht, aber ich stelle mir immer vor, dass sie da sind und was sie machen würden. Wenn ich z.B. im Wohnzimmer fernsehen schaue, wo die einzelnen Hunde auf dem Teppich verteilt liegen und schlafen, oder wie sie die Ohren spitzen, wenn uns draußen ein anderer Hund begegnet. Schon verrückt.

@Brokensoul: eben so wie bei Dir, denke ich wird es bei mir auch sein. Wenn ich irgendwann mal einen Hund habe und der wirklich mein Leben begleitet, werde ich wohlmöglich auch meine "Fantasieprodukte" nicht mehr "benötigen".

@MutedStoryteller: Ich kann ja meine Fantasiewelt auch von der Wirklichkeit trennen. Ich weiß, dass ich eine reale Familie habe, die so ist, wie sie ist und die ich auch so akzeptiere, aber nebenher, wenn ich mal alleine bin, habe ich halt noch mein "Paralleluniversum" ;) Ich binde es auch schon ziemlich in mein Leben ein. Ich suche im Internet immer nach Hundebildern, damit ich mir ein Bild von "meinem" Hund machen kann, mache Steckbriefe, stelle sie mir ganz genau vor, was sie für einen Charakter haben usw.. Oder wenn ich von der Fahrschule heimkomme, habe ich einmal die Möglichkeit durchs Dorf zu gehen oder übers Feld. Der Feldweg ist zwar weiter, aber ich genieße die Bewegung an der frischen Luft in der Natur und denke mir "Da kann der Hund noch ein bißchen laufen", im Ort geht das ja nicht *gg*. Missen will ich diese Welt auf jeden Fall nicht, so lange sie nicht die überhand nimmt, aber da passe ich schon auf. Nur... man hat ja schon irgendwo das Gefühl, nicht ganz richtig im Kopf zu sein ^^
Lyra
 


Zurück zu Allgemein

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 0 Gäste