Meine Geschichte...

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Meine Geschichte...

Beitragvon Lamia » Mi. 15.07.2015, 19:02

An den meisten Tagen geht es mir eigentlich ziemlich gut. Und an einigen wenigen Tagen möchte ich mich zusammen rollen und verkriechen.
Es ist nicht so, dass ich nicht weiß woher das kommt und es ist auch nicht so, dass dies mein Leben wirklich negativ beeinflusst.
Aber es ist so, dass ich eigentlich noch nie irgendwem alles über mein Leben erzählt habe...
Und, auch gerade unter meinen Freunden, nicht das Bedürfnis verspüre dies zu machen.
Nicht, weil ich ihnen nicht trauen würde, aber ich habe keine Lust mir anzuhören, dass ich mir doch einen Psychologen suchen sollte oder ähnliche Dinge. Möglich, dass ich das vielleicht mal machen sollte, aber den Zeitpunkt bestimme ich selbst.
Und weil mein Kopf im Moment wieder so unendlich voll ist und ich mich gerade gestern ganz furchtbar gefühlt habe, bin ich durch einen Zufall in dieses Forum hier gestolpert. Eigentlich wusste ich gar nicht so genau, was ich hier will, suche oder soll, aber ich dachte "Guck´s dir einfach mal an..."
Und nach einigem Blättern durch das Forum war mir klar, dass ich wohl gar keine Frage habe und auch eher weniger auf der Suche nach Hilfe bin, sondern einfach mal jemandem einfach alles erzählen möchte und vielleicht auch muss...
Also werde ich meinen eigenen, "kleinen" Roman mal schreiben und mir das Erlebte selbst noch einmal erzählen...

Ich wurde 1988 in Kiel geboren. Mein Vater ist, bevor ich zur Welt kam, Olympia gesegelt und meine Mutter war Übersetzerin in verschiedenen Unternehmen. Nachdem die Ärzte meinem Vater sagten, dass er aufhören müsse mit seinem Sport, da er ansonsten im Rollstuhl sitzen würde über kurz oder lang, haben sie sich zusammen einen Lebenstraum erfüllt und eine Gaststätte eröffnet. Wir sind in meinen ersten Jahren wohl oft umgezogen von Kiel nach Lübeck, von Lübeck nach Mölln, von Mölln nach Rendsburg. In Rendsburg haben sie ihre Kneipe leider aufgeben müssen, da war ich noch im Kindergarten, da sich das finanziell einfach nicht mehr halten ließ.
So ging mein Vater für etliche Jahre in eine Werkstatt für geistig eingeschränkte Menschen und meine Mutter find wieder als Übersetzerin an.
Ich denke, ich hatte eine glückliche Kindheit, leider erinnere ich mich nur an kleine Bruchstücke, einzelne Gedankensplitter so um und bei bis zu meinem 14ten Lebensjahr.
Ich war eigentlich ein sehr unkompliziertes Kind, das (na klar) wie jedes Kind/Teen dann und wann mal Mist gemacht hat, aber eigentlich nie etwas wirklich schlimmes.
Mit knapp 14,5 Jahren lernte ich meinen ersten "richtigen" Freund kennen, Tobi. Er war psychisch nicht so ganz gesund, möchte ich mal sagen. Wir waren in sehr kurzer Zeit oft zusammen und wieder getrennt, weil wir uns gestritten haben, weil er mich körperlich oft angegriffen hat und weil wir einfach noch so jung waren... Dann wurde er inhaftiert für gut 2 Jahre und ich sah die einzige Möglichkeit mich von ihm zu lösen und trennte mich. Als ich in der 8ten Klasse der Hauptschule war, also mit ca. 16 Jahren, wurde mir in den Sommerferien Krebs diagnostiziert. Was wohl weitaus schlimmer klingen mag, als es für mich persönlich war. Im Nachhinein war es ein knappes halbes Jahr in dem halt alles nicht mehr soooo gut ging, wie es vorher war. Und das einem in dem Alter die Haare einfach ausfallen...das fand ich schon mehr als doof ;)
Dann, noch während meiner Chemo, starb meine Mutter im November an Lungenkrebs mit Lebermetastasen. Wäre sie früher zum Arzt gegangen... Nein, selbst dann wäre sie wohl gestorben. Sie hatte zu dem Zeitpunkt schon eine sehr starke Leberzirrhose. Ich kann mich nicht entsinnen sie jemals wirklich nüchtern erlebt zu haben, aber sie hat ihren Job selbst betrunken weitaus besser gemacht (ob nun arbeits- oder familientechnisch) als so manch anderer Mensch. Pegeltrinker meistern halt so einiges...
Wir waren gerade mitten im Umzugsstress, als sie verstarb. Das alles ging sehr schnell, drei Tage von Diagnose bis Multiorganversagen durch die Chemo. So blieb wenig Zeit sich damit auseinander zu setzen, es ging alles sehr schnell, der Umzug... Aber das Schlimmste ist bis heute für mich der Moment gewesen, in dem ich meinen Vater weinen sah. Meine Mutter zu verlieren war schlimm, aber ihn so zu sehen brach mir das Herz und treibt mir auch heute noch Tränen in die Augen.
Danach hab ich mir meine Schule völlig versaut, weil ich natürlich für alles Platz in meinem Kopf hatte, nur dafür nicht. Ich hab viel Geschwänzt, aber wenn ich da war war ich immer sehr gut. Ich hab in 4 Anläufen versucht Realschule nachzuholen, aber es hatte alles keinen Sinn. Ich bin nach der Chemo eigentlich jedes Wochenende, naja eigentlich jeden Tag unterwegs gewesen. Einmal am Tag nach Hause, duschen und essen, Papa zeigen, dass es mir gut geht und wieder los.
Die meisten meiner Freunde haben chemische Drogen genommen und so ließ es nicht lange auf sich warten, bis ich mittendrin war. Es war mein Weg aus diesem Loch raus, es ging mir gut, ich hatte viel Spaß und ich erinner mich gerne an diese Zeit, auch wenn ich sie nicht wieder haben wollen würde. Also, so richtig angefangen hat das erst mit knapp 20, da lernte ich meinen Exverlobten kennen. Ein sehr lieber Mensch, der mir die Welt zu Füßen gelegt hat, aber...auch mindestens genau so untreu war... Was dann nach einer sehr wilden Zeit, mit viel Drogen nach 4 Jahren geendet ist. Die Gefühle hatten sich zusehend in Luft aufgelöst.
Gefühlt lernte ich im selben Atemzug meinen jetzigen Exfreund kennen. Das war "Liebe" auf den ersten Blick, zumindest bei mir. Er hatte irgendwas an sich, dass ich wahnsinnig toll fand. Leider übersah ich dabei den Wahnsinn... Er war fast 5 Jahre lang meine persönliche Hölle. Am Anfang war eigentlich alles ganz ok, aber ich hab da schon gemerkt, dass er irgendwie anders ist als andere, wenn es um Nähe zu Menschen geht. So sehr wie er Tiere liebt, verachtet er Menschen. Vor allem Frauen. Und als ich nach und nach zu verstehen begann, was mit ihm nicht stimmt, da war es dann auch schon zu spät. Ich war bei meinem Vater ausgezogen und mit ihm zusammen gezogen. Nach etlichen Terminen bei Psychologen und Neurologen diagnostizierten sie ihm eine dissoziale Persönlichkeitsstörung. Und ich habe ihm leider unbewusst die Möglichkeit gegeben diese auch vollkommen auszuleben. Er hat alles auf mich abgeschoben, Haushalt, Finanzen, sämtliche Verantwortung. Wenn etwas nicht so lief, wie er das für richtig hielt, war es so oder so meine Schuld.
Mit den Jahren wurde dieser Zustand immer schlimmer, weil seine Erkrankung leider immer schlimmer wurde. Er hätte sich helfen lassen können, aber wenn einem ein Arzt sagt, dass die Heilungschance nur bei maximal 10% liegt... Daran hat er sich auf gehangen und somit jede Hilfe abgelehnt, da man ihm eh nicht helfen könne. Ihm fehlte jedes Schuldbewusstsein, jede Einsicht, dass er nicht das Recht hat mich zu verletzen psychisch und auch physisch. Für ihn war ich sein Besitz. Ich bin nicht mehr weg gegangen, hab viele meiner Freunde verloren, eigentlich habe ich nur noch existiert, um sein Leben so angenehm wie möglich zu gestalten.
Bis ich ihn kennen gelernt habe, habe ich nie gekifft. Ich hatte das mal ausprobiert, aber das bekam mir nicht wirklich gut. Am Anfang haben wir dann einmal die Woche einen Joint geraucht. Nun letztes Jahr im Sommer, bevor ich endgültig gegangen bin, war ich 24/7 bekifft. Ich hab sogar meine Ausbildung zur Heim- und Jugenderzieherin völlig stoned als Beste abgeschlossen. Wo ich nun gerade wieder an den Pegeltrinker denken muss...
Aber am schlimmsten mit anzusehen war wohl für alle, dass ich nach und nach verschwand. Körperlich baute ich immer mehr ab und rutschte von knappen 70 kg auf knappe 40 kg runter. Aber auch mein "Ich" hatte sich einfach ins Nichts verwandelt. Ich war ein Schatten meiner selbst. Ich war sein Schatten. Ich musste mögen, was er mag. Und so wurde ich zu seinem Spiegelbild, nur ohne Aggressionen, weil ich keine Kraft mehr hatte gegen ihn anzukämpfen. Ich war nur noch gewillt zu überleben, Tag für Tag.
Dann landete ich wegen einer schweren Entzündung der Eierstöcke im Krankenhaus letztes Jahr Mai. Durch einen Zufall begann ich mit einem guten Freund zu schreiben, weil ich Nachts nicht schlafen konnte und er arbeiten war. Von da ab schrieben wir jeden Tag und als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde sahen wir uns dann und wann auch mal wieder, nur um eine zu Rauchen und ein bisschen zu Quatschen.
Kurz entschlossen nahm er mich für ein Wochenende mit zu sich, weil er merkte wie schlecht es mir eigentlich wirklich ging. Ich hatte nichts gesagt, aber er war in der Lage zu hören, was ich nicht sagte. Zu sehen, was ich nicht zeigte. Ich bekam einen Nervenzusammenbruch bei ihm, er fing dieses ganze Elend einfach auf, obwohl wir uns ewig nicht gesehen oder gesprochen hatten. Er hielt den Schmerz aus, den ich nicht mehr ertragen konnte.
Er gab mir die Möglichkeit mich aus meinem "Gefängnis" zu befreien, er gab mir die Möglichkeit auszuziehen und brachte mich zu meinem Vater. Seit dem habe ich mich gut erholt. Aufgehört zu Kiffen, ich hab einen Job den ich ganz gerne mach, bin zurück nach Kiel gezogen und er ist (auf eine recht seltsame Art und Weise) an meiner Seite geblieben.
Wir sind nicht zusammen, aber nach etlichen Monaten und viel Geduld ist er mir sehr wichtig geworden. Ich kann auf ihn zählen, egal was ist. Er wäscht mir den Kopf, wenn ich mal wieder am durch drehen bin. Er tritt mir in den Arsch, wenn ich Dinge schleifen lasse. Alles, ohne dafür etwas zu verlangen. Er lässt mich sein wie ich bin.

Und dann kommen diese Momente...in denen macht sich meine Verlustangst breit und dann die Anderen, in denen ich Angst habe, die Kontrolle über mich und mein Leben wieder zu verlieren. Die Momente, in denen ich meine Mutter nach über 10 Jahren so schmerzlich vermisse. Die, in denen ich wünschte wieder ein Kind zu sein.


Das...ist meine Geschichte, oder zumindest der grobe Umriss davon...
...und ich weinte wie ein Kind, als du mich in deine Arme nahmst... <3
Lamia
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