von tinissimo » Di. 03.07.2012, 10:40
Liebe Liv,
ich glaube, jeder Mensch, der sich alleingelassen oder einsam fühlt, hat mal solche Gedanken. Hatte ich auch schon. Der Gedanke, irgendwann mal einsam und verlassen in einem Schaukelstuhl dahinzuvegetieren ist gar nicht schön, andererseits ist eine Familie und sind Freunde, die du heute hast auch kein Garant für das Gegenteil. Freunde kommen und gehen, Kinder führen vielleicht eigene Leben in anderen Ländern/Städten... es gibt keine Garantien im Leben, aber ganz viele Erfahrungen, aus denen man lernt und die einem zu dem machen, was man ist.
Ich bin 46 und habe irgendwann entschieden, in der Gegenwart und nur unmittelbaren Zukunft zu leben, weil ich feststellte, dass es mir damit am besten geht. Ich hatte nur 2 Beziehungen in meinem Leben, lange Single-Zeiten dazwischen, war nie verheiratet, hab keine Kinder. Meine Familie ist keine Bilderbuchfamilie, jeder macht sein Ding und interessiert sich wenig für den anderen, nur meine Mutter hält das noch irgendwie zusammen. Und meine Freunde kann man an einer Hand abzählen. Die Träume, die ich in deinem Alter hatte (ein Mann, ein Kind, ein Haus, Hund, Katze, Auto und Halbtagsjob) hab ich mangels Erfolgsaussicht mit Ende 30 aufgegeben. Ich schaue jeden Tag, was kommt und plane meist nur 2 Wochen im Voraus Sport oder Verabredungen. Als mein Chef mich letztes Jahr nach meinen beruflichen Zukunftsplänen fragte hab ich ehrlich gesagt, ich hätte keine, weil in einem Jahr so viel passieren kann und ein Leben sich komplett verändern kann. Das ist keine Antwort, die ein Chef hören will, aber er hat sie akzeptiert. Sicher ist, dass ich immer denke, es muss noch was kommen.
Und warum weit planen und sich die Zukunft vorstellen? Ich kann morgen von nem Spinner überfahren werden und bin weg. Warum ohne Ende für das Alter sparen, vielleicht erleb ich es gar nicht? Ich kenne so viele Menschen, die krankheitsbedingt jung verstarben oder in meinem Alter mit Schlaganfällen oder auch Ältere, die gerade die Rente erreichten und dann erkrankten. Als ich letztes Jahr meinen Job wechselte in eine wesentlich unsichere Firma war für mich klar, lieber im Zweifelsfall wenige Jahre glücklich im Job (o.k., dass es nicht so ist, wusste keiner, aber in der alten Firma wäre es genauso), als unglücklich in einem relativ sicheren Unternehmen. Und sicher ist für mich gar kein Arbeitgeber.
Ich wünsche dir, dass du nicht nur Negatives siehst in der Zukunft und die Angst irgendwie loswirst. Wie GLaDOS sagt, alles hat auch irgendwas Positives. Manchmal muss man nur etwas länger suchen, nicht alles ist offensichtlich.
Liebe Grüße - Tina