Co-Abhängigkeit... Nur bei Alkoholismus ?!

Hier geht's um jede Form von zwischenmenschlichen Beziehungen, also um Liebe(skummer) und Partnerschaft (auch Sexualität), um Freunde, Bekannte, Angehörige und andere soziale Kontakte in Eurem Umfeld.

Co-Abhängigkeit... Nur bei Alkoholismus ?!

Beitragvon Neseret » Fr. 23.09.2005, 09:35

Hallo zusammen,

ich bin durch meinen Freund (der selbst schon seit einigen Jahren mit Depressionen zu tun hat) über den Begriff der Co – Abhängigkeit gefallen.
Er wird allerdings mehr im Terminus zu Familienangehörigen eines Alkoholikers benutzt.
Wenn ich mir allerdings die „Symptome“ ansehe, erkenne ich mich deutlich wieder.

Ich habe nun in einem Buch über Co – Abhängigkeit gelesen, dass Co – Abhängigkeit auch auf emotionaler und somit auch psychischer Ebene stattfinden kann, wenn Regeln z.B. in einer Familie verbieten, das man Gefühle zeigen darf usw.

Davon kann ich einiges an „Lieder singen“...
Ich denke halt, das meine Abhängigkeit von der Anerkennung anderer (und somit auch meine Depressionen) damit zusammen hängt.
Ebenso wie die „Selbstständigen Gedanken“, die mir ständig sagen, dass ich nur das Recht habe auf der Erde zu existieren, geliebt und angenommen zu werden, wenn ich das tue, was andere von mir verlangen.
Wenn ich, wie meinen Mama immer zu mir sagte, ein „liebes, braves Kind bin, das keinen Ärger und keine Scherereien macht. Das niemanden betrübt“ usw.usf.

Nun frage ich mich, was ich aber machen kann, um das zu verändern...
Ich bin momentan dabei, mein Selbstvertrauen „aufzubügeln“ in dem ich mir bewusst mache, was für Stärken ich habe (mit einer „Komplimente-Box“, die mir in meinen letzten Tagen meiner Therapie meine Therapeutin empfohlen hatte, in der sich beschriebene und unbeschriebene Zettelchen befinden und von denen ich jeden Tag 5 Stück ziehe. Ist ein leeres Zettelchen dabei, überlege ich mir im Laufe des Tages, was für ein (oder mehrere, je nach leeren Zetteln) Kompliment ich mir heute mache)...

Trotzdem habe ich das Gefühl, nicht weiter zu kommen...
Oder verlange ich mal wieder zuviel von mir?
Es gibt einige Menschen in meiner Umgebung, die zu mir sagten, dass alles nur eine Sache des Willens sei...
Wenn ich es nicht schaffen würde, mein Verhalten von heute auf morgen zu ändern, dann wolle ich ja anscheinend nicht...

Vielleicht liegt es ja auch daran...
Vielleicht stimmt das ja auch, was sie sagen...
Ich meine, in all den Jahren, in denen ich zu Hause lebte, habe ich nur das getan, was andere von mir erwarten.
Ich habe nie danach gelebt, was ich wollte.
Ich war ja auch nicht wichtig.
Im Gegenteil: Wenn ich etwas wollte, dann gab es richtig Stress... „Ein Kind das was will, bekommt was auf die Brill´!“...

Wie sollte ich da einen gesunden, eigenen Willen aufbaun?!

Aber andererseits...
Vielleicht ist doch Alkoholismus eines der Probleme...
Ich hab vor einem Monat das erste Mal erfahren, dass mein Opa Jahre lang getrunken hatte..., irgendwann aber, da war meine Mama selbst auch noch eine Jugendliche, trocken wurde...

Die Mama von meinem Papa war ebenfalls Alkoholikerin, bis sie trocken wurde (aber sie lebt bei seinem Bruder in Süddeutschland, meine Eltern in Hamburg)...

Mamas Schwägerin ist ebenfalls Alkoholabhängig... Schon seit Jahren...
Mein Onkel und meine Oma (mit 83 Jahren!) schmeißen den Haushalt...Meine Omi fährt fast jeden Tag zu ihm raus (etwa 20km mit dem Bus) und immer, wenn ich bei meinen Eltern zu Besuch bin, höre ich mir das Gejammer an, wie schlecht es meinem Onkel doch geht (er hat auch noch Herz-Probleme)...
Und das er mal wieder nicht zum Arzt konnte, weil es ihm so schlecht ging...
Hinweise auf Notarzt oder dem Vorschlag, den Arzt um einen Hausbesuch zu bitten, werden ignoriert, weil es bei meinem Onkel zu Hause... sagen wir, nicht grad ordentlich aussieht, weil „er kann und darf ja auch nichts machen“...

Aber ich kann doch nicht einfach sagen:“Leute, es interessiert mich nicht! Ich habe meine eigenen Probleme!“
Die ewige Arie, dass ich mich nicht so aufspielen soll und nicht so egoistisch sein soll, läuft immer noch...!

Was kann ich also noch tun, um da raus zu kommen?
Ich lebe nun seit gut zweieinhalb Jahren nicht mehr zu Hause, was mir etwas mehr Distanz verschafft hat.
Ich habe mir dadurch auch räumliche Distanz genommen...
Da ich jetzt in Nürnberg lebe...

Gibt es vielleicht Selbsthilfe-Gruppen, die bei so einem Problem helfen können?
Ich weiss nicht, ob ich deswegen noch mal in Therapie gehen soll...
Meine Therapeutin meinte, ich würde (wegen meinen Depressionen) schon ganz gut allein in Zukunft weiterkommen...
Aber ich bin mir da absolut nicht sicher...
Wenn ich betrachte, was ich in den vergangenen Wochen bei mir an „Schatten“ noch alles entdeckt habe, an die ich nicht rangekommen bin, oder nicht rankommen wollte (?) während der Therapie...

Was sagt Ihr?

Liebe Grüße
Neseret
Neseret
 

Beitragvon AB » Fr. 23.09.2005, 15:29

Was du schreibst, kommt mir bekannt vor und gibt mir zu denken. Mein Vater war auch Alkoholiker. Aber Antworten kann ich dir keine geben. Ich habe eher aus deinem Beitrag was für mich nehmen können.
AB
 

Love it...

Beitragvon Gast » Di. 27.09.2005, 00:53

Change it,
or leave it.

Niemand hat Dich gezwungen Alkohol zu trinken. Du hast Dich, aus welchen Gründen auch immer-das kann mir hier hintenanstellen-dazu entschlossen es zu tun.
Wenn Du Deine Entscheidung getroffen hast es nicht mehr zu tun, - dann hast Du eine Chance. Vielleicht nur eine geringe?
Nutze diese Chance.
Gast
 

Re: Love it...

Beitragvon verrückte-nudel1981 » Di. 27.09.2005, 09:11

Gast hat geschrieben:Niemand hat Dich gezwungen Alkohol zu trinken...

Dieser Satz ist wohl etwas fehl am Platz, finde ich. Natürlich zwingt einen keiner, Alkohol zu trinken, aber niemand sucht es sich aus, süchtig zu werden. Es gibt Menschen, die rutschen da rein, weil sie mit ihren Problemen nicht anders umgehen können & merken anfangs warscheinlich noch nicht mal, dass sie süchtig sind!
verrückte-nudel1981
 

Beitragvon Neseret » Di. 27.09.2005, 21:11

Hmmm... mein Problem schein ich nicht gut rüber gebracht zu haben...
Es geht nicht darum, das ich von Alkohol oder anderen Drogen abhängig bin.
Das bin ich nicht. Ich trinke höchstens mal zu einer Feier ein Glas.
Und von meiner Oma väterlicherseits (trocken), meinem Opa mütterlicherseits (seit etlichen Jahren trocken und leider verstorben) und meiner Tante (die leider trinkt), ist niemand in meiner Familie alk-süchtig.


Ich las, bzw. lese grad in einem psychologischen Buch, das Co-Abhängigkeit ein eigenes Krankheitsbild sein soll, mit eigenen Symptomen und ebenso vielfältig, wie bei Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen.
Darin wird auch davon ausgegangen, dass Co-Abhängigkeit nicht nur bei Familienangehörigen von Suchtkranken auftritt, sondern auch in Familien, mit sehr starken ethischen und moralischen Regel und Verpflichtungen.
Süchte können ja die unterschiedlichsten Ausformungen annehmen...

So bin ich, wenn ich es mal versuche auszudrücken, "süchtig" danach, es anderen recht zu machen, nur damit ich das Gefühl habe, geachtet und geliebt zu werden... Durch die Regeln, die ich von zu Hause noch intus habe:"Nur wenn Du lieb, brav, artig und nett bist und alles tust, was andere von Dir erwarten, bist Du ein guter Mensch und liebenswert."

Mich würden halt mehr Infos zu diesem Thema interessieren... und ob jemand weiss, ob sich Therapeuten auf soetwas spezialisieren können?

Ich bin halt auch am überlegen, ob ich wieder eine Therapie machen soll...
Die ich begonnen habe, ist halt zuende gewesen, als ich nach Nürnberg umgezogen bin. Da hatte ich 30 Stunden Therapie gemacht.

Wie gesagt, meine Therapeutin sagte mir, dass ich wohl inzwischen auch ohne Therapie auskommen würde...
Aber ich bin mir dessen überhaipt nicht sicher...
Es ist immer ein schwanken...

Und ich falle immerwieder in meine Depressionen und alten Verhaltensmuster rein... Meist, ohne es rechtzeitig zu merken...

Aber genug gejammert...

LG
Neseret
Neseret
 

Re: Love it...

Beitragvon Neseret » Di. 27.09.2005, 21:13

Gast hat geschrieben:Change it,
or leave it.

Niemand hat Dich gezwungen Alkohol zu trinken. Du hast Dich, aus welchen Gründen auch immer-das kann mir hier hintenanstellen-dazu entschlossen es zu tun.
Wenn Du Deine Entscheidung getroffen hast es nicht mehr zu tun, - dann hast Du eine Chance. Vielleicht nur eine geringe?
Nutze diese Chance.


Lieber Gast,
mal ganz ehrlich. Es fehlt nur noch der Spruch: alles eine Sache des Willens.
Wenn Du keine Probleme hast, solltest Du Dich glücklich schätzen und nicht mit solchen Phrasen und Spürchen spammen.
Danke!

LG
Neseret
Neseret
 

Beitragvon Mantus » Di. 27.09.2005, 21:41

sehe ich auch so. Meiner Meinung nach, ist ein Mensch der in Drogen oder Alkohol ein Besserung findet auf der Suche nach Hilfe. Leider macht diese Hilfe abhängig und mindert die Wirkung. Schpeche aus Erfahrung, aber Menschen die von Natur aus die Abgründe der Depression nicht kennen, sind nicht in stande zu urteilen. Würde ich nicht Hilfe in Psychoparmaka finden, wäre ich noch süchtig.

~ Beitrag wurde via WAP erstellt ~
Mantus
 

Beitragvon Gast » Di. 27.09.2005, 22:37

Dieser Satz ist wohl etwas fehl am Platz, finde ich. Natürlich zwingt einen keiner, Alkohol zu trinken, aber niemand sucht es sich aus, süchtig zu werden. Es gibt Menschen, die rutschen da rein, weil sie mit ihren Problemen nicht anders umgehen können & merken anfangs warscheinlich noch nicht mal, dass sie süchtig sind!
_________________


Das sehe ich anders. Dennoch ist Alkoholismus ist sicherlich eine Fehlentwicklung im Hinblick eines problemllösenden Verhaltens.

Lieber Gast,
mal ganz ehrlich. Es fehlt nur noch der Spruch: alles eine Sache des Willens.
Wenn Du keine Probleme hast, solltest Du Dich glücklich schätzen und nicht mit solchen Phrasen und Spürchen spammen.
Danke!


Falsch. Der Spruch stammt von Dir. - Nicht von mir.

Aber so ganz ohne Willen geht es nicht. Erst wenn der Alki gecheckt hat das er den Willen hat drogenfrei leben zu wollen, hat er eine Chance. Alles andere, besser vieles andere, ist verlorene Liebesmüh. Es ist eine Illusion fremdbestimmt vom Alkohol loszukommen. Genauso sinnlos ist es etwa mit Antabus (oder ähnlichen medikamentösen Mitteln) ein entglittenes Gleichgewicht wieder herzustellen. Das ist nicht viel mehr als eine therapeutische Bankrotterklärung.


sehe ich auch so. Meiner Meinung nach, ist ein Mensch der in Drogen oder Alkohol ein Besserung findet auf der Suche nach Hilfe. Leider macht diese Hilfe abhängig und mindert die Wirkung. Schpeche aus Erfahrung, aber Menschen die von Natur aus die Abgründe der Depression nicht kennen, sind nicht in stande zu urteilen. Würde ich nicht Hilfe in Psychoparmaka finden, wäre ich noch süchtig.

Ich kenne weiß Gott die Abgründe von Depressionen. Und, ich urteile nicht. Das entspringt lediglich deiner Wahrnehmung meiner Worte. Darüber hinaus spreche ich Dir ab, mich so gut zu kennen das Du Dir eine solche pauschale Zuschreibung, respektive Umdeutung meiner Worte herausnimmst.
Sich der Hilfe von Psychopharmaka anheimzustellen ist auch nicht viel mehr als eine Krücke, vielleicht sogar eine Suchtverlagerung.
Fragt sich eben nur welche Nebenwirkungen eher toleriert werden können. Und der Suchtfaktor von Psychopharmaka ist wohl auch eindeutig in der einschlägigen Literatur hinreichend beschrieben.
Gast
 

Beitragvon Neseret » Mi. 28.09.2005, 07:16

Noch einmal, es geht hier nicht um Alkohlismus!!!
Sondern um die Erkrankung Co-Abhängigkeit.

Und, lieber Gast, ich habe mit keinem Wort gesagt, das ich Alkohol abhängig bin.
Du solltest bitte mal die Texte vernünftig lesen.

Ich bin weder abhängig vom Alkohl noch von anderen Drogen, da ich weder das eine noch das andere nehme.

Was Du in meine Worte hineininterpretierst, dafür kann ich nicht viel.
Sorry.
Also, wenn Du nichts weiter dazu zu sagen hast, dann... bitte.

Ich will hier keine Diskussion zum Thema Alkoholismus sondern zur Co-Abhängigkeit.

Ist das jetzt deutlich geworden?!


LG
Neseret


P.S:
Entschuldigt, wenn der Ton etwas rauher geworden ist.
Neseret
 

Beitragvon Gast » Mi. 28.09.2005, 09:45

Hallo Neseret!

Ich glaube, das ich Dich nun verstanden habe!
Anbei einige Erläuterungen zur Co-Abhängigkeit, die, so will ich hoffen, etwas weiterhelfen können eine vielleicht auch kontroverse Diskussion in Gang zu halten.

Hier beispielhaft an einem betrieblichen Kontext dokumentiert. Ich möchte vermeiden Dir erneut zu nahe zu treten.Was Du davon an Informationen für Dich verwerten kannst, solltest Du alleine entscheiden. Vielleicht findest Du den Dir eigenen Transfer und erkennst Mechanismen in einer Dir bekannten Angelegenheit die ähnlich funktionieren.


Da eine Alkoholabhängigkeit in einem über Jahre laufenden Prozess entsteht, entwickelt sich häufig bis zur massiven Auffälligkeit eine - für beide Seiten - problematische Verknüpfung zwischen dem Betroffenen und den Kollegen, aber auch dem Vorgesetzten. Sie ist gekennzeichnet durch ein entschuldigendes, entlastendes und vertuschendes Verhalten der Kollegen und Vorgesetzten. Diese "Verbundenheit" wird in der Fachsprache "Co-Abhängigkeit" genannt. Dadurch ist man als Vorgesetzter aber auch als Mitarbeiter auf eine unheilvolle und destruktive Weise mit dem Betroffenen verknüpft.

Co-abhängig ist die Person, die den Abhängigen durch ihr Verhalten davor schützt, die volle Wirkung seines Alkoholkonsums und die damit verbundenen Konsequenzen im vollen Umfang zu erfahren.
Als Co-Abhängige sind alle Personen zu rechnen (Partner, Kollegen, Personalchef, Hausarzt etc.), die dem Betroffenen einen großen Teil seiner Eigenverantwortlichkeit abnehmen und durch ihr Verhalten zur Selbsttäuschung des Alkoholikers beitragen, so dass sein Trinkverhalten für ihn kein Problem mehr darstellt, sondern zum Problem des Helfenden wird. Dieser rutscht in eine Co-Abhängigkeit. Dieses Verhalten ist deshalb suchtfördernd, weil der Betroffene sich nicht ernst genommen fühlt, sich in ein trotziges "Kinder - Ich - Verhalten" steigert und anderen die Schuld für sein Verhalten zuschreibt. Dies bietet ihm wieder Rechtfertigung und Entschuldigung, weiterhin zu trinken.

Aus dem Bereich der Familientherapie kommt die Aufteilung des Co-Alkoholismus in drei Phasen, die sich auch als Beschreibung für das Verhalten in einem Betrieb anwenden lässt:

Ein Beispiel (vielleicht nicht maßgeschneidert auf eine Dir bekannte Situation, dafür aber auch, so hoffe ich, nicht weniger interessant.

1. Die Beschützer- oder Erklärungsphase

2. Die Kontrollphase

3. Die Anklagephase

Die Beschützer- oder Erklärungsphase

In dieser Phase neigen Vorgesetzte sowie Mitarbeiter dazu, das auffällige Verhalten eines Alkoholkranken zu entschuldigen und Erklärungen dafür zu suchen. In dieser Phase sind die Co-Abhängigen bereit, den Betroffenen vor unangenehmen Folgen seiner Abhängigkeit zu schützen und ihn abzudecken. Oft passiert es, dass der Vorgesetzte hier nicht mehr objektiv die Arbeitsleistung des Betroffenen wahrnimmt und unmerklich im Verlauf der Jahre geringere Arbeitsanforderungen an diesen stellt. Dies um so mehr, da es dem Alkoholiker immer wieder gelingt, "missliche Umstände" für sein Verhalten verantwortlich zu machen.
Eine notwendige Konfrontation wird dadurch vermieden und einem Harmoniebedürfnis geopfert. Das Ergebnis ist die Aufrechterhaltung des Status quo, ein Einschreiten, das den Betroffenen zwingt, sein Verhalten zu verändern, findet nicht statt. Häufig spielen auch externe Bezugspersonen, wie Ehepartner, Hausärzte, Pfarrer, Sozialarbeiter nach Feierabend ebenfalls die Beschützerrolle und tragen somit dazu bei, den Ist-Zustand aufrechtzuerhalten.

Nach einer Weile - wenn das Verhalten des Abhängigen nicht mehr zu übersehen und zu ertragen ist -kommt es in der Regel zu einem Gespräch mit dem Vorgesetzten, bei dem der Betroffene schnell Besserung verspricht. Diese Besserungsversprechen geben dem Vorgesetzten zunächst Hoffnung, die sich allerdings bald wieder in ernste Zweifel verwandeln, da er in der Regel einen Alkoholrückfall feststellen muss. Häufig fühlt sich der Vorgesetzte jetzt für den Alkoholiker verantwortlich, hat er sich doch bis her auf die ganze Situation eingelassen. Er glaubt vielleicht mit der Zeit -halb resignierend - dass tatsächlich alles halb so schlimm ist.

Nach wiederholten Rückfällen und unangenehmen Zwischenfällen kreiden sich viele Vorgesetzte die negative Entwicklung als persönliche Führungsschwäche an. Sie haben das Gefühl, versagt zu haben und greifen nunmehr zu vermeintlich objektivierbareren, d.h. kontrollierbaren Maßnahmen. Dies führt uns zur nächsten Phase:

Kontrollphase

Hier versucht der Vorgesetzte mittels Auflagen und Kontrollen, das Verhalten des Betroffenen zu beeinflussen und zu reglementieren, um sein angekratztes Selbstwertgefühl aufzupolieren. Er achtet vermehrt auf einen pünktlichen Arbeitsbeginn und natürlich darauf, dass kein Tropfen Alkohol weder in den Pausen noch zum Mittagessen vom Betroffenen konsumiert wird. Ehemals feucht-fröhliche Betriebsfeiern gehören auf einmal der Vergangenheit an, genauso wie die Weinprobe beim Betriebsausflug.

Der Vorgesetzte sowie seine Mitarbeiter verbringen einen großen Zeit- und Energieanteil darauf, den Abhängigen "trocken" zu halten, wobei der Vorgesetzte hierbei oft eine große eigene Mitverantwortung dafür übernimmt. Der Betroffene jedoch reagiert meist auf den erhöhten Druck seiner Umwelt mit einem vermehrten Alkoholkonsum, was wiederum mehr Kontrolle nach sich zieht....

Auch hier werden Rückfälle oft als persönliche Niederlage des Vorgesetzten empfunden. Deshalb ist das vermehrte Engagement von diesem auch sehr verständlich,
Doch irgendwann kommt das Fass zum überlaufen. Das oft jahrelange Auf und Ab von Hoffnungen, Enttäuschungen, Frustrationen und Selbstzweifel entlädt sich urplötzlich und mündet in die Anklagephase.

Anklagephase

Jetzt dreht der Vorgesetzte den Spieß um und lässt seinen jahrelang aufgestauten Ärger heraus, die Konsequenz ist oft eine angedrohte oder vollzogene Kündigung. Oft wird nun der Betroffene sogar für das schlechte Arbeitsklima des gesamten Betriebes verantwortlich gemacht und somit zum Sündenbock aller im Unternehmen aufgetauchten Schwierigkeiten.

Um den Verlust seines Arbeitsplatzes bangend, verspricht der Alkoholiker wiederum Besserung und bleibt vielleicht auch für einige Zeit abstinent. Für wie lange? Vielleicht für zwei Monate, ein halbes Jahr oder noch länger. Aber oft - weil wirkliche professionelle Hilfe nicht in Anspruch genommen wurde -fängt er wieder an zu trinken, am Anfang kaum merklich, vielleicht ein geduldetes erstes Gläschen beim Betriebsfest.
Dies wird toleriert, da jeder gerne glauben will, dass der Betroffene seinen Konsum unter Kontrolle hat. So fängt die erste Phase des Co-AIkoholismus wieder an, der Teufelskreis der Sucht kann wieder beginnen. Denn gleich wie sich der Co-Abhängige auch verhält - ob er schützt, erklärt, kontrolliert oder anklagt - er liefert dem Alkoholiker die besten Gründe dafür, nicht mit dem Trinken aufzuhören.

Eine Möglichkeit, einen Weg aus diesem Teufelskreis der gegenseitigen Abhängigkeiten zu finden, ist die Entwicklung eines betrieblichen Hilfeprogrammes. Dieses bietet den Arbeitskollegen und dem Vorgesetzten eine wichtige Unterstützung und Hilfe in Form von klar formulierten Handlungsanleitungen. Betriebliche Hilfeprogramme stehen und fallen mit der konsequenten Wahrnehmung der Führungsqualitäten und Fürsorgepflicht des Managements und der Akzeptanz im Betriebsrat und in der Belegschaft.

Liebe Grüße vom Gast (der eine Zeit lang nicht richtig mitgelesen hat)
Gast
 

Und noch ein Tipp...

Beitragvon Gast » Mi. 28.09.2005, 12:11

...für Dich Neseret vom Gast.:

In jeder Stadt gibt es die Anonymen Alkoholiker (ich weiß, Du hast kein Alkoholproblem, bist aber in die Co-Abhängigkeit geraten) oder eine andere Form der Selbsthilfegruppe. Schau mal beim Gesundheitsamt oder bei der AWO vorbei. Dort kann man Dir bestimmt Kontakte zu anderen Mitleidenden Co-Abhängigen vermitteln, oder Adressen an die Hand geben von Institutionen die sich mit dieser Problematik gut auskennen und Dir helfen können problemlösende Strategien zu entwickeln.

Du könntest auch eine Psychotherapeutische Praxis aufsuchen (Erstkontakt über Deinen Hausarzt der Dir eine Überweisung ausstellt), Dein Problem vortragen, und Dir somit qualifizierte Hilfe und Anleitung zu besorgen.

Eine Anmerkung am Rande: Dieses Forum, diese virtuelle Medium ist in einer eher selten Zahl von Problematiken hilfreich (Meine Meinung. Aber das möge jeder selbst beurteilen nach seinem Gusto. Wenngleich Du hier sicherlich auf viel Empathie und Verständnis triffst.) Aber das wahre Leben spielt sich woanders ab.

Gruß vom Gast
Gast
 


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