Wem sage ich die Wahrheit

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Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Sophie » Sa. 09.04.2016, 15:22

Mich würde interessieren, welche Erfahrungen ihr gemacht habt, mit dem " outen " eurer Diagnosen. Ich bin so sehr verunsichert ob ich meiner Familie erzählen soll, was mit mir los ist. Würde es etwas ändern? Und wenn ja, zum Positiven? Zumindest wissen sie von der Ptbs. Auch wenn sie nur ahnen woher diese herrührt.
Andererseits fragt auch keiner. Aber ich weiss nicht ob es sie nicht interessiert oder ob sie sich nicht trauen. Leider habe ich sehr große Probleme mich zu öffnen und zu fragen.
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Re: Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Seelenflüsterer » Sa. 09.04.2016, 15:32

Das ging mir auch lange so vor Allem mit meinem Vater. Alle haben sich immer so gefreut, dass ich scheinbar gesund bin. Na ja inzwischen weiß er dass ich auch nicht mehr so funktioniere...

Für mich war wichtig damals, dass es ein guter Moment war, also einer, wo wir uns gerade nahe gefühlt und vertraulich geredet haben.

Ich wünsche Dir, dass sich für Dich auch so ein Moment ergibt und Du den Mut findest, ihn zu nutzen!
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Re: Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Atisha » Sa. 09.04.2016, 15:35

Verheimlichen finde ich bringt nichts ein. Immer die Wahrheit sagen finde ich. Dann kann man auch mehr Rücksicht einfordern.
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Re: Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Kuraiko » Sa. 09.04.2016, 15:53

Hallo Sophie,

Wem gegenüber man sich mit seinen psychischen Problemen öffnet, ist oft eine heikle Angelegenheit...

Die Frage, die man sich dazu vielleicht stellen sollte, ist: Was erhoffe ich mir von der anderen Person? Verständnis, Hilfestellung in bestimmten Punkten,...?

Wichtig ist vor allem, zu schauen, ob dich die entsprechende Person zum jetztigen Zeitpunkt ohne Wissen um die Diagnosen akzeptiert und annimmt, wie du bist... Wenn das der Fall ist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich auch mit "Offenbarung" der psychischen Probleme nichts ändert...

Ich habe bisher eher positive Erfahrungen mit dem "Outing" gemacht, allerdings habe ich grad im Bereich Familie erlebt, dass oft viel Hilflosigkeit und teilweise auch Unverständnis vorhanden war - da muss man einfach gut abwägen und schauen, ob der potentielle Nutzen größer ist als das Risiko...

Uff, ich fürchte, das klingt gerade etwas abstrakter und kälter, als ich es meine. Vielleicht kommt trotzdem irgendwie einigermaßen rüber, was ich meine.
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Re: Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Mäuschen » Sa. 09.04.2016, 17:47

würdest du es deiner Familie denn gerne sagen?! Wenn du es nämlich nicht möchtest, würde ich auch nichts sagen, da du es niemandem sagen musst! Und wenn du es gerne sagen möchtest, müsstest du weiterüberlegen, ob es richtig ist oder lieber nicht...
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Re: Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Coco66 » Sa. 09.04.2016, 18:56

Hallo Sophie,

ich denke, es kommt vor allem auf Dein Verhältnis zur Familie an. wie geht Ihr miteinander um, hast Du eher ein herzliches oder ein distanziertes Verhältnis zu den einzelnen Personen ?
Wenn Du z.B. zu jemandem ein sehr gutes Verhältnis hast, wirst Du Dich sicherlich eher öffnen.
Ich bin auch ein eher introvertierter Typ und habe ein schlechtes Verhältnis zu meiner Mutter. Diese weiß viele Dinge nicht, die meine Schwiegermutter weiß, wohingegen z.B. Schwager und Schwägerin GAR nichts wissen.
Ist manchmal besser so, aber das kann man nur im Einzelfall entscheiden.
Dir alles Gute, Claudia
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Re: Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Kuraiko » Sa. 09.04.2016, 20:20

Ich würde gerne noch etwas ergänzen...

Du bist niemals in der Pflicht, irgendjemandem etwas von dir Preis zu geben. Wichtig ist, dass du dich okay damit fühlst und auf deine eigenen inneren Signale hörst. Es ist zwar oft schwer, dem eigenen inneren Gefühl zu vertrauen, aber gerade was die Offenbarung von sehr belastenden Dingen angeht ist es umso wichtiger, dass du deine eigenen Grenzen achtest.
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Re: Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Mäuschen » Sa. 09.04.2016, 20:23

kann Kuraiko nur voll zustimmen! So dachte ich im Prinzip auch ;)
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Re: Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Casi » Sa. 09.04.2016, 20:35

Kuraiko hat geschrieben:Es ist zwar oft schwer, dem eigenen inneren Gefühl zu vertrauen, aber gerade was die Offenbarung von sehr belastenden Dingen angeht ist es umso wichtiger, dass du deine eigenen Grenzen achtest.


Das mit den eigenen Grenzen würde ich sofort unterschreiben. Aber die Sache mit dem inneren Gefühl sehe ich etwas komplexer.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mich mein inneres Gefühl auch schon mächtig hinters Licht geführt hat. Bei Menschen von denen ich dachte, denen könnte ich nie im Leben etwas so persönliches von mir preis geben, überraschte mich dann das entgegen gebrachte Verständnis. Und andersherum habe ich die Erfahrung schmerzlicherweise auch schon machen müssen.
Aber irgendwie muss man ja entscheiden wem man was erzählt und da ist das Gefühl schon mal ein erster Wegweiser.
Mit Enttäuschung und Unverständnis muss man leider rechnen. Aber ich sehe die Sache inzwischen wie Atisha. Am besten IMMER ehrlich sein, dann läuft man auch weniger Gefahr seine wertvolle Zeit mit Menschen zu vergeuden, die einem im Endeffekt nicht gut tun.
Casi
 

Re: Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Sophie » So. 10.04.2016, 09:04

Guten Morgen,
vielen Dank für eure wirklich wertvollen Gedankenanstöße.

@ Seelentröster:
Das mit dem richtigen Moment ist gut. Ich breche immer gern die Dinge übers Knie. Ungeduld ist mein zweiter Name

@ Kuraiko
Ich glaube ich erhoffe mir, in erster Linie, mehr Verständnis. Ich fühle mich in letzter Zeit zunehmend verwirrt und bin zerstreut und vergesslich. Ich würde gerne meinen Kindern erklären, warum ich Ihnen nicht die Mutter sein könnte/ kann, die sie verdient haben.
Aber es stimmt, ich sehe auch immer eine Art Pflicht allen alles zu sagen. Und das mit den Grenzen ist wichtig!!
!
@ Mäuschen
Das Thema, was möchte ich, nimmt immer mehr Raum ein. Früher habe ich immer nur reagiert. Neuerdings kann ich auch agieren. Schwierig schwierig, wenn mein seine Bedürfnisse nicht kennt, zu entscheiden was richtig ist. Ich muss es wohl ausprobieren.

@ Coco
Mein Verhältnis zu meiner Familie ist schwierig. Es stimmt, man sollte evtl von Person zu Person abwägen. Oder evtl einfach fragen ob es sie interessiert?

@ Casi
Das mit dem inneren Gefühl leuchtet ein. Auch das mit den Grenzen. Jetzt weiss ich auch gerade, warum ich diese Frage gestellt habe. Ich kann sehr schlecht Grenzen setzen und mein inneres Gefühl ist ja abgespalten.

Vielen Dank Sophie
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Re: Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Coco66 » So. 10.04.2016, 09:15

Hallo Sophie,

ich merke, wir sind uns etwas ähnlich - Ungeduld ist auch mein zweiter Name..:-)

Ich kann dir auch jetzt nur meine Meinung wieder geben: Wenn Du jemand fragst, ob sie Deine Geschichte interessiert, weckst Du natürlich Neugier. Und dann erzählst Du, vielleicht hast Du Glück und es interessiert Dein Gegenüber wirklich. Wenn nicht, kommt das befürchtete Unverständnis.
Ich selber mache das nur noch vom "Bauchgefühl" abhängig, wem ich was erzähle, bin aber SEHR vorsichtig geworden.

LG Claudia
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Re: Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Casi » So. 10.04.2016, 09:40

Guten Morgen Sophie,

ja die Sache mit den Grenzen ist wohl die Herausforderung des Lebens. Dabei verhält es sich aber ja oft so, dass die Grenzen relativ flexibel sind. So ist es zumindest bei mir. Was geht und was nicht hängt oft von meiner Tagesform ab. Es gibt Tage an denen ertrage ich keinerlei Kritik oder Ähnliches. An anderen Tagen kann ich das wieder besser wegstecken oder bitte sogar explizit darum.

Mit wem auch immer du sprichst, dafür solltest du vielleicht vorher in einer halbwegs guten Verfassung sein.
Als ich zum Beispiel meiner Mutter von meinen Depressionen erzählt habe, habe ich einen Moment genutzt in dem ich gerade einigermaßen fröhlich war. So konnte ich ihr das alles relativ nüchtern erklären. Ich war ja gerade nicht so tief in meinem Depressionsgefühl drin und konnte das ganze fast wie einen sachlichen Vortrag formulieren. Weil ich ja gerade selber nicht so tief drin gesteckt hab. Ich glaube hätte ich ihr das weinend und schluchzend erzählt (um es jetzt mal überzogen darzustellen) wäre ich viel zu angreifbar gewesen.

Ich wünsche dir in jedem Fall gutes Gelingen und hoffe für dich, dass du auf Verständnis treffen wirst.

Liebe Grüße,
Deine Casi
Casi
 

Re: Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Sophie » So. 10.04.2016, 10:04

Moin Casi,
auch ein guter Rat. Dann verwerfe ich mein outing erst einmal, denn meine Verfassung ist im Moment gerade eine sehr schlechte und es würde mich in der Tat zusätzlich stressen und überfordern.
Und es läuft ja nicht weg. Vielleicht nimmt es auch Druck.
Viele Grüße Sophie
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Re: Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Hopeless » Mo. 11.04.2016, 10:48

Hallo, Sophie!

Einfach ist es auf keinen Fall, aber ich denke, dass man seiner Familie ( bzw. Menschen die Einem sehr Nahe stehen) schon die Wahrheit sagen sollte. Meist kommt dann raus, dass gerade Eltern, eh schon einen Verdacht hatten.

Vorsichtig wäre ich aber, wem ich es ausserhalb der Familie erzähle, denn es ist für Aussen stehende schwer zu verstehen, was in uns vorgeht. Leider können wir die Psyche nicht eingipsen oder rot Annalen, damit unsere Krankheit sichtbar wird und die Menschen um uns rum verstehen, dass wir uns nicht nur anstellen oder so...

Ich bin eine Zeit lang sehr offen damit umgegangen und nicht nur gute Erfahrungen damit gemacht. Ich habe Freunde verloren oder über mich wurde hässlich geredet, wie z.B. "Hast du mal was von ihr gehört oder hat sie sich schon umgebracht?" Aber das waren, Gott sei Dank, Ausnahmefälle! Und auf die Leute kann Jeder verzichten!
Schlimm ist es auch wenn man nur noch auf seine Psyche reduziert wird. Meine Schwiegermutter z.B. egal was ich habe, das bilde ich mir Alles ein. Ob Muskelkater, einen Tag nach dem Sport. Unterlaibschmerzen während der Regel und und und.

Aber, ich habe auch positive Erfahrungen gemacht!!!! Und manches ist einfacher geworden, weil ich mich in bestimmten Situationen nicht erklären muss.

Und eine Situation möchte ich Dir noch erzählen: Mein Vater hatte mal den Verdacht auf eine schlimme Krankheit und hat mir erst was gesagt, als er wusste das er doch nicht krank ist. Ich war damals sowas von enttäuscht und verletzt und habe ihm gesagt, dass er mir sowas nie mehr verschweigen soll.
Ich denke dafür ist eine Familie auch da, denn zusammen erträgt sich manches leichter!

Viel Glück!
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Re: Wem sage ich die Wahrheit

Beitragvon Sophie » Mi. 13.04.2016, 08:54

Hallo Hopeless,
vielen Dank für deine Antwort.
Die Geschichte mit deinem Vater finde ich sehr berührend und kann nachvollziehen, dass du da enttäuschst warst. ( ist immer ganz hilfreich, wenn man sich die Situation mal andersherum vorstellt.)
Etwas Erfahrungen, was das outen betrifft, durfte ich ja auch schon sammeln. Als damals die Diagnose Epilepsie in mein Leben trat.
Das ist ja auch eine Krankheit, die mit vielen Ängsten und Schauergeschichten verknüpft wird.
Es gab Menschen mit sehr viel Scheu, die fragten mich nie wieder wie es mir geht. Unter anderem mein Vater und mein Bruder.Aber ich habe das akzeptiert. Es gibt wohl viele die mich lieber gesund und stark und unbeschwert erleben wollen.

Ich glaube ich habe öfter gedacht, hättest mal nix erzählt. Es belastet Beziehungen wohl doch eher. Mein Mann und meine Kinder haben all die Jahre sehr sehr viel mit mir durchmachen müssen. Soll ich jetzt sagen: hey ihr, ich bin jahrelang mit einer falschen Diagnose herumgelaufen. Die Dinge sind ganz anders.

Eine gute Entscheidung war, auf meinen Arbeitsstellen nix zu sagen.

Ich glaube ich behalte die Dinge erst einmal für mich. Entweder es ergibt sich mal ein Gespräch oder, wie schon geschrieben, es fragt mal jemand nach.

Viele Grüße Sophie
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