Was soll ich nur tun?

Das Forum für Euren Kummer und Sorgen oder wenn Ihr über Eure Probleme schreiben wollt.

Was soll ich nur tun?

Beitragvon nina89 » Di. 27.05.2014, 08:39

Ich habe ein Problem mit dem ich mich gerne an euch wenden möchte. Vielleicht kann mir ein Außenstehender ja bessere Tipps geben, als die Menschen die mich kennen.
Es geht um meinen Vater. Ich hatte keine leichte Kindheit. Mein ganzes Leben ist geprägt vom Alkoholismus meines Vaters und der psychischen Gewalt die er auf mich auswirkte. Geschlagen hat er mich sehr selten und dann auch nur auf den Po, also körperliche Gewalt kann ich ihm nicht vorwerfen. Es ist nur das Psychische.
Das Verhältnis zu meinen Eltern ist komisch. Mit meiner Mutter rede ich offen über alles. Sie weiß den Grund für meine psychischen Probleme, auch wenn ihr nicht klar ist, wie groß deren Ausmaß ist. Sie will es vermutlich auch gar nicht wissen.
Meinem Vater habe ich nicht die Wahrheit gesagt. Ich habe Dinge vorgeschoben die ihn nicht belasten. Da er sich weigert über meine Krankheit zu sprechen ging das auch ohne Probleme.

In meinem Klinikaufenthalt im letzten Jahr wurde sehr schnell klar, dass meine Probleme im direkten Zusammenhang mit meiner Kindheit stehen und damit natürlich mit meinem Vater zu tun haben. Meine damalige Psychologin hat angeregt, dass ich mit meinem Vater darüber sprechen solle. Sie glaubt, dass mir das bei der Aufarbeitung helfen könnte und dabei, mich von den negativen Gefühlen und Gedanken zu distanzieren. Sie hätte sogar ein Gespräch mit ihm und mir geleitet, damit ich es einfacher habe. Ich habe damals aus vielen Gründen abgelehnt.

Mein Vater ist nach zwei Entzügen mit anschließenden trockenen Perioden wieder voll im Alkoholwahn. Ich lebe schon seit 7 Jahren nicht mehr zu Hause und trotzdem nimmt mich das sehr mit. Er hat einen Entzug gemacht als ich 17 war und war danach 3 oder 4 Jahre trocken. Der Rückfall damals hat bei mir schlimme körperliche Symptome ausgelöst. Seitdem bin ich nur damit beschäftigt einigermaßen zu überleben. Er hatte dann irgendwann einen Herzinfarkt, verlor komplett die Kontrolle über sich und landete im Krankenhaus. Etwa in der Zeit habe ich mich freiwillig in die Psychiatrie einweisen lassen. Es gab einen erneuten Entzug, ich hatte wieder Hoffnung.

Mitlerweile trinkt er wieder. Der Abstand zwischen Entzug und Rückfall war diesmal nicht mal ein Jahr. Ich vermute das wird auch der letzte Rückfall sein. Er hat schon in der letzten Kur gesagt, noch einen Entzug macht er nicht.

Mir geht es in den letzten Wochen immer schlechter. Ich entwickle immer mehr Ängste, habe körperliche Schmerzen und bin so unheimlich müde. Mir geht es wirklich schlecht. Den Kontakt kann und will ich zu meinem Vater nicht abbrechen. Das würde bedeuten, dass ich auch keinen Kontakt mehr zu meiner Mutter und meiner Schwester haben könnte.

Meine größte Angst ist unheimlich egoistisch und ich schäme mich dafür.
Bei seinem letzten Krankenhausaufenthalt haben die Ärzte meinem Vater gesagt, dass er großes Glück hatte. Seine Organe sind geschädigt, er hat ein schwaches Herz und Diabetes. Er hätte nur noch ein paar Monate so weiter machen können und wäre dann an der Sucht gestorben.
Ich bin mir sehr sicher, dass mein Vater nicht mehr lange leben wird. Vielleicht noch ein 3/4 Jahr, vielleicht 1 1/2, aber sicher nicht länger. Meine Angst ist, dass er stirbt, ohne dass ich ihm alles sagen konnte. Er hält sich für den besten Vater der Welt. Er erinnert mich andauernd daran, dass er sein letztes Hemd für uns (meine Geschwister und mich) gegeben hätte und uns immer sein letztes Geld gegeben hat. Ganz tief drin, weiß er es besser, aber er verdrängt es
Ich habe Angst, dass er stirbt und ich dann nie wieder gesund werden kann, weil ich ihm nie ins Gesicht gesagt habe, dass er ein beschissener Vater war der Schuld daran ist, dass es mir seit Jahren so dreckig geht. Dass ich Beruhigungsmittel nehmen muss, weil mich mein Kopf verrückt macht und dass ich häufig nur mit Schlafmitteln zur Ruhe komme nachts. Er ist schuld und ich will, dass er diese Schuld mit ins Grab nimmt. Jedes Wort das mir auf der Seele brennt soll er mitnehmen.

Ich weiß nur nicht wie ich das machen soll. Ich habe keinen Therapeuten im Moment. Ich stehe auf der Warteliste und muss monatelang warten. Bis dahin kann es schon zu spät sein.
Wenn ich es ihm ohne psychologische Begleitung sage, dann habe ich Angst vor seiner Reaktion. Er ist ein Choleriker und ich gehe jede Wette ein, dass er sich so sehr aufregt, dass er wieder einen Herzinfarkt bekommt. Ich will nicht schuld sein, wenn er an einem Infarkt stirbt.

Ich weiß nicht was ich tun soll. Meine damalige Psychologin hat mir zu einem Brief geraten. Mal abgesehen davon, dass auch da das Risiko mit dem Infarkt bleibt, würde er den nicht mal zu Ende lesen. Außerdem bin ich sicher, dass mein Bruder und meine Mutter, die beide mit ihm unter einem Dach leben seine Wut darüber abbekommen würden.

Was soll ich denn tun? Ich befinde mich in einer Zwickmühle. Hart ausgedrückt "entweder er oder ich". Zwischen all der Wut kommt dann aber auch immer wieder die Liebe hoch. Trotz all dem was er mir und meiner Familie angetan hat, trotz all den schweren Jahren und der Folgen die mir das Leben so verdammt schwer machen, liebe ich meinen Vater. Er ist mein Papa und ich will ihm nicht weh tun. Ich wünsche mir immer noch, obwohl ich schon lange weiß, dass ich das nie haben werde, einen nüchternen Vater, der mich in den Arm nehmen kann und mir sagen kann, dass er mich auch liebt. Einen Vater, dem ich verzeihen kann und von dem ich einfach sagen kann, das ist mein Papa und ich bin stolz seine Tochter zu sein.

Ich weiß wirklich nicht was ich tun soll. Das ganze Thema liegt mir wie ein großer Stein im Magen und ich finde einfach keine Lösung und keinen Ausweg.
nina89
 

Re: Was soll ich nur tun?

Beitragvon mkdrive2 » Di. 27.05.2014, 09:06

Ich habe Angst, dass er stirbt und ich dann nie wieder gesund werden kann, weil ich ihm nie ins Gesicht gesagt habe, dass er ein beschissener Vater war der Schuld daran ist, dass es mir seit Jahren so dreckig geht. [...] Er ist schuld und ich will, dass er diese Schuld mit ins Grab nimmt. Jedes Wort das mir auf der Seele brennt soll er mitnehmen.
Hat deine damalige Psychologin dir geraten, das zu tun? :shock: Was hat sie gesagt, würde dann passieren?
mkdrive2
 

Re: Was soll ich nur tun?

Beitragvon indigo » Di. 27.05.2014, 09:22

Liebe Nina,
ich wollte Dir sagen, dass Du Dich nicht zu schämen brauchst und dass ich Deine Angst nicht egoistisch finde. Es zeigt, dass Du den Willen hast, dass es besser wird und dass Du es klären willst. Das ist wichtig, denn ohne diesen Willen würdest Du nur schwer weiterkommen. Das macht Dich stark.
Da Dein Vater Dich sehr beschäftigt und erheblich zu Deinem gesundheitlichen Zustand beitrug und beiträgt, ist dieser Wunsch vollkommen gerechtfertigt. Wenn es für Dich so wichtig ist, solltest Du wirklich mit ihm reden.
Gibt es Momente, in denen er halbwegs nüchtern ist, in denen Du sagen könntest, 'Papa, ich muss mit Dir reden und es ist sehr wichtig für mich.'? Du könntest Dir vorher überlegen, was genau Du sagst, dass Du es vielleicht etwas vorsichtig forumlierst und einen Mittelweg findest, ihm einerseits zu sagen, dass sein Verhalten Dich so mitnimmt und kaputt macht, und anderenseits auch zu sagen, dass Du ihn lieb hast und Dir wünschst, dass es besser wird.
Wenn Du auf den Therapieplatz so lange warten musst, könntest Du vielleicht einen einzelnen Termin bei Deiner früheren Psychologin bekommen? Oder Dich an eine Beratungsstelle wenden und dort nach einem Termin fragen, wo sie Dich beim Gespräch unterstützen?
(Das fiel mir so spontan dazu ein, ich hoffe, Du kannst damit was anfangen. Und ich hoffe, dass ich die Situation nicht völlig falsch einschätze und nur Mist daherrede...)
indigo
 

Re: Was soll ich nur tun?

Beitragvon nina89 » Di. 27.05.2014, 09:47

Hat deine damalige Psychologin dir geraten, das zu tun? :shock: Was hat sie gesagt, würde dann passieren?


Nein, das hat sie mir nicht geraten. Das sind einfach meine Gefühle die ich immer wieder habe. Er hat mir so viel angetan und ich reagiere häufig so extrem. Aber nur für mich. So krass würde ich das niemals ausdrücken. Ich habe einfach oft eine riesen Wut und da ich hier so ehrlich wie möglich sein wollte, habe ich eben auch meine "krasseren" Gedanken dazu geäußert.
Und weil ich eben oft so eine Wut habe, meinte sie, ein von ihr angeleitetes Gespräch könnte mir helfen, weil sie dann dazwischen gehen kann sobald einer von uns zu emotional wird.

@indigo:

Ich kann alleine nicht mit ihm sprechen. Das liegt zum Einen an mir und zum Anderen an ihm. Ich werde bei dem Thema schnell emotional und sage Dinge die ich zwar so meine, die ich ihm aber nicht sagen sollte.
Er ist ein schwieriger Mensch. Ich käme nicht besonders weit bei ihm. Er würde mich raus schmeißen oder selber abhauen sobald er kapiert worum es geht. Und danach gehe ich nach Hause und bin "sicher" vor ihm und meine Mutter und mein Bruder sind zu Hause und sind seiner Wut ausgesetzt. Das könnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.
Meine frühere Psychologin hatte ich nur in der Klinik. Sie hat auch nur Klinikpatienten. Eine Sprechstunde gibt es bei ihr nicht.
Ich weiß nicht ob eine Beratungsstelle das Richtige für mich ist. Ich habe Schwierigkeiten mit fremden Menschen zurecht zu kommen. Ich entwickle anfangs eine richtige Redehemmung und brauche einige Zeit um mich an jemanden zu gewöhnen. Einen Versuch wäre es vielleicht trotzdem wert.
nina89
 

Re: Was soll ich nur tun?

Beitragvon indigo » Di. 27.05.2014, 10:11

Wie ist das Verhältnis zwischen Deinen Eltern momentan? Könntest Du vielleicht Deine Mutter in das Gespräch mit einbeziehen? Oder gibt es eine außenstehende Person, der Du einigermaßen vertraust und die Du um Hilfe bitten könntest?
Und eben las ich nochmal Deinen Steckbrief, könnte Dein Mann Dir vielleicht helfen?
indigo
 

Re: Was soll ich nur tun?

Beitragvon warum ich » Di. 27.05.2014, 10:43

hallo nina,

das folgende könnte dich verletzen, darum überleg' an dieser stelle vielleicht ersteinmal, ob du weiterlesen willst ...
es ist indessen nicht zu diesem zweck geschrieben, dich zu verletzen.
nur, daß da vielleicht noch hoffnung wäre, dich auf den boden zurückholen zu können, bevor du dir selbst einen schaden anrichtest, der weit größer sein würde als jener, den du jetzt beklagst.

nina89 hat geschrieben:Ich habe Angst, dass er stirbt und ich dann nie wieder gesund werden kann, weil ich ihm nie ins Gesicht gesagt habe, dass er ein beschissener Vater war der Schuld daran ist, dass es mir seit Jahren so dreckig geht. Dass ich Beruhigungsmittel nehmen muss, weil mich mein Kopf verrückt macht und dass ich häufig nur mit Schlafmitteln zur Ruhe komme nachts. Er ist schuld und ich will, dass er diese Schuld mit ins Grab nimmt. Jedes Wort das mir auf der Seele brennt soll er mitnehmen.

[ ... ]

Wenn ich es ihm ohne psychologische Begleitung sage, dann habe ich Angst vor seiner Reaktion. Er ist ein Choleriker und ich gehe jede Wette ein, dass er sich so sehr aufregt, dass er wieder einen Herzinfarkt bekommt. Ich will nicht schuld sein, wenn er an einem Infarkt stirbt.


ja, das siehst du offenbar schon völlig richtig: es wäre extrem egoistisch
und schäbig obendrein.

nachdem du diese einsicht derzeit offenbar selbst noch nicht hast, prophezei' ich dir, das sie dich einholen und dann für den ganzen rest deines lebens nicht wieder loslassen würde.

willst du das wirklich ?

den therapeuten, welcher dich bei diesem unsinnigen unterfangen dann "begleiten" wollte, möcht' ich sehen.
der wär' die berufsbezeichnung nicht wert.

die anregung, es ihm in einem brief zu schreiben - ... den du aus eigenem einsehen vielleicht sogar ihm nie übergeben würdest -, ist eine ganz andere sache als das, was du hier vorhast.

völlig unsinnigerweise vorhast.

denn du zementierst damit in deiner eigenen seele letztlich nur dieses problem, auf das dir eine vernünftige sicht nie gelungen war.

ich hatte da bei dem wort "schluckbeschwerden", die etwas (da noch nicht erklärtes) ausgelöst hätte, gestutzt. nunmehr ergibt sich mir da ein bild, wo heraus deine emotionale abhängigkeit gleich auch schon ziemlich gut ersichtlich wird.

nichts, woran du eine schuld hättest. enttäuscht hat da der vater.

aber wie du es - eben seit der kindheit, seit es dir also bewußt wurde, daß er nicht stark war wie kinder sich ihre väter wünschen, vielmehr aber schwach, denn das ist der grund für flucht in den alkohol - dir dann "erklären" versucht hast, allein da lag von anfang an offensichtlich schon dein fehler.

zunächst einmal sollte da am anfang die überlegung stehen, welches recht kinder haben, ihren eltern vorzuhalten, wenn diese mit ihrem eigenen leben schon nicht zurechtkommen. für dich war es das erleben des alkoholismus des vaters - andere könnten dann vielleicht auch einfach mal nur ihren eltern vorhalten, selbst im leben nichts geworden, chancen nicht genutz zu haben.

ich finde, dieses recht, optimale bedingungen zu fordern, hat kein kind.

also solltest du vielleicht mal erkennen, um wie viel schlechter du es hättest treffen können, wenn dein vater wirklich auch noch schlecht gewesen wäre, wo es dann, ein jähzorn, darin endet, daß er im suff frau und kinder verdrischt, wie nicht wenige alkoholiker-familienväter dies tun.

ich lese in deinem bericht da nichts, daß es bei ihm in wirklicher boshaftigkeit gipfelte.

... und vielleicht ist es das, wofür du, nachdem du als kleines kind seinen alkoholismus bemerktest, vielleicht lediglich einfach noch nicht reif genug warst, das abzuwägen und in ein passendes und für dich dann vielleicht erträglicheres muster zu bringen: du spürtest hingezogenheit, indem du erkanntest, daß er ja dennoch nicht schlecht war, und gleichzeitig völliges unverständnis über so viel elterliche unvernunft.

demnach hättest du dir faktisch all das, worunter du gerade so sehr leidest, selbst angetan.

dies ist leider die crux von co-abhängigkeit ...

so sehr man es als belastendes familienproblem auch sehen könnte, den fehlenden part in dem bild, damit es endlich auch wieder ein homogen schlechtes werde, der sich mit ihm ein wenig verloren hatte, nachdem er all diese schlechtigkeit, die du in ihn hineinzuinterpretieren suchst, weil du meinst, da wäre eine, nur weil du es so empfunden hattest, es wieder deutlicher also mit schlechtigkeit zusammenzuführen, zu "ergänzen" vorhast, darum bemühst du dich dann, indem du hier dem bösen einen namen und eine form zu geben versuchen würdest dann, wenn du ihm also diese deine negativen gedanken noch mit auf seinen weg zu geben schaffen würdest.

deinem vater würde es null helfen.
aber dir eben dauerhaft schaden.

das problem sehe ich woanders: du wolltest vielmehr immer auch deinem vater nah sein dürfen, aber da war immer der alkohol dazwischengestanden.
und, indem du diese seine schwäche nicht akzeptieren wolltest, hast du nur die auswirkungen auf dich (und euer tochter-vater-verhältnis) gesehen und bist leider da hängengeblieben, ohne dem noch nachgehen zu wollen, was seine schwäche war.
der alkohol ist nie das ausgangs-problem. er schafft dann nachfolgend erst wieder welche, die freilich alles interesse bei den menschen, die darunter dann zu leiden haben, dämpft oder auch gänzlich verfliegen läßt.

jener brief, der dir vorgeschlagen war, war gemeint und müßte gezielt dann sein auf deine innere aussöhnung mit deinem vater ...
dies, wenn möglich, noch zu lebzeiten, weil, später wird es dich noch viel mehr belasten, wenn du es dann nurmeh noch mental mit ihm dann könntest, nie wirklich erkennend, ob er es vielleicht hören könnte ...

du nimmst dir nichts von der seele, wenn du ihn bezichtigst, an deinem schicksal mehr schuld zu sein als du selber diesen anteil daran eben hast, wenngleich einen, der dir nicht als "schuldhaft" anzulasten ist.
im gegenteil: du belastest sie damit nur noch weiter.
warum ich
 

Re: Was soll ich nur tun?

Beitragvon cats47 » Di. 27.05.2014, 10:47

Wahrscheinlich bin ich an dem Thema emotional viel zu nah dran um dir objektiv zu raten.
Bei mir war die Mutter Alkoholikerin. Ich bin es selbst auch und gerade mal wieder trocken.
Das du deinen Vater in einem so weit fortgeschrittenen Stadium seiner Krankheit in
einem Gespräch noch wirklich erreichen könntest, das er dir zuhört, das glaube ich
eher nicht.
Einen Brief zu schreiben das halte ich für eine gute Idee.Alles aufzuschreiben was du
im sagen möchtest, was dir auf der Seele brennt.
Aber nicht damit er ihn liest, glaube kaum das er das tun würde, sondern für dich
als Abschluß. Und dann den Brief verbrennen oder an einem Platz der dir etwas
bedeutet, vielleicht wo du als Kind öfter mit ihm hingegangen bist, vergraben.
So eine Art symbolische Zeremonie um dich zu befreien.
Der Hass auf ihn der zerstört dich. Indem du ihm verzeihst befreist du dich
aus seiner Macht. Für dich, nicht für ihn.
Ja, ich weiß, einfacher gesagt als getan. Ich habe das 7 Jahre nach dem Tod meiner
Mutter immer noch nicht geschafft. Aber es ist wichtig.
Er hat den Weg der Selbstzerstörung gewählt. Ihm kannst du nicht helfen auch wenn
du ihn als Vater trotzdem irgendwie liebst.
Es geht um dich. Du lebst. Dir soll es irgendwann wieder gut gehen.
Die Frage er oder du. In jedem Fall ganz klar du.
cats47
 

Re: Was soll ich nur tun?

Beitragvon indigo » Di. 27.05.2014, 10:53

Ich finde cats' Idee gut. Damit Du das - wenn es mit Deinem Vater nicht geht - für Dich abschließen kannst.
indigo
 

Re: Was soll ich nur tun?

Beitragvon nina89 » Di. 27.05.2014, 11:37

@ warum ich:

Es war doch nicht nur der Alkoholkonsum das Problem. Damit hätte ich vielleicht umgehen können. Vielleicht auch nicht, das weiß man ja nie. Das Problem war die psychische Gewalt die er uns zugefügt hat.
Mein Vater hat mir mein Leben lang das Gefühl gegeben, nichts wert zu sein. Er hat mich beschimpft und klein geredet. Er hat uns in unserem Zimmer (ein kleines Zimmer, das wir drei Kinder mit unserer Mutter teilen mussten die dort auf einer Matratze geschlafen hat) eingeschlossen. Wir bekamen etliche Morgende kein vernünftiges Frühstück, weil die Wurst und das Brot ihm gehörten und das Wohnzimmer und die Küche waren sein Reich. Wir haben mit Schüsseln mit einer zermatschten Banane in unseren Betten gesessen, meine Mutter hat geheult und meinVater hat sich mit Brot und Leberwurst den Bauch voll geschlagen. Wir wurden angebrüllt, für nichts und wieder nichts. So laut, dass mir die Ohren weh taten. Er wurde dunkelrot im Gesicht und hat uns angespuckt. Wir hatten panische Angst vor ihm. In meiner Pubertät wurde ich von ihm als fette, hässliche Sau beschimpft. In einer Zeit, in der ich in der Schule schon gemobbt wurde und ein bisschen Rückhalt gut hätte gebrauchen können.
Ich habe meiner Mutter Tag für Tag dabei zusehen müssen, wie sie sich von ihm fertig machen lies. Wie sie geweint hat und sich eingeschlossen hat. Mein ganzes Leben in diesem Haus war von Angst geprägt.

Ich bin sehr, sehr froh, dass ich nicht von ihm verprügelt wurde. Ich bin aber der Ansicht, dass psychische Gewalt mit körperlicher auf einer Stufe steht.

Ich wollte nie perfekte Eltern. Ich wollte einfach nur Eltern. Ich war immer mehr erwachsen als Kind. Ich hatte keine richtige Kindheit, keine vernünftige Jugend. Ich habe mich um meine eigene Mutter gekümmert, sie ins Bett gebracht, wenn sie zusammengebrochen war, da war ich grade mal 9 Jahre alt.

Ich weigere mich zu akzeptieren, dass ich das Problem sein soll, weil ich die Fehler meines Vaters nicht akzeptieren kann.

Ich will ihm doch keine Beleidigungen ins Gesicht sagen. Das was ich da oben geschrieben habe, mit dem Grab und so, das war nur für hier. Für diesen Text. Ich finde, mir steht ab und zu auch ein bisschen Wut zu. Ich würde ihm sowas doch nicht ins Gesicht sagen. Ich meine das doch nicht mal 100%ig so wie ich es in meiner Wut geschrieben habe. Ich will ihm nur einfach irgendwie sagen können, wie verdammt weh er mir getan hat und was das für Folgen für mein Leben hatte. Ich finde ich verdiene ein solches Gespräch. Ich will ihn nicht fertig machen, ich will nur, dass unsere Beziehung nicht mehr auf Lügen meinerseits aufgebaut ist und dass ich endlich einfach mal ich sein kann.

Nur weil er mich nicht geprügelt hat, heißt das nicht, dass ich keine Narben davon getragen habe.

Ich muss mich jetzt erst mal wieder beruhigen. Der Text hier hat mich sehr aufgewühlt. Ich werde auf die anderen Antworten eingehen, wenn ich mich wieder ruhiger fühle.
Trotzdem schon mal vielen Dank an alle die mir geanwortet haben.

Nina
nina89
 

Re: Was soll ich nur tun?

Beitragvon warum ich » Di. 27.05.2014, 11:56

nina89 hat geschrieben:Ich weigere mich zu akzeptieren, dass ich das Problem sein soll, weil ich die Fehler meines Vaters nicht akzeptieren kann.


nein, so war das auch nicht gemeint

Ich finde, mir steht ab und zu auch ein bisschen Wut zu.


absolut !

aber das hier:

Ich bin aber der Ansicht, dass psychische Gewalt mit körperlicher auf einer Stufe steht.

Nur weil er mich nicht geprügelt hat, heißt das nicht, dass ich keine Narben davon getragen habe.


... ist eben, was es ist: narben.
an denen man nicht puhlen sollte, denn irgendwie sind sie eben schon verheilt.

was du jetzt noch hinzugefügt hattest, ändert natürlich einiges an dem bild. ich war eben davon ausgegangen, daß er dich nicht geschlagen hatte. über alles andere wäre zu reden.

mit ihm.

ihm konkret die situation ins gedächtnis rufen und vielleicht mal nachfragen, was er da gedacht und gefühlt hatte.
nicht in der weise, es ihm zu schreiben, wo du schon weißt, daß er es wahrscheinlich nichteinmal vollständig lesen würde, weil er sich so dann den antworten - also seiner konkreten verantwortung - nach belieben entziehen kann.

es würde mithin nicht anders gehen, als daß du es ihm direkt auch ins gesicht sagtest.
die tür, durch die du gehen kannst, sobald er aufbrausend reagieren würde, sollte dabei immer offen sein.
aber keine tür für ihn, durch die er diesen deinen fragen entkommen könnte.

du mußt stark sein, wenn du es angehst.
und nicht denken, daß es mit einem male erledigt sein könnte.

... und wenn er sich dann evtl. derart aufregen würde, daß er einen herzanfall bekäme, so wäre dies einfach nur der preis, den er da jetzt zu zahlen hätte.

immerhin bleibt die chance, daß du ihn - nicht seine gewesenen reaktionen, aber doch vielleicht das eine ums andere mal seine innere verlorenheit, die er da jeweils gespürt hatte -, daß du da einiges noch verstehen und vielleicht im nachhinein vergeben könntest.

eben, um die sache für dich zu einem abschluß zu bringen.
warum ich
 

Re: Was soll ich nur tun?

Beitragvon Vanilla » Di. 27.05.2014, 13:51

Mein Erzeuger war gewalttätiger Alkoholiker.
Aber auch ohne körperliche Gewalt, prägt es die Kinder sehr, mit einem Alkoholiker aufzuwachsen.

Es gibt deshalb auch bei den AA's Gruppen für "Erwachsene Kinder"
Dir wurde dieses Leben gegeben, weil du stark genug bist um es zu leben.
Unbekannt

Ja, ich hasse meine MS und sie mich scheinbar auch. Aber manchmal sitzen wir auch zusammen und lachen gemeinsam über meinen Gang

There is sugar on the radio
Benutzeravatar
Vanilla
Vielschreiber
 
Beiträge: 10272
Registriert: Do. 26.11.2009, 17:29

Re: Was soll ich nur tun?

Beitragvon nina89 » Fr. 30.05.2014, 07:00

@cats47:

Die Idee mit dem Brief finde ich gut. Einen Platz an dem ich mal mit ihm gewesen wäre gibt es zwar nicht, aber vielleicht finde ich eine andere Stelle die gut dafür geeignet ist. Ich habe schon etliche Briefe geschrieben an ihn die ich nie abgeschickt habe. Geholfen hat das bisher nie. Nur im ersten Moment der Wut oder Trauer. Langfristig ging es mir damit nicht besser. Wie du schon sagst, es ist oft leichtet gesagt als getan. Vielleicht ist das Vergraben ein Schritt der mir helfen kann. Mal sehen.

@Vanilla:

Die Idee finde ich gut. Ich habe mal recherchiert und eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Alkoholikern in meiner Stadt gefunden. Da werde ich sicher mal hingehen und mir das ganze anschauen.

Vielen Dank für die vielen Antworten!
nina89
 


Zurück zu Probleme und Sorgen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 0 Gäste