Auf der Suche nach mir selbst

Hier könnt Ihr allgemein über psychische Störungen und Krankheiten sprechen bzw. wenn Ihr Euch nicht auf eine spezielle Thematik festlegen wollt.

Falls Ihr nicht genau wisst, um was für eine Störung es geht oder in welchem Unterforum es passen würde, könnt Ihr ebenfalls auch erst einmal hier schreiben.

Auf der Suche nach mir selbst

Beitragvon Lotta » Do. 07.01.2016, 16:18

Ich. Wer ist das? Wer bin ich eigentlich? Nach außen eine ganz normale junge Frau, die ihr Leben im Griff hat. Viele Freunde, regelmäßige Wochenenden mit der Familie, einen tollen Job, Wohnung, Hunde, alles super. Alles super? Alles....was?

Ich habe gelernt, eine Fassade zu schaffen.Scheinbar ziemlich erfolgreich. Doch langsam fängt sie an zu bröckeln.Und ich habe mich über die vielen Jahre so sehr verstellt,dass ich mich nun selbst nicht wieder finde. Was ist passiert? Woher kommt diese tiefe Traurigkeit? Wer bin ich? Was ist nur passiert?

Wir spulen zurück. Dezember 2015. Ich habe Streit mit dem Mann, den ich liebe. Ich breche völlig zusammen. Habe wieder einmal Suizidgedanken. Doch dieses Mal gehen sie über die lange bekannte Lebensmüdigkeit hinaus. Es sind nicht mehr nur "Ich kann nicht mehr"s oder "Mich würde eh keiner vermissen". Dieses Mal sind die Pläne konket. Wann,wo, wie. Ich habe Angst vor mir selbst. Ich will diese Gedanken nicht haben. Ich reiße meine Mauer ein. Nach 16 depressiven Jahren rede ich zum ersten Mal offen darüber. Ich bekomme einen Tag später einen Termin bei einer Psychotherapeutin.
Ich bekomme Fragebögen mit nach Haus. Fragen über meine Kindheit. Und ich habe 14 Tage Zeit, sie zu beantworten. Jeden Tag sitze ich vor diesen Blättern. Doch so sehr ich mich auch bemühe, da ist nur ein großes schwarzes Loch. Ein Nichts. Ich habe einfach keine Erinnerungen mehr.
Ich nehme all meinen Mut zusammen und frage zum ersten Mal meine große Schwester, was in unserer Kindheit geschehen ist. Warum bin ich so? Was ist nur passiert? (Man redet bei uns nicht über Gefühle)
Viel sagen kann sie mir dazu leider auch nicht mehr. Auch bei ihr sind die meisten Erinnerungen verblasst.
Jedoch gesteht sie mir eins. Es gibt darüber bis heute ein Redeverbot. Mir war bekannt, dass ich als Kleinkind nach einer Impfung einen Krampfanfall erlitt. Meine Mutter erzählte mir das erstmal im Rahmen der Jugendgesundheitsuntersuchung, für die ich einen Anamnesebogen ausfüllen musste. Und dies wahrscheinlich auch nur, weil ich geimpft werden sollte und sie Angst vor einem neuen Anfall hatte. So weit so gut. Ihre Version: Ich hatte diesen Krampf nach der Impfung, kam mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus und blieb dortüber Nacht, bis das Fieber sank und ich wieder mit nach Hause durfte. Danach sei nie wieder was gewesen.
Und nun das Geständnis meiner Schwester: "Du warst immer sehr klein und extrem dünn als Kind, so dass sich eh schon immer alle Sorgen um dich machten. Du wurdest zum Arzt gebracht um deine Imfung zu erhalten. Wenige Stunden später hattest du den ersten Anfall zu Hause. Insgesamt waren es zu Haus 3. Dann gingen unsere Eltern mit dir zum Arzt,der nichts fest stellen konnte. Als sie wieder gehen sollten, hattest du in der Tür den nächsten Anfall und der Rettungswagen kam. Du landetest für mehrere Tage im Krankenhaus. Ich durfte es dir bis heute nicht sagen. Niemand darf das.Wir dürfen nicht drüber reden und ich weiß nicht warum. Aber so 6 Monate oder 1 Jahr später musstest du wieder ins Krankenhaus. Zur Kontrolle. Da warst du mehrere Wochen oder Monate weg. Gefunden wurde nichts. Ich durfte dich nicht besuchen. Nur Mama durfte das. Das war wohl früher so."
BÄM... was für ein Schlag ins Gesicht. Da war ich also lange Zeit von zu Haus weg und ich weiß nicht wo ich war. Wenn es nur eine Kontrolle war, weshalb dann so lange? Warum darf dann nicht darüber geredet werden? Und warum belügt mich meine Mutter zu diesem Anfall?

Ich versuche weiter mich zu erinnern. Wenn ich mich als Kind sehe,dann immer in Verbindung mit meiner Schwester, die immer auf mich aufpasste. Oder mit Tieren. Die liebte ich schon immer. Ich habe immer die Würmer vom Weg gesucht,wenn er trocken wurde. Oder die Bienen aus der Wassertonne gerettet. Niemandem soll etwas passieren.Jedes Leben ist gleich viel wert. Tiere sind meine Freunde.

Meine aller erste Erinnerung ist jedoch die,dass ich plötzlich keine mehr hatte. Ich muss so 4 Jahre alt gewesen sein. Ich ging mit meiner Oma zu ihr.Ich betrat das Wohnzimmer. Da saß ein Mann auf dem Sessel vor dem Ofen. Ich schrie wie verrückt. Ich heulte und hatte Panik! Ein fremder Mann in Omas Wohnung! Sie versuchen mich zu beruhigen. Er ist kein Fremder. Er ist mein Onkel. Er wohnt dort. Ich muss ihn doch kennen. Ich seh ihn doch jede Woche. Er schenkt mir doch immer Süßes und kauft uns kleine Bauernhoftiere. Ich bleibe der Überzeugung: Ich kenne diesen Fremden nicht!



Puh, ganz schön antrengend hier mal alles nieder zu schreiben.Ich brauch eine Pause.
Lotta
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Re: Auf der Suche nach mir selbst

Beitragvon Sensibelchen » Do. 07.01.2016, 16:43

Hallo Lotta,
ich habe zu Anfang der Therapie auch einen Fragebogen zum Ausfüllen bekommen.
Auch ich konnte (und könnte auch jetzt noch) einige Themen nicht beantworten. Es ist auch so, dass ich nach Jahren der Therapie manches anders beantworten würde.
In die Antworten spielen nicht nur fehlende Erinnerungen (die auch Schutzfunktionen haben) als auch die Meinungen anderer, die man so selbstverständlich übernommen hat, rein.
Wenn du etwas nicht beantworten kannst, lass es frei. Du kannst es dann erklären, warum..
Das nur als kurze Resonanz.
Sensibelchen
 

Re: Auf der Suche nach mir selbst

Beitragvon Nebulös » Do. 07.01.2016, 18:43

Du schreibst über 2 ungewöhnlich Ereignisse in deinem Leben, die jetzt nicht so extrem dramartisch wirken, wie kommst du darauf, dass diese 2 Dinge so wichtig sind? Ich will damit nicht sagen, dass sie nicht wichtig sein könnten, aber warum gerade diese 2 Sachen? Du hattest als Kind mal eine kurze Zeit gesundheitliche Probleme und als sehr junges Mädchen hast du mal einen Mann nicht wiedererkannt, denkst du, das könnte was mit deinem Problemem heute zu tun haben?

Und warum fragts du deine Eltern nicht mal, warum das mit den Anfällen damals ein so großese Geheimnis ist? Ist ja schon komisch, dass man da nicht drüber reden darf...würde ich mal sofort ganz klar ansprechen und deine Mutter danach fragen.
Nebulös
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Re: Auf der Suche nach mir selbst

Beitragvon Tina » Do. 07.01.2016, 18:54

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@Nebulös.... ich vermute mal, die Geschichte ist noch nicht zu Ende.

Hallo Lotta

aber... ohne jetzt auf das Ende vorgreifen zu wollen....

Naja... ob so eine Depression durch diese Krankheit in Deiner Kindheit ausgelöst worden sein kann, weiss ich nicht.
Depressionen können viele Ursachen haben....
Manchmal kommen Depressionen auch ( scheinbar ) ohne Grund.... quasie wie aus heiterem Himmel.
Oder... ausgelöst durch gewisse Lebensumstände, die typisch sind für unsere heutige Gesellschaft.

Also... ICH würde mich da jetzt nicht so sehr dran fest beissen an dieser Kranken-Geschichte.
Kann sein... muss aber nicht.

Und... es gibt einen bekannten Effekt.... wenn man sich mit sich selbst und den eigenen Problemen beschäftigt, und man findet eine ( scheinbare ) Ursache...
dann geht es einem automatisch besser..... für eine gewisse Zeit.

Ansonsten.... lass Dir Zeit.... und schreib in dem Tempo weiter, wie es für Dich gut ist.
Tina
 


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