Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Hier könnt Ihr Euren Gefühlen und Gedanken freien Lauf lassen.

Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Beitragvon Mirai » Di. 14.01.2014, 21:35

Ich schließe die Tür hinter mir,
schließe ab und bleibe stehen.
Ich rüttele an der Tür:
einmal, zweimal, dreimal -
ich weiß nicht, wie oft ich es tue.

Ich gehe ins Treppenhaus, nur um mich sofort wieder umzudrehen
und kritisch zur Tür zu schielen, denn ich bin mir nicht sicher, ob sie verschlossen ist.

Wie kann ich mir auch je hundertprozentig sicher sein, wenn ich mich nur selbst verunsichere?
Woher soll ich denn wissen, ob ich nicht doch einmal zu wenig kontrolliert habe, versagt habe?
Wieso kann ich nicht aufhören, an dieser blöden Tür zu rütteln,
wenn ich doch nach dem ersten Mal schon erahnen könnte, dass die Tür fest verschlossen ist?

Warum?
Wieso?
Weshalb?
Warum ausgerechnet ich?

Ich leide und versuche dennoch, das Leid zu akzeptieren,
denn es ist mein normaler Alltag und ich muss versuchen, mit dem Problem umzugehen.

Ich kämpfe - und kann doch nicht gewinnen.
Ich lebe - auch mit dem Zwang.
Ich weiß - dass es auch anders sein kann.
Ich hoffe - obwohl ich kein Licht sehe.

Ich lebe meinen Alltag und bin mir sicher,
dass andere Menschen auch unter Zwängen leiden
und damit leben können - so wie ich.

Wenn man den Zwang nur noch als lästig,
aber nicht mehr als unnormal ansieht,
hat man dann nicht schon verloren?
Mirai
 

Re: Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Beitragvon Phantasia » Mi. 15.01.2014, 23:52

Vielen Dank für diese wundervollen Worte.

Wirklich, Du hast ein Können, deine Gefühle und Emotionen nieder zu schreiben, das ist phänomenal.

Ich leide nicht wirklich unter Zwang, obwohl der ein oder andere mir sagt, ich leide drunter.
Ist die Tür wirklich abgeschlossen? Habe ich wirklich die Fenster zugemacht?
Habe ich dieses? Oder habe ich das?

Tausend Mal diese Gedanken und ich werde nervös und unruhig.
Ich bekomme schwitzige Hände, wenn ich nicht weiß, ob es wirklich alles sicher ist.
Ich muss nochmal zuhause vorbei fahren, nur um zu schauen, ist wirklich alles zu.

Das ist schon krankhaft, wenn ich jetzt selber so lese, was ich schreibe. Und ich kann Dich verstehen.
Und Deine Worte machen es auch anderen verständlich, die einen kaum verstehen können.

Danke dafür!
Deine Phantasia.
Phantasia
 

Re: Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Beitragvon Mirai » Mi. 15.01.2014, 23:59

Liebe Phantasia,

vielen Dank für deine lieben Worte. Wenn ich ehrlich bin, habe ich den Text innerhalb weniger Minuten geschrieben und ich wollte ihn so belassen, denn das ist einfach das, was mir in den Kopf kommt, wenn ich an meinen Kontrollzwang denke und ich wollte nichts ändern, indem ich mir "bessere" Formulierungen überlege.

Ich bin meistens unglaublich gut darin, niemandem zu zeigen, dass ich unter Zwängen leide. Meine Mutter könnte es vielleicht wissen, aber ich weiß nicht, ob sie so richtig weiß, dass ich darunter leide. Wenn sie mir mal ihren Autoschlüssel gegeben hat, damit ich irgendetwas aus dem Auto hole oder irgendetwas ins Auto lege, war das immer der Horror für mich, aber ich habe mir nie etwas anmerken lassen.

Ich bin dir wirklich dankbar für deine liebevollen Worte, denn meistens komme ich mir mit meinen Zwängen ziemlich dämlich vor und auch wenn ich darüber reden will, traue ich mich nicht, weil das einfach so ein blödes Thema ist und ich immer denke, dass Menschen, die nicht betroffen sind, das sowieso nicht verstehen.
Wie soll ich auch jemandem erklären, warum ich das mache? Ich verstehe es ja selbst nicht und kann es anderen folglich auch nicht erklären.

Nochmals danke für deine lieben Worte!


Dein Mirai
Mirai
 

Re: Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Beitragvon Phantasia » Do. 16.01.2014, 00:04

Ich kann nur sagen: Nichts zu danken!

Denn viele halten mich für komplett bescheuert, wenn ich nochmals einen Umweg fahre, nur damit ich Zuhause nachschauen kann, ob meine Fenster geschlossen sind.
Oder wenn ich zig mal in meine Handtasche greife um zu schauen, ob noch alles an seinem Platz ist.

Ich kann Dich verstehen und ich wünschte manche Zwänge würde es einfach nicht geben.
Dann wäre so manches einfacher.

Aber ganz ehrlich, Du machst es richtig. Du nimmst Dich Deinen Zwängen an. Und das ist gut so.
Denn wenn Du lernst mit Deinen Zwängen zu leben, dann kannst Du auch leben. :)

Liebe Grüße und nochmals: Nichts zu danken, dafür bin ich da. :)

Phantasia.
Phantasia
 

Re: Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Beitragvon Mirai » Do. 16.01.2014, 00:08

Ich weiß nicht. Ich kann ja mit meinen Zwängen leben. Was ich lernen sollte, ist, ohne meine Zwänge zu leben. Das wäre der Ausweg.

Dein Handtaschenbeispiel kenne ich zu gut (wenn man die Handtasche durch einen Rucksack ersetzt).
Noch vor einigen Jahren bin ich auf dem Schulweg zwischendurch mindestens einmal stehengeblieben, um zu kontrollieren, ob ich auch wirklich alle Hefte, Schnellhefter, etc. in meinem Rucksack hatte und ja, die hatte ich immer dabei.
Das hat sich, Gott sei Dank, mittlerweile bei mir gebessert, aber so ganz ohne Zwänge zu leben, habe ich noch nie geschafft...

Herzliche Grüße,

Mirai
Mirai
 

Re: Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Beitragvon Phantasia » Do. 16.01.2014, 00:12

Wahnsinn, ich bin nicht alleine mit dem Problem.

Unglaublich, ich habe das mehrfach gemacht und mache es auch immer noch.
Deswegen stecke ich mir inzwischen immer alles in meine Jackentaschen, weil ich dann weiß, dass es bei mir ist.
Wir sind schon ein echt komischer Haufen. :D

Ich konnte das immer noch nicht ablegen. Aber ich hoffe, dass ich es irgendwann kann.
Die Leute schauen mich schon immer komisch an, aber das tun sie so oder so, da ist das eine Mal mehr auch nicht schlimm.

Herzlichste Grüße zurück
Phantasia
Phantasia
 

Re: Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Beitragvon Mirai » Do. 16.01.2014, 00:28

Liebe Phantasia,

bei manchen Dingen wäre es auch unmöglich für mich, sie in meine Umhängetasche zu packen.
Dazu zählen mein Handy, mein Portemonnaie und meine Schlüssel. Die befinden sich stets in meiner Hosentasche.
Nur wenn ich daheim bin, lege ich sie irgendwo an die Seite. In meinen eigenen vier Wänden kann ich mich einigermaßen sicher fühlen.
Wenn ich aber unterwegs bin, dann greife ich mir in regelmäßigen Abständen immer wieder in die Hosentaschen, um sicherzugehen, dass alles noch da ist.

Irgendwie ist das gerade ein komisches Gefühl, dass ich hier jemanden treffe, dem es auch so geht wie mir.
Das ist gleichzeitig schön und traurig. Ich wäre auch froh, wenn es diese blöden Zwänge gar nicht geben würde.

Viele liebe Grüße,
Mirai
Mirai
 

Re: Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Beitragvon Phantasia » Do. 16.01.2014, 00:32

Liebe Mirai,

ich bin gerade irgendwie so froh, Deine Worte zu lesen und damit zu wissen, hey, ich bin nicht alleine, das kannst Du Dir gar nicht vorstellen.

Ich muss auch immer in gewissen Abständen in meine Jacke greifen, ist wirklich noch alles da.
Oder wenn ich sie ausziehe. Oh mein Gott. Und wehe ich verlege irgendwas, dann wirds ganz schlimm.

Es ist wirklich schön und traurig zugleich und ich hoffe, wir beide, finden irgendwann Wege um diese Laster los zu werden.

Liebe Grüße
Phantasia
Phantasia
 

Re: Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Beitragvon Mirai » Do. 16.01.2014, 00:39

Liebe Phantasia,

so geht es mir auch, ja. Es ist so schön zu wissen, dass da draußen noch jemand ist, der genau das gleiche Problem hat und darunter leidet.
Da fühlt man sich gleich nicht mehr so allein, wenn man die Gewissheit hat, dass man nicht allein diese Gedanken durchlebt (durchleben muss).

Ich hoffe auch sehr, dass wir beide einen Weg finden, um die Zwänge loszuwerden. Irgendwie ist das bestimmt möglich... (: :cuddle:

Liebe Grüße,

Mirai
Mirai
 

Re: Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Beitragvon GefallenerEngel » Do. 16.01.2014, 07:53

Mirai hat geschrieben:mein Portemonnaie und meine Schlüssel. Die befinden sich stets in meiner Hosentasche.
Nur wenn ich daheim bin, lege ich sie irgendwo an die Seite. In meinen eigenen vier Wänden kann ich mich einigermaßen sicher fühlen.
Wenn ich aber unterwegs bin, dann greife ich mir in regelmäßigen Abständen immer wieder in die Hosentaschen, um sicherzugehen, dass alles noch da ist.


Was ist daran so besonderes oder schlimmes? Ich mache das auch so. Es ist doch ganz ok sich Sorgen über die wichtigsten Dinge zu machen, zu denen das Portemonnaie und die Schlüssel gehören, denn was wäre, wenn sie verloren gingen? Eine Katastrophe wäre das. Daher kann man gar nicht gut genug auf sie aufpassen. Ein Laster ist das sicherlich nicht.

Und auch mit meiner Wohnungstür ist es so, dass ich sie mehrmals kontrolliere, ob sie wirklich gut abgeschlossen ist und nicht aufgehen kann, bevor ich mich auf den Weg zur Arbeit mache. So fühle ich mich sicherer. Musste schon unterwegs zur Arbeit umkehren aus Angst, dass ich sie nicht richtig abgeschlossen hatte oder vergessen abzuschließen...
GefallenerEngel
 

Re: Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Beitragvon Mirai » Do. 16.01.2014, 17:43

Für mich klingt es nicht so, als hättest du einen Kontrollzwang, denn da ist ein meilenweiter Unterschied zwischen gesunder Vorsicht und Zwängen...

Wenn ich jeden Tag dutzende Male meine Hände in meine Hosentaschen stecken muss, um sicherzugehen, dass auch alles wirklich noch da ist, damit ich überhaupt mit dem Leben zurechtkomme, dann ist das mit Sicherheit ein Laster und nicht normal. Normalerweise schiebe ich die Dinge auch ziemlich tief in die Taschen.

Wenn du deine Tür mehrmals kontrollierst, um dich sicherer zu fühlen, dann ist das bestimmt keine schlechte Sache, nur bei mir ist es so, dass ich meine Tür mehrmals kontrollieren muss, damit ich überhaupt in der Lage bin, aus dem Haus zu gehen. Wirklich sicher fühle ich mich dabei auch eher selten...

Berechtigte Sorgen sind ja schön und gut, aber wenn sich Zwänge daraus entwickeln, dann ist das nicht mehr angenehm. :|
Mirai
 

Re: Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Beitragvon Phantasia » Do. 16.01.2014, 19:29

Danke Mirai, besser hätte man es nicht schreiben können.

Ich wusste auch nicht genau, was ich schreiben sollte heute Mittag darauf.
Phantasia
 

Re: Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Beitragvon Bombay » Fr. 17.01.2014, 22:19

Ich glaube auch, dass ich einen Kontrollzwang habe. In vielen Aussagen aus diesem Thread habe ich mich selbst wiedererkannt.
Ich kontrolliere auch mehrmals, ob die Tür auch wirklich verschlossen ist. Schlimmer ist es bei mir mit dem Herd und anderen Sachen, die anfangen könnten, zu brennen. Da ziehe ich dann bei allen elektrischen Geräten den Stecker raus und den Herd drehe ich bestimmt 2 oder 3 Mal an und wieder aus. Das alles nimmt leider auch so viel Zeit in Anspruch, dass ich regelmäßig 5 Minuten zu spät komme. :(
In meine Handtasche gucke ich auch regelmäßig und gehe sicher, dass mein Handy, mein Portemonnaie und mein Schlüssel noch drin sind. (Die Hosen, die ich trage, haben leider nur hinten Taschen, und bei meinem Gewicht kann ich dort nicht mein Handy verstauen.)
Beim Bezahlen an der Kasse brauche ich immer ewig, weil ich auch dort immer sichergehen muss, dass ich das Wechselgeld auch wirklich eingepackt habe.
Es ist sehr belastend und zeitaufwändig für mich. :evil: Vorher habe ich das gar nicht als so schlimm empfunden, aber jetzt, wo ich das schwarz auf weiß lesen kann, bin ich mir sehr sicher, einen Kontrollzwang zu haben. Leider. :evil: :(
Bombay
 

Re: Kontrollzwang - ein literarischer Versuch

Beitragvon Mirai » Fr. 17.01.2014, 23:09

Liebe Bombay,

danke für deinen Beitrag. Wir können diesen Thread gerne nutzen, um über das Problem zu sprechen und uns gegenseitig zu ermutigen.
Mich würde das auf jeden Fall freuen, denn ich habe auch nicht damit gerechnet, dass ich noch auf weitere Menschen mit dem gleichen Problem hier treffe.

Manchmal muss man sich selbst überwinden, aber das fällt so extrem schwer. Man zwingt sich ja förmlich selber, etwas zu tun.
Heute wollte ich beim Verlassen meiner Wohnung die Tür lässig abschließen und gehen. Da bin ich dann wie immer im Treppenhaus stehen geblieben, um die Tür genau zu beobachten und wollte dann eigentlich die Treppe nach unten gehen, aber da hat mir der Zwang einen Strich durch die Rechnung gemacht und ich musste zurückgehen und gegen die Tür drücken, die natürlich nicht aufgegangen ist, bevor ich mit einem mulmigen Gefühl die Treppe runtergehen konnte.

Heute war ich beim Netto um die Ecke einkaufen und ich fühle mich an der Kasse normalerweise immer unwohl, weil ich dann ja mein Portemonnaie raushole und der Kassiererin das Geld gebe, aber meistens drückt die einem das Wechselgeld nur in die Hand und bedient dann sofort schon den nächsten Kunden, bevor man das Geld überhaupt gezählt, eingesteckt und das Portemonnaie wieder sicher verstaut hat und das macht mich immer ein bisschen ärgerlich.
Ich kontrolliere dann auch immer meine Karten, denn ich habe immer meinen Studentenausweis, meine Krankenkassenkarte, meinen Führerschein, meinen Personalausweis und meine Bankkarte da drin und wenn ich die verlieren würde, wäre das wirklich mies.
Heute war es zum Glück anders, denn ich hatte mein Portemonnaie gar nicht dabei, sondern nur Geldscheine in meiner Tasche und an der Kasse konnte ich dann einfach das Geld hingeben und da ich auch nur wenige Münzen zurückbekommen habe, waren die schnell gezählt und ich konnte sie bequem in meine Tasche schieben.
Vielleicht sollte ich das demnächst immer beim Einkaufen machen? Ich fühle mich viel besser, wenn ich mir nicht so vorkomme, als würde man mir an der Kasse zu wenig Zeit lassen, um mich meinen Zwängen hinzugeben, denn so lasse ich die Zwänge quasi zu Hause (zumindest zu einem kleinen Teil).

Wisst ihr, was mich an meinen Zwängen am meisten nervt? Je mehr man kontrolliert, desto unsicherer wird man und das macht mich wütend.
Wenn ich z.B. meine Wohnungstür zu oft kontrolliere, kommt es mir so vor, als könnte ich gar nicht mehr aufhören, sondern müsste davor stehenbleiben und immer und immer wieder kontrollieren, ob sie auch richtig abgeschlossen ist. Dabei kommt man sich wirklich dämlich vor... :(
Mirai
 


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