Bedingungslose Liebe zu seinen Eltern, egal, was passiert

Hier geht's um jede Form von zwischenmenschlichen Beziehungen, also um Liebe(skummer) und Partnerschaft (auch Sexualität), um Freunde, Bekannte, Angehörige und andere soziale Kontakte in Eurem Umfeld.

Bedingungslose Liebe zu seinen Eltern, egal, was passiert

Beitragvon MessiasDerStille » Di. 14.02.2017, 20:00

Ich denke mal, einige von euch werden hier angemeldet sein, weil sie Probleme mit ihren Eltern haben oder durch ihre Kindheit stark geprägt sind. Deshalb interessiert mich mal, wie ihr das seht. Man hört doch ständig von irgendwelchen Menschen solche Sprüche wie "Eltern lieben ihre Kinder und haben nur gute Absichten" oder "Egal, was Eltern einem antun, man liebt sie trotzdem, weil es eben die Eltern sind".

Von meiner Ausbildung her weiß ich, dass der überwiegende Teil der "Kinder" eine sehr unsichere Bindung zu seinen Eltern hat. Diese unsichere Bindung ensteht dadurch, dass Kinder nicht in ihren Bedürfnissen wahrgenommen, vernachlässigt... oder teilweise sogar misshandelt werden. Und so jemand soll am Ende sagen "Scheiß drauf, ich liebe meine Eltern trotzdem"?

Wahrscheinlich denken viele Leute über diejenigen, die sagen, dass sie ihre Eltern nicht lieben, dass sie ihnen egal sind oder sie sie sogar hassen, dass sie das nur tun, weil sie zu stolz sind, um zu ihren Gefühlen zu stehen und sich damit selbst belügen. Dasselbe habe ich letztens in einem Buch über auffälliges Verhalten zum Thema "Schüchternheit" gelesen. Da hieß es auch, dass schüchterne Leute, wenn sie sagen, dass sie gar nicht zu den anderen gehören wollen, das nicht sagen, weil es wirklich so ist, sondern weil sie nicht zugeben können, dass sie die anderen eigentlich mögen. Da ist mir ja die Säure im Hals aufgestiegen.

Naja, was haltet ihr davon? Wenn jemand möchte, kann er auch gerne erzählen, wie er zu seiner Ansicht gekommen ist. Ich werd meine eigene Meinung später auch mitteilen, aber es soll hier nicht nur um mich gehen.
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Re: Bedingungslose Liebe zu seinen Eltern, egal, was passier

Beitragvon Another » Mi. 15.02.2017, 15:59

Ich habe sogut wie gar keine Bindung zu meinen Eltern. Lieben tue ich eine Eltern nicht. Wirklich überhaupt nicht. Ist fast wie mit fremden Leuten. Viele empfinden das als traurig, wenn sie sowas hören, da Familie eigentlich der wichtigste Rückhalt für die meisten ist, aber ich kenne es halt nicht anders. Eine "normale Familie" hatte ich nie und ehrlich gesagt ist es mir auch ziemlich egal. Ich vermisse es nicht und es hat den Vorteil das ich so gut wie immer in Ruhe gelassen werde.
Wenn es hart auf hart kommt, könnte ich mich wahrscheinlich auf meine Mutter verlassen, aber das hat nichts mit Liebe zutun. Eher mit Verantwortung.



MessiasDerStille hat geschrieben:
Wahrscheinlich denken viele Leute über diejenigen, die sagen, dass sie ihre Eltern nicht lieben, dass sie ihnen egal sind oder sie sie sogar hassen, dass sie das nur tun, weil sie zu stolz sind, um zu ihren Gefühlen zu stehen und sich damit selbst belügen. .


Sowas finde ich lächerlich. Wenn kann Gefühle vorhanden sind, kann man auch nicht zu ihnen stehen. Wenn man so künstlich Gefühle erzeugt die gar nicht da sind, (Weihnachten ist da immer ein gutes Beispiel) dann belügt man sich selbst. Man muss seine Familie nicht lieben. Die kann man sich nicht aussuchen.

Das mit den schüchternen Leuten ist sogar noch größerer Unsinn. O.O
Wo hast du sowas denn gelesen? Man will nicht zu anderen gehören, weil die Menschen einfach schrecklich sind. Als introvertiertet Mensch hat man es mit normalen Menschen oder in der Gesellschaft immer schwerer Kontakte zu knüpfen und oft macht es auch keinen Sinn, weil einem die Menschen dann nicht verstehen oder man sich nur unwohl in der Gegenwart von solchen Menschen ist. (Und sich dann trotzdem einsam fühlt...)

[Zu meinen Ansichten komme ich durch meine bisherige Erfahrung im Leben.]
Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen das du auf diesen Thread massig antworten bekommen wirst, darum würde ich gerne jetzt schon deine Meinung dazu erfahren. ^^
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Re: Bedingungslose Liebe zu seinen Eltern, egal, was passier

Beitragvon Ruby » Mi. 15.02.2017, 18:26

Ich habe total die gestörte Beziehung zu meinen Eltern. Mit meiner Mutter habe ich schon über zehn Jahre kein einziges Wort mehr gesprochen. Sie will keinen Kontakt. Ich auch nicht. Obwohl ich sie nicht abweisen würde, wenn sie auf mich zukommen würde. Ich bin so elend Harmonie versessen. Aber das wird nie geschehen. Meine Mutter ist Narzisstin. Die ist sich selbst die wichtigste Person. Zu meinem Vater habe ich seit letztem Jahr wieder Kontakt. Zuvor war ebenfalls jahrelang Funkstille. Mittlerweile ruft er mich einmal im Monat an. Es spricht mit mir, als ob ich nicht erwachsen wär. Wie mit einer unreifen Jugendliche. Das glaubt er auch. Er sagt das sogar. Blumig verpackt. Mein Gehirn hätte sich aufgrund von Drogen nicht richtig entwickelt. Damit erklärt er alles. Meine ganzen Macken und Besonderheiten. Mein Vater ist sehr, sehr dominant. Er ist es nicht gewohnt, wenn man ihm widerspricht. Ich bin froh, dass hunderte Kilometer zwischen uns liegen. Und auch froh, verheiratet zu sein. Denn zuvor hat er sich in all meine Angelegenheiten eingemischt. Mein Vater schickt mir jeden Monat Kohle. Ich habe ihn nie darum gebeten. Ich glaube, es gibt ihm ein gutes Gefühl. Für meine Eltern wäre es der größte Horror, wenn ich wieder in die Schweiz zurückkehren würde. Die Schweiz ist klein. Zu klein für unsere Familie. Ich wüsste auch gar nicht, was ich dort soll. Ich fühle mich dort fremd. Ihnen ist es recht, wenn ich im Ausland wohne. Egal wo, nur nicht in der Schweiz. Zu Beginn haben sie sich jeweils eine erfundene Legende für mich zurecht gezimmert, die sie jeweils den Leuten auftischten, die sich nach mir erkundigten. Irgendwann war ihnen das offenbar zu viel. Sie erzählten den Leuten dann einfach, ich wär verstorben. Das haben sie sicherlich um die zwei Jahre lang so erzählt, bis es per Zufall aufflog, weil ich einem dieser Menschen, die dachten, ich wäre tot, begegnete. Der hat mich angeguckt, als ob ich ein Geist bin. Und erzählte mir dann, dass mein Vater ihm erzählt hat, ich würde nicht mehr leben. Sie haben sich bei mir deswegen nicht entschuldigt. Es wird einfach nicht mehr darüber geredet. Nie mehr. Ein weiteres Artefakt für unsere riesige Familiengeheimnis-Sammlung.

Der Lieblingsspruch von meiner Mutter, den ich in meiner Kindheit oft hörte, war, dass ich nicht von ihr wär, sondern von Satan. Und der Lieblingsspruch meines Vaters war, dass ich am Fließband enden werde, wenn ich so weiter mach. Und immer wieder, reiß Dich zusammen, reiß Dich zusammen, reiß Dich zusammen.
Weiter oben habe ich ja erzählt, dass ich sehr Harmonie bedürftig, ja vielleicht sogar versessen bin. Ich würde meine Eltern nicht abweisen. Ich hätte gerne ein gutes, oder besser gesagt ein normales Verhältnis zu ihnen. Ich würde sie auch gerne lieben wollen, oder besser können. Kurzzeitig kann ich das vielleicht auch, trotz der vielen Scherben, die zerbrochen sind. Leider kann ich aber meine Erinnerungen nicht gänzlich abschalten. Auf viele Fragen bekomme ich leider keine Antwort. Eigentlich bekomme ich überhaupt nie eine Antwort. In einem meiner letzten Gespräche, die ich mit meiner Mutter hatte, meinte sie, dass sie in der heutigen Zeit mit mir zum Kinderpsychologen gegangen wäre, weil ich ein so problembeladenes, schwieriges Kind war. Das hätte es damals auf dem Lande aber nicht gegeben. Ich bin mir aber sicher, sie hätte es sowieso nicht gemacht. So etwas setzt sie mit Schande gleich.

Ohje, jetzt habe jetzt soviel von mir erzählt.
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Re: Bedingungslose Liebe zu seinen Eltern, egal, was passier

Beitragvon MessiasDerStille » Mi. 15.02.2017, 21:55

Danke für eure Antworten.

Ich befürchte leider auch, dass sich nicht zu viele Leute hier zu dem Thema äußern werden, da viele ein Problem mit ihrer Vergangenheit haben. Dass noch kein Widerspruch kam, liegt wahrscheinlich auch genau daran, dass von uns wohl niemand in einer perfekten Welt lebt.

Bei euren beiden Antworten musste ich einige Parallelen zu meiner Kindheit feststellen. Wenn ich mich so zurückerinnere, an Klassenfahrten, Vereinsausflüge oder auch als ich damals mit 5 allein ne Woche im Krankenhaus war, ich habe meine Eltern nie vermisst. Mir war es immer egal, wo ich war. Genauso, wenn ich in den Kindergarten gebracht wurde. Ich habe es hingenommen. Wenn ich abgeholt wurde, bin ich halt wieder mit gegangen.

Meine Eltern haben so einiges vermasselt in meiner Kindheit. Meiner Mutter ging es immer nur darum, mich in ihrem Interesse zu erziehen. Ich sollte Bücher angucken und mich für Märchen und schicke Kleider interessieren, wollte aber stattdessen lieber draußen rennen und habs immer geschafft, mich beim Spielen dreckig zu machen. Zu allem, was ich wollte oder mochte, hat meine Mutter gesagt "das sagt / macht man nicht, da gucken ja die Leut" - und darum ging es ihr, sie wollte nicht auffallen, sie wollte, dass ich "normal" bin. Meine Mutter hat nie mit uns gespielt, obwohl sie seit Ewigkeiten nicht mehr gearbeitet hat. Das Highlight war, wenn sie sich nur in meterweiter Entfernung vor die Haustür gesetzt hat, um uns zu beobachten. Ich merke das auch heute. Ich hab ganz viele Spielsachen, die ich entweder alleine spielen konnte (Puzzles, Baukästen, nen Gameboy) oder solche, die man zwar mit mehreren Leuten spielt, aber dafür kaum benutzt sind. Sie sagte immer, sie habe keine Zeit. Diese Woche war ich krank, das hat mich wieder daran erinnert, ich meinte, irgendwie, dass mir langweilig ist und ich mal wieder "Elfer raus" spielen wollte. Noch bevor ich sie überhaupt gefragt hatte, kam von ihr die Antwort, sie könne jetzt nicht, vielleicht würde mein Vater ja am Wochenende mit mir spielen. Dabei saß sie grade neben mir am Wohnzimmertisch und machte ein Kreuzworträtsel. Mein Vater dagegen hat, wenn auch nicht oft, mit uns gespielt. Er arbeitet halt und hatte von daher immer nur abends oder am Wochenende Zeit. Aber die nahm er sich auch. Von daher empfinde ich meinen Vater auch als weniger unsympathisch als meine Mutter. Andererseits hat er mich, oder uns, früher alle geschlagen. Also mich und meine Geschwister. Wenn er uns nicht mit der Hand erwischt hat, hat er eben was hinterher geschmissen... meistens seine Schuhe. Und meistens aus Gründen, die vollkommen lächerlich waren. Er benutzte Wörter, beleidigte uns. "Idiot", "Depp". Aber wenn man ein "A...loch" zurück gab, gabs was drauf. Ich hatte viele Diskussionen mit ihm darüber. Er streitet alles ab. Der Klaps wäre ja nicht so fest gewesen, es sei ja nur ganz selten vorgekommen und solche Wörter wären nur von uns gekommen, besonders von mir. Ich hätte sie aus dem Kindergarten oder der Schule mitgebracht... lustig, ich hatte nur nie Freunde, von denen ich mir sowas hätte abgucken können. Für meinen Vater galten einfach nicht die Regeln, die er für uns selbst aufgestellt hatte. Als gesagt wurde, ich darf beim Essen nicht fernsehen und ich mich wider willens dran gehalten habe, hat er sich kurz darauf, wenn ich den Fernseher ausschalten wollte, die Fernbedienung überreichen lassen. Wenn ich mit ihm darüber diskutiert habe, hieß es immer, du hast nix zu melden, ich mach, was ich will, das ist mein Haus, wenn dir hier nix passt, zieh halt aus.

Als ich 15 - 16 war, hab ich meinem Vater immer damit gedroht, das Jugendamt zu rufen, wenn er mich schlägt. Er hielt das für lächerlich, sagte er jedenfalls, aber ich wollte ne Weile lang ins Heim. Ich war auch ne Weile lang fest davon überzeugt, adoptiert zu sein, weil sich echte Eltern nie so verhalten würden. Aber das mit dem Schlagen hat sich irgendwann gewendet. Was mich noch viel mehr verärgert. Mein Vater war immer so aggressiv, mit seinem Übers-Knie-legen und Sachen-hinterher-schmeißen, seine rote Birne immer. Und die rausquellenden Augen. Plötzlich hat das aufgehört. Mein behinderter Bruder ist stark aggressiv, hat schon Messer geholt, Steine geworfen. Und mein Vater hält ihn fest und sagt, hör auf, ich will dir nicht weh tun. Sowas hab ich nie getan und mir hat er weh getan. Das hat ihn nicht interessiert.

Auch seelisch, bei uns gab es kein Danke oder Bitte, nicht mal ein "Entschuldigung". Meine Eltern haben die einfachsten Dinge nicht verstanden. Meine Mutter hat mich nie ins Bett gebracht. ICH habe meine Mutter ins Bett gebracht. Ich bin zu ihr, mit meinen unzähligen Kuscheltieren, um ihr gute Nacht zu sagen. Meine Mutter konnte mich nicht mal trösten oder in den Arm nehmen, wenn ich traurig war. Sie wollte nicht mal drüber reden. Allenfalls, sofern sie es überhaupt gemerkt hat, wenn ich etwa schon heulend vor ihr saß, hat sie mir grob über den Rücken gerieben und irgendwas gesagt wie "Ach komm, ach komm." Genauso wenig, wie sie es jemals gemerkt hat, wenn ich krank war. Oder wie es ihr egal war, wenn ich ihr Essen nicht vertragen habe und darum bat, bestimmte Dinge nicht so oft zu kochen. Das spielte keine Rolle für sie, weil sie selbst und die anderen es gerne essen wollten. Nur, was meine Mutter selbst oder mein Vater nicht vertragen, das wurde dann immer gestrichen. Oder das, was mein Vater einfach nicht essen wollte.
Meine Eltern können kein normales Wort miteinander reden. Oder nicht in normalem Ton. Sie schreien nur, machen sich gegenseitig Vorwürfe und keine ist dazu bereit, einen Schritt auf den anderen zu zu machen. Aber wenn es hart auf hart kam, wenn ich mich bei meiner Mutter über meinen Vater beschwert hatte, und sie mir zugestimmt hatte und es dann kurz darauf wieder zu einem Konflikt mit ihm kam, ist sie mir immer in den Rücken gefallen. Ich hatte einfach nichts zu melden. und war nicht gut genug. Und das spürte ich immer wieder.

Auch wenn es um meinen Abschluss ging. Oder um die Ausbildung. Oder alleine um sowas wie irgendwo anzurufen oder zum Bäcker zu gehen. Meine Eltern haben mir auch direkt gesagt, dass sie mir meinen Beruf nicht zutrauen. Ich könne ja nicht mal alleine jemanden ansprechen beim Einkaufen oder irgendwo anrufen. Wie soll dann jemand wie ich Erzieherin werden? Das stimmt. Aber es mich immer wieder hören zu lassen, ändert nichts daran. Aber das ist auch so eine Masche von meinen Eltern. Sich über Versprecher lustig machen. Mich aufziehen, wenn ich ein Wort falsch ausgesprochen oder angewendet habe. Mir jeden Moment sagen, dass ich nichts zu melden habe, dass ich für sie wertlos bin.

Als meine Schwester vor 3 Jahren ausgezogen ist, wollte sie möglichst weit weg. Sie wohnt jetzt in Berlin, was etwa 6 Stunden Fahrt sind. Sie sagte, Berlin wäre super, weil sie dann unsere Eltern hinter sich lassen kann. Jedoch ruft sie regelmäßig bei meiner Mutter an oder schreibt ihr... auch, weil sie dort keine Freunde hat, aber sie sagte damals, sie braucht unsere Eltern nicht. Aber ich denke auch nicht, dass es für sie so schlimm war, wie für mich. Sie ist die Erstgeborene, sie war immer älter, vernünftiger... und ich hab allen Ärger abbekommen. Sie wusste, wie man Leute gegeneinander ausspielt. Und mein armer kranker Bruder hatte sowieso Welpenschutz. Ich habe mich über die Jahre hinweg so von meinen Eltern distanziert, dass ich nicht mehr einfach freundlich mit ihnen reden kann. Ich nenne sie auch nicht "Mama" und "Papa". Das kann ich nicht. Vor vielen Jahren meinte mal ein Bekannter, ich solle einfach den ersten Schritt machen (so viel zum Thema "Eltern liebt man immer") und sie einfach mal umarmen. Ich konnte es nicht. Erstens, weil es von ihnen hätte kommen müssen, ihrem Kind Liebe zu zeigen. Und zweitens, weil ich mich so sehr von ihnen distanziert habe, dass ich jede Berührung als unangenehm empfinde. Wenn mich jemand von denen nur streift, merke ich, wie ich mich anspanne. Meine Eltern geben bis heute mir die Schuld daran, dass ich so geworden bin, wie ich bin. Dass ich es bisher zu nichts gebracht habe. Dass ich immer auffällig war. Dass meiner Lehrerin damals mein "komisches Verhalten" aufgefallen ist.

Ich hasse meine Eltern nicht. Ich wünsche ihnen nicht den Tod. Aber ich würde auch nicht sagen, dass ich sie vermissen oder nicht verlieren wollen würde. Und ich kann ziemlich sicher versprechen, dass ich sie nie besuchen würde (außer an Weihnachten vielleicht) und auch sicher nicht bei ihnen anrufen würde, wenn ich ausgezogen bin. Ich möchte mein Leben nicht mit ihnen teilen. Weder Gutes noch Schlechtes. Ich zeige meinen Eltern gegenüber auch keine Gefühle mehr. Ich bin inzwischen froh, dass sie sowieso nicht dazu in der Lage sind, zu erkennen, wenn es mir schlecht geht oder mich was bedrückt. Meistens gebe ich ihnen bloß Antworten, die keine Auskunft darüber geben, was ich empfinde. Und sie kennen mich zu schlecht, um das zu deuten.
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Re: Bedingungslose Liebe zu seinen Eltern, egal, was passier

Beitragvon Senta » So. 19.02.2017, 04:55

MessiasDerStille hat geschrieben:Wahrscheinlich denken viele Leute über diejenigen, die sagen, dass sie ihre Eltern nicht lieben, dass sie ihnen egal sind oder sie sie sogar hassen, dass sie das nur tun, weil sie zu stolz sind, um zu ihren Gefühlen zu stehen und sich damit selbst belügen. Dasselbe habe ich letztens in einem Buch über auffälliges Verhalten zum Thema "Schüchternheit" gelesen. Da hieß es auch, dass schüchterne Leute, wenn sie sagen, dass sie gar nicht zu den anderen gehören wollen, das nicht sagen, weil es wirklich so ist, sondern weil sie nicht zugeben können, dass sie die anderen eigentlich mögen. Da ist mir ja die Säure im Hals aufgestiegen.
:roll: geht mir mit diesen Aussagen ähnlich wie dir,
naja, Letzteres läßt sich wahrscheinlich einfacher therapieren, als eigentliche Ursachen und Folgen
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Re: Bedingungslose Liebe zu seinen Eltern, egal, was passier

Beitragvon MessiasDerStille » Mi. 21.06.2017, 21:38

Und wieder sowas.

Es lief eigentlich ganz gut die letzten Monate / das letzte Jahr über, seit ein Bruder ausgezogen ist. Ich habe echt gelernt, die Klappe zu halten, wenn mir was nicht gefällt, weil ich weiß, dass ich sowieso nur vorgeworfen bekomme, dass ich an allem meckern würde und das dann immer in Diskussionen ausarten, die niemals geklärt werden, ich dann heulend in meinem Zimmer sitze, würde und niemand kommen würde, um nach mir zu sehen, sich zu entschuldigen oder mit mir darüber zu reden. Ich sag gar nichts mehr, nicht, wenn der Fernseher ausnahmsweise samstags und dazu noch jeden anderen Abend beim Essen läuft, dazu, dass meine Mutter ständig Sachen kocht, die mein Vater will und ich hasse oder nicht vertrage sogar, aber wenn ich Wünsche äußere, kann alles nicht gemacht werden, weil mein armer Vater das nicht mag oder meine arme Mutter was nicht verträgt. Ich sag gar nichts mehr, schon seit Monaten. Auch nicht mehr dazu, dass wenn meine Schwester zu Besuch ist, sie jeden einzelnen Tag das Essen bestimmen darf, teilweise noch geplante Gerichte über den Haufen geworfen werden, weil es ihr nicht passt, und ich währenddessen über Monate hinweg immer wieder drum betteln muss, dass es eine Sache gibt, die ich mag. Weil es einfach sinnlos ist und wahrscheinlich mehr Stress macht, als es einfach hinzunehmen.
Dann kam es letztes Wochenende so, dass mein Bruder zu Besuch war und während dem Essen meinte, dass der Fernseher doch gar nicht beim Essen an sein darf und meinte, dass mich das doch auch störe. Ich sagte dann einfach, wie es ist, dass ich einfach gelernt habe, die Klappe zu halten, weil es sowieso sinnlos ist, was zu sagen, weil meine Meinung anscheinend sowieso vollkommen unbedeutend ist und eh nix zu melden habe. Als Erzieherin, naja, und als Mensch, der sich nur ansatzweise reflektiert, mache ich mir an dieser Stelle Gedanken darüber, wenn jemand so etwas zu mir sagt, wie derjenige denn darauf kommt, so zu empfinden. Meine Mutter sagte dazu einfach gar nichts und mein Vater bestätigte es mit einem "Wie gut, dass du das endlich erkannt hast".

Ein paar Tage später ging es dann tatsächlich ums Essen, meine Mutter sagte irgendwas davon, was sie machen will, das würde ich zwar nicht mögen, aber sie macht es halt trotzdem. Und ich meinte dann, überrascht darüber, dass sie das überhaupt mal sagt oder nur ansatzweise anscheinend mitbekommen hat in all den Jahren, dass es ja sowieso egal sei, weil sie eh macht, was sie will,,und selbst wenn ich jetzt sagen würde, dass ich das nicht möchte, es sowieso nichts ändern würde, da sie mir ja eh kürzlich ziemlich unmissverständlich gesagt haben, dass ich und meine Meinung wertlos sind. Außer einem "Ach, wieso solltest du wertlos sein? Versteh ich net, wie du da drauf kommst" kam dann auch nichts mehr von meiner Mutter. Aber was soll ich sagen, die Aussage von meinem Vater und dieses Versteh-ich-net von meiner Mutter bestätigten wiedereinmal nur das, was ich eh schon wusste.

Naja, und dann eben. Ich kam ins Wohnzimmer und hab kurz mit meiner Mutter geredet und wollte mich dazu setzen. Es war nur ein Sessel frei, der ziemlich eingeengt zwischen zwei Ventilatoren (wir hatten eigentlich einen im Wohnzimmer, der neben dem Sessel steht, und dann haben wir noch einen neuen, der direkt hinter dem Sessel steht, so, dass man sich nicht da rein setzen kann, ohne befürchten zu müssen, dass der Ventilator die Haare frisst) und einer schweren Kiste mit Büchern davor. Also wollte ich den Sessel vor dem Ventilator wegziehen (der neue hinter dem Sessel war an, der andere nicht) und habe ihn dabei gegen den alten Ventilator geschoben, der dann in Schräglage geraten, aber nicht mal umgefallen ist. Ich hab mich natürlich erschreckt, war ja nicht meine Absicht, und hab den Ventilator sofort festgehalten und wieder aufgestellt (meine Mutter war gerade dabei, eine Frage zu beantworten, die ich gestellt hatte), da brüllt mein Vater los "Kannst du net ma aufpassen? Du siehst doch, dass der da steht! Des kann mer ja wohl ma en bissche vorsichtiger mache!", woraufhin natürlich nichts mehr von meiner Mutter zu verstehen war, was sie selbst anscheinend aber wenig gestört hat. Sie hat dann einfach weiter Fernsehn geguckt und meine Frage unbeantwortet gelassen, während ich dann zu meinem Vater meinte, dass er mich gefälligst nicht so anschreien soll, weil ich sowas mit Sicherheit nicht mit Absicht mache. Aber das kann man nicht hinnehmen, nein, man muss zurückbrüllen "Du kannst ja wohl auch ma aufpasse, was du machst. Du siehst doch, dass des Zeug da steht!" Daraufhin meinte ich, dass es wohl auch nicht gerade einfach ist, wenn da noch die Bücherkiste steht und da einfach kaum Platz ist. Dann fing er wieder an von wegen rausreden und Schuld bei den anderen suchen... und ich hab dann einfach laut drüber gesagt, dass ich mich eigentlich gerade unterhalten habe und gerne noch ne Antwort wollte. Meine Mutter hat dann mal wieder erst dumme Gegenfragen gestellt (ich wollte wissen, von welcher Marke der Spinat ist, den wir zum Essen hatten, weil ich im Moment Kalorien berechne), warum ich das wissen will... hatte ich ihr eigentlich schon alles erzählt, aber gut, ich meinte dann, sie soll doch einfach die Frage beantworten, wo sich mein Vater dann wieder eingemischt hat, und meine Mutter ist dann in die Küche, um nachzugucken, wo sie eingekauft hatte. Das war natürlich die Chance für meinen Vater, weiter zu motzen, wenn ich mich so aufführen würde, dann wirds doch wirklich Zeit, dass ich... und ich beendete den Satz dann mit (hab ich auch nicht zum ersten Mal gesagt) "Ja, liebend gerne, aber glaubt mir, ich werd garantiert nie wieder zurück zu euch kommen." Darüber hat mein Vater sich dann auch wieder aufgeregt, was ich für ne Scheiße labern würde, was das soll usw. Meine Mutter kam dann wieder dazu und meinte, ja, sie versteht das jetzt auch net, warum ich sowas sagen würde. Und ich meinte dann halt so, ja, natürlich verstehst du das nicht, du machst dir ja auch null Gedanken über dich selbst. Lustiger Weise hat sie geantwortet "Ja, mach ich ja auch net", weil sie anscheinend selbst so einen einfachen Satz nicht verstanden hat. Und sie meinte dann irgendwas, was das jetzt mir ihnen zu tun hätte, dass ich sowas sagen würde. Dass sie echt nicht versteht, warum ich immer so drauf wäre und immer so aufbrausend, oder wie sie es nannte, wäre. Und ich meinte dann, nein, du scheinst es nicht zu verstehen. Liegt bestimmt nur an mir, ich mein, es war ja vorher auch nix. Und sie meinte dann, "Nee, wars ja auch net. Ich hab nur eben drauße gehört, dass du gesagt hast, dass du uns net mehr besuche kommst" Und ich meinte dann halt noch ma, ja klar, war bestimmt alles, ich hab ja auch zuerst rum geschrien und du warst ja auch net dabei. Aber gut, dass es nur an mir alleine liegt.
Daraufhin meinte meine Mutter dann, "Ahja, deswegen frach ich dich ja, was los war. Ich kanns ja net wisse, wenn du nix sachst." Ich meinte dann nur, dass es Schwachsinn ist, mein Vater hat sich dann wieder eingemischt und ich bin raus gegangen.
Ich wundere mich zum einen stark darüber, dass meine Mutter tatsächlich auf primitivste Weise versucht, mit mir zu reden, was aber dadurch zunichte geht, dass sie überhaupt nichts wahrnimmt, was von ihnen selbst ausgeht, sie habe ja keine Ahnung, warum ich geschrien habe, nachdem ich angemotzt wurde, und dass sie die Fehler bei mir sucht, warum ich nicht so funktioniere, wie sie es gerne hätte, aber nicht, warum sie sich immer so scheiße aufführen. Ich bin 25. Ich bin nichts. Ich bring nichts zu Ende. Ich halt echt die Klappe, um dem Stress zu entgehen, aber dann ist es nicht nur das, was ich sage, sondern auch das, was ich tue. Wie ein kleines Kind, dem man sagt, lass das Glas auf dem Tisch stehen, sonst gehts kaputt. Das war ja wohl abzusehen, böses Kind, kriegst ein paar auf die Finger. Wie konntest dus auch nur wagen dir einfach den Sessel zu nehmen? Mein Vater hat früher immer schon gesagt "Mach die Augen zu, dann siehst du, was hier in dem Haus dir gehört".

Und das Erschreckendste ist, dass meine Mutter eben tatsächlich hier war, um zu fragen, ob alles okay ist. Nach über ner Stunde. Und wahrscheinlich auch nur aus dem Grund, weil sie wissen wollte, ob ich noch ausgehe oder nicht, was ich eigentlich vor hatte... aber das hat sich wohl erledigt. Aber als ich ihr nicht geantwortet habe, war sie auch genauso schnell wieder weg. Keine Ahnung, was sie dazu bewogen hat, eigentlich ist es ein positiver Ansatz, dass sie überhaupt fragt. Wenn sie dann nicht trotzdem die Schuld von sich weisen und auf mich schieben würde. Und wenn sie nicht so tun würde, als wäre von ihrer Seite her nie was passiert. Und wenn sie nicht zusehen würde, wie mein Vater mich wegen nichts anschreit und dann alles runter spielt. Und was am meisten weh tut: Ich kann mich sehr wohl daran erinnern, wie oft ich als Kind aus ähnlichen Gründen, meistens immer wiederkehrende Gründe, in meinem Zimmer bitterlich geweint habe, wie ich mir ernsthaft Gedanken darüber gemacht habe, wie es beenden könnte, ob ich mich beim Jugendamt melde oder mich gleich ganz umbringe, und nie jemand einen Streit geklärt hat, nie hinterfragt hat und nie jemand kam, um nach mir zu sehen. Und jetzt plötzlich, wo ich schon seit Jahren sehr genau sage, was mich stört, ohne dass es Streit gibt, und nichts davon ernst genommen wird. Und jetzt auf einmal kommt das so. Nur dass sie sich selbst immer noch nicht beteiligt fühlen. Und genau das tut weh, dass ich jahrelang, mein ganzes Leben lang, wollte, dass wir drüber reden, dass man das klären kann, dass sie einsehen, dass sie Fehler machen, dass sie verstehen, warum ich weinend in mein Zimmer gerannt bin und sauer war. Dass sie immerhin gefragt hat, ist ja ein guter Ansatz. Nur leider bringt er nicht viel, wenn man die Schuld bei einem allein sucht und die Realität nicht sieht.
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Re: Bedingungslose Liebe zu seinen Eltern, egal, was passier

Beitragvon Wildbeere » Do. 22.06.2017, 13:17

Ich habe keinen Kontakt mehr zu meinen Erzeugern.
Jahrelang spürte ich tiefen Hass, aber auch Schuldgefühle.
Nach guten Therapien habe ich kapiert, dass meine Erzeuger viel kranker waren als ich.
Eltern kann man sich nicht aussuchen, ABER man muss sich ganz klar nicht alles gefallen lassen.

Ganz klar NEIN. Keine bedingungslose Liebe, egal was passiert. Es gibt Grenzen, an die sich auch Eltern halten müssen.
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Re: Bedingungslose Liebe zu seinen Eltern, egal, was passier

Beitragvon Insane1996 » Fr. 25.08.2017, 17:47

hmm, ich hatte eine schwierige Kindheit und mir war es nie möglich nichts zu fühlen meiner Familie gegenüber. Ich habe sie immer geliebt. Geliebt und gehasst. Es ist viel schlimmes passiert. Aber es ist meine Familie. Nach meinem 18. Lebensjahr bin ich umgezogen und auf Abstand gegangen. Nach 2 Jahren hatte ich wieder Sehnsucht nach ihnen. Natürlich hat sich ihr Verhalten nicht geändert aber man merkt es nicht so extrem, wenn man nur immer ein paar Tage bleibt um Zeit mit ihnen zu verbringen. Ich bin froh, wenn ich meine Geschwister nicht mehr sehen muss, wenn ich sie denn mal sehe. Aber bei meinen Eltern ist es schade drum. Ich liebe sie und würde sie gerne länger sehen, aber manchmal sehe ich altes Verhalten, alte Gedanken und alte Dinge, die es mich froh machen lässt, wenn ich gehe. Das wirft mich zurück und ich halte mir wieder klar vor Augen warum ich weg gegangen bin und noch nicht wieder da. Menschen ändern sich nicht. So ist das. Aber man kann seine Eltern jetzt nicht lieben, bzw doch man liebt sie oder wenn nicht dann hasst man sie oder hat zumindest irgendwelche Gefühle für sie, wenn man z.B. misshandelt wurde oder sogar vergewaltigt. Gefühlskälte oder das sie einem total egal sind kommt nur selten vor und ist irgendwie nicht normal. Man verbindet Erinnerungen egal ob gute oder schlechte. Ich kenne meine Mutter nicht aber ich verbinde trotzdem noch Erinnerungen mit ihr und so ist sie mir nicht fremd und egal wie jetzt eine Person auf der Straße.
Wenn Gott für uns ist, wer kann da noch gegen uns sein? -Römer 8,31

Ich dachte jetzt geht es aufwärts, jetzt wird alles gut, doch jedes Mal wache ich auf und schmecke dieses Blut

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